Wer über nervöse Finger verfügt, dem sei ein Ausflug in die Spielhalle Oslo auf dem Dreispitzareal empfohlen. Hier treffen konventionelle Games mit den neusten Highlights der Programmierszene zusammen. Wer sich darauf vorbereiten will, sollte allerdings nicht nur die Daumen warm machen…
Eigentlich hatten wird uns ja auf einen kompetitiven Nachmittag eingestellt. Mann gegen Mann, ein Kampf um den schnelleren Reflex und die filigranere Daumentechnik. Beim Zocken wollten wir für einmal alle Freundschaft links liegen lassen, ein Nachmittag für Konkurrenz und Konsole. Doch es sollte anders kommen.
Besuch in der Spielhalle Oslo, diesem temporären Mikrokosmos der Gamekultur auf dem Dreispitz-Areal. Hier strömen Liebhaber und Programmierer, Einsteiger und Vollprofis zusammen, um ihrer Passion zu frönen. Der Ort ist als Schmelztiegel konzipiert, «wir setzen alles daran, dass hier ein reger Austausch stattfindet», versichert der Kurator Dominik Marosi.
Zusammenarbeit mit Christoph Merian Stiftung
Und Marosi weiss, was es braucht, um das Gamerherz höher schlagen zu lassen. Bereits 2013 machte er mit seiner Ausstellung «Press start to Play» im Riehener Spielzeugmuseum von sich reden und 2014 wurde er zum Direktor des neuen Zürcher Gamefestivals Ludicious erkoren. Wahrlich: der Mann weiss, wo die Knöpfe sitzen.
Als ihn die Christoph Merian Stiftung für das Zwischennutzungsprojekt Spielhalle Oslo anfragte, musste er nicht lange überlegen. Er organisierte die Konsolen und stellte ein Programm zusammen, das neben Workshops zum Thema Gamedesign und Spielturnieren auch ein interaktives Konzert enthält. Alles mit dem Ziel, die Virtualität in diesem Raum nicht ihren bekannten Staubsaugereffekt entwickeln zu lassen.
Liebeserklärung an den Gamecube
Und damit zurück zum Einstieg. Ziel unseres Besuchs war ein kompetitiver Streifzug über verschiedene Stationen, an denen wir die Games und Konsolen einem Tauglichkeitscheck unterziehen wollten.
Der Beginn war schonmal vielversprechend. Ein Turm alter Röhrenbildschirme empfängt den Besucher wie ein materialisierter Tetrisstein beim Betreten des Raumes. Als «Liebeserklärung an den Gamecube» wollen die Macher diese Station verstanden wissen. Der grauen Maus unter den Spielkonsolen wird hier also ihre Ehre zurückgegeben. Sympatisch.
Die Games stammen wie die Konsole selbst alle aus dem Bronzezeitalter der Gamerszene: der Jahrtausendwende. Bei «Super Smash Bros. Melee» lassen wir mit schnellen Fingern die Fetzen fliegen, während «WarioWare Mega Party» so trashig daher kommt, dass unsere auf 3D getrimmten Gehirne von der stupenden Schlichtheit dieses Spiels überfordert auf der Strecke bleiben. Game over.
Aktuelle Tendenzen sind auch vertreten
Ich bin sauer. Mein Kumpel führt im head-to-head und meine Wangen glühen ein wenig, als wir uns in den hinteren Teil des Raumes begeben. Hier absolvieren zwei Arcade-Ferraris gerade einen Boxenstopp: Die Sitze sind beschädigt und müssen repariert werden. Den Flipperkasten lassen wir links liegen (genug 1999 für heute) und widmen uns einer Perle der helvetischen Programmierszene.
«Schlicht» heisst das mehrfach ausgezeichnete Game Zürcher Entwickler. Der Name ist Programm, der Ablauf lässt sich am besten mit folgendem Intro-Video nachvollziehen:
Wer aufmerksam zugesehen hat, der bemerkte: Hier ist Koordination und vor allem Kooperation gefragt. Und so sind wir gezwungen, unseren Konkurrenzkampf zugunsten des gemeinsamen Erfolgs auf die Seite zu schieben. Das ist schön, aber es wird noch besser.
Bound to dance
Ein iphone. Jeder berührt einen Punkt am äusseren Ende des Bildschirms mit dem Daumen und lässt ihn nicht mehr los. In der Mitte eine dreidimensionale Kugel, auf deren Oberfläche Fixpunkte erscheinen, die durch Schwenken des Smartphones «eingesammelt» werden müssen. Dazu Musik. Walzer.
Innert kürzester Zeit unternehmen wir die absurdesten Verrenkungen beim Versuch, die indizierten Punkte zu erreichen. Mal drehe ich eine Pirouette, dann mein Kumpel. Verflogen sind in diesem Moment der Gram und der verletzte Stolz ob der verlorenen Spiele zuvor, hier zählt nur Gemeinschaft und Grazie. Zumindest wenn es nach den holländischen Entwicklern des Spiels mit dem Namen «Bounden» geht, die verschiedene Levels des Spiels mit Ballettänzern illustrieren.
Noch fehlt uns möglicherweise ein Quäntchen Übung für derlei kapriziöse Bewegungen. Aber mit der Tanzeinlage hatten wir auch nicht gerechnet, wir waren zum Zocken gekommen. Nervöse Mundwinkel und glasige Augen, das war es, was wir wollten. Nun hatten wir höchstens ein wenig warm und beendeten unsere Rundtour nicht als Gewinner und Verlierer, sondern in eitler Harmonie und Einigkeit.
Die Prüfer im Ansatz zur Pirouette. Den Balletttänzern aus dem Promo-Video haben wir allerdings wenig entgegenzusetzen. (Bild: Livio Marc Stoeckli)
Die kleine aber feine Spielhalle Oslo vereint konventionelle Spielkultur mit brandneuen Hits. Die Spiele bieten brachiale Grafik sowie fein ziseliertes Design und laden auf jedem Fall zum Ausprobieren ein.
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Die Ausstellung in der Spielhalle Oslo (Adresse: Oslo-Strasse 10) läuft noch bis zum 24 Mai. Der Eintritt ist kostenlos.
2.4. 19:00 Uhr Apelab presents Interaktive Bilder, virtuelle Comics & Videospiele: Apleab aus Genf erzählen von ihren Projekten.
10.4. 17:00 Uhr Mariokart-Turnier. Grüne Panzer, rote Panzer? Training ab 17:00 Uhr, Turnier ab 19:00 Uhr. Startgebühr: 10 Franken. Mit Preisen!
18.4.-19.4. 20:00 – 24:00 Uhr Ludum Dare 32 Computer mitbringen, alleine oder in Teams am Spiel arbeiten, wenig Schlaf – es ist Zeit für einen Game Jam.
25.04 16:00 Uhr Oslo Night Games. Für eine Nacht und einen Tag spielen wir auch mal draussen. Mit Games, die für Partys geschaffen wurden.