Der Bundesrat gab gestern grünes Licht für Leuthards Energiestrategie. Diese fusst primär auf Vorschriften und Subventionen. Theoretisch kann die Schweiz damit ihren Atomstrom ersetzen und den gesamten Energieverbrauch senken.
Um den vom Parlament beschlossenen Atomausstieg zu ermöglichen, plane Energieministerin Doris Leuthard neue Gaskraftwerke. Damit werde der atomare Teufel mit dem fossilen Beelzebub ausgetrieben. Das schlossen Leute aus Politik, Wirtschaft und Medien, nachdem die Sonntagspresse Informationen aus der «Energiestrategie 2050» veröffentlicht hatte.
Atomausstieg ohne Klimaschaden
Mit der jetzt offiziell veröffentlichten Strategie, die der Bundesrat am Mittwoch genehmigte, korrigiert Leuthard diesen Eindruck in zweierlei Hinsicht: Erstens plant und baut der Bundesrat weder Gas- noch Solarkraftwerke, sondern schafft lediglich politische Rahmenbedingungen für seine angestrebte Energiezukunft. Zweitens ist der «Beelzebub» weniger schmutzig, als er beschrieben wurde. Denn Gaskraftwerke sind nur eines von mehreren Mitteln, um den Atomstrom zu ersetzen.
Dabei soll die fossile Energie, die Gaskraftwerke benötigen, anderswo eingespart oder ersetzt werden; dies vor allem in den energieintensiven Bereichen Verkehr und Gebäudeheizung. Damit kann die Schweiz ihre Atomkraftwerke langfristig abschalten und unter dem Strich auch den fossilen Energieverbrauch samt klimaschädlichem CO2-Ausstoss vermindern. Insgesamt soll der Energiebedarf bis 2050 um 30 Prozent abnehmen.
Damit geschieht, was die Energiestrategie anstrebt, bewilligte der Bundesrat gestern ein erstes bis 2020 vollziehbares «Massnahmenpaket». Damit will er einerseits die Effizienz des Energieeinsatzes verbessern mit dem Ziel, trotz wachsender Wirtschaft den gesamten Energieverbrauch kontinuierlich zu senken. Andererseits soll der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Energieverbrauch erhöht und der Anteil der fossilen Energie vermindert werden.
Neue Vorschriften und Subventionen
Bei der Wahl der Mittel setzt die Regierung vor allem auf strengere Vorschriften, die den spezifischen Energiebedarf von Anlagen und Geräten begrenzen, sowie auf «Fördergelder von jährlich 1,7 Milliarden Franken», also Subventionen, die zur Steigerung der Energieeffizienz oder dem Umstieg auf erneuerbare Energien anreizen. Dazu einige Beispiele:
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Vorschriften: Die Kantone sollen ihre Normen, die den Energiebedarf von Neubauten begrenzen, stetig verschärfen mit dem Fernziel «Nullenergie-Haus». Der CO2-Ausstoss von neuen Autos soll im Gleichschritt mit der EU weiter vermindert werden. Eine Verschärfung der Vorschriften plant der Bund auch für Elektrogeräte, Industriemotoren, Strassenbeleuchtungen etc. Zudem plant er Zonen, in denen erneuerbare Stromproduktion gegenüber dem Natur- und Landschaftsschutz bevorzugt werden kann. Die Bewilligung von umstrittenen Wind- und Wasserkraftwerken soll durch kürzere Verfahren erleichtert werden.
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Subventionen: Die Subventionen für Gebäudesanierungen, die aus den Einnahmen der CO2-Abgabe auf Brennstoffen finanziert werden, will der Bundesrat von heute 200 auf jährlich 600 Millionen Franken erhöhen. Die Mittel für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), mit denen die Konsumenten Strom aus erneuerbarer Energie quersubventionieren, soll schrittweise aufs Dreifache erhöht werden. Gleichzeitig sollen die Vergütungssätze der KEV gesenkt werden mit dem Ziel, pro Franken mehr erneuerbaren Strom zu fördern. Kleine Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern (bis 10 Kilowatt) will der Bundesrat künftig nicht mehr per KEV sondern mit Investitionsbeiträgen subventionieren.
Gesetzesänderungen nötig
Wird alles vollzogen, was die Strategie als ersten Schritt auflistet, lassen sich die gesetzten Ziele der Energiestrategie etwa zur Hälfte erreichen. In einem zweiten Schritt erwägt der Bundesrat ab 2021 eine Umwandlung der heutigen CO2-Abgabe und KEV zu einer Energieabgabe oder ökologischen Steuerreform. Die Energiestrategie 2050 sei ein langfristiger Prozess, betonen die Energieplaner des Bundes. Dieser müsse den sich ändernden Verhältnissen und der technologischen Entwicklung stets angepasst werden.
Viele der neuen Massnahmen erfordern Gesetzesrevisionen und neue Verordnungen. Eine Vorlage dazu wird Leuthards Energiedepartement bis September 2012 ausarbeiten und danach in die Vernehmlassung schicken. Erst dann zeigt sich, wie weit die papierene Energiestrategie politisch akzeptiert wird und sich umsetzen lässt.