Lieber Bojack Horseman … Hazel Bruggers ❤️-Brief an ein «ehrliches Arschloch»

Sie ist eine schlagfertige Kabarettistin, er ein Arschloch mit Pferdekopf. Trotzdem hat es zwischen den beiden gefunkt. Ein Liebesbrief von Fernsehstar zu Fernsehstar.

Sie ist eine schlagfertige Kabarettistin, er ein Arschloch mit Pferdekopf. Trotzdem hat es zwischen den beiden gefunkt. Ein Liebesbrief von Fernsehstar zu Fernsehstar.

Lieber Bojack

Ich schreibe Dich als Mensch an, obwohl Du aussiehst wie ein Tier. Ein wunderbar liebevoll, filigran gepinseltes Tier. Du hast Nüstern und einen langen Pferdekopf, dazu Arme und Beine in der Form, wie sie auch beim Menschen vorkommen. Ähnlich wie Dr. Sommer – der Sex-Onkel aus der «Bravo» – kann ich Dir aber sagen: «Das ist völlig normal.»

In Deiner Zeichentrickwelt gibt es zwar auch ein paar Menschen – wie Dein Mitbewohner Todd – aber eben auch eine ganze Reihe Tiere: So ist Deine Agentin eine rosa Katze, Dein Regie-Partner ein riesiger Hamster und Deine Freundin eine Eule mit Gedächtnisstörung. In Deinem Umfeld gibt es Thunfische mit Aktenkoffer, Regenwürmer mit Lesebrille und Hühner im Bademantel.

Das Schöne an Deiner Welt ist also, könnte man sagen, dass man in ihr ganz klar sieht, wie verschieden Lebewesen sein können. Und wie egal das dann letztlich für die Kommunikation ist. Wenn sich Eisbären und Truthähne miteinander verständigen können, muss das schliesslich auch bei einem schwulen schwarzen Moslem und einer asiatischen alleinerziehenden Mutter möglich sein. Auch wenn beide nie wissen werden, wie sich das jeweils andere Leben anfühlt. Das ist – denke ich – die versöhnliche Botschaft Deiner Sendung: «Multi-Kulti» ist nicht blöd (oder gar gescheitert), sondern bunt, lustig, traurig, spannend, real.

Der Grund, wieso ich Dich anschreibe, lieber Bojack, ist aber ein anderer. Es ist eine Frage, die mich beschäftigt, seitdem ich – in einer einzigen!, manischen Sitzung – alle dreizehn Folgen der ersten Staffel durchgeguckt habe, auf einem kleinen glitschigen Laptopbildschirm, den ich irgendwo, in einem österreichischen Hotelzimmer, zwischen Knie und Badewannenkeramik balancierte bis sich die Hornhäute rillten und die Nägel schwammig sogen: Wie sagt man einem Arschloch «bleib wie Du bist»?

Nichts an Dir ist bewundernswert. Du bist faul, alkoholabhängig, rücksichtslos und feige. Du verleitest Ex-Junkies zum Konsum. Du hast Sex mit Minderjährigen, ohne schlechtes Gewissen. Und – fast am schlimmsten: Du bist ein Künstler ohne Ambitionen.

Zwischen all den unehrlichen «guten Menschen» bist Du: ein ehrliches Arschloch.

Dir ist es egal, ob Du Deine Biografie selber schreibst. Ob Dein Film-Part durch eine Computeranimation ersetzt wird. Ob Dein Sieg bei einer Preisverleihung gefaked ist. Dir geht es einfach nur darum, im Rampenlicht zu stehen, Geld zu bekommen, Whiskey zu trinken und Groupies zu bumsen.

Natürlich machst Du das alles irgendwie nur «versehentlich». So wie man «versehentlich» zwei Schnäpse trinkt, weil man weiss: Danach bin ich rücksichtslos. Aber im Grunde bist Du ein schlechter Mensch. Jemand, bei dem man ganz klar sagen kann: Ohne ihn wäre die Welt eine bessere.

Warum also die ganze Mühe, Dir hier einen Brief zu schreiben? Wieso der Hype in den Feuilletons, was soll das?

Ich schaue Dir gerne zu. Ich habe Dich – wie viele Serien-Aficionados weltweit – ins Herz geschlossen. Du machst Dir bei all dem nichts vor. Du denkst nicht, dass Du Deine Mitmenschen fair behandelst und bleibst Dir dort immer irgendwie treu. (Auch wenn das – wie gesagt – nicht unbedingt etwas Positives ist.) Zwischen all den unehrlichen «guten Menschen» bist Du: ein ehrliches Arschloch. Und damit fast eine Art Anker.

Jeder kann sich in Deiner Nähe gut fühlen, weil Du ganz klar der Trottel bist. Du bist moralisch so wie das hässliche Schorfkopf-Baby im Sandkasten, das all die anderen neben sich glänzen lässt. Oder – wie Du einmal zu einer Affäre nach dem Sex gesagt hast: «Es war ein Fehler. Für Dich: Ein wunderschöner, sexy Fehler. Für mich: Ein gewöhnlicher Fehler.» Das mag ich.

Es ist gut, dass nicht alle so sind wie Du. Aber es muss auch Menschen wie Dich geben, damit das soziale Gefüge nicht kippt. Ja, in gewisser Hinsicht nimmst Du den ganzen Dreck auf Dich, damit sich die anderen sauber fühlen können, ein gesellschaftlicher Mopp, der sich auf Netflix auswringt und an dessen Müffelwasser man sich stundenlang laben kann.

Es ist ein Segen und ein Fluch. Ein wunderschöner, sexy Fluch. Also vielen Dank, dass Du das für uns alle aushältst. Bleib so, wie Du bist.

Herzlichst,
Deine Hazel

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Für alle, die sich einen Eindruck verschaffen wollen, ob die Liebe gerechtfertigt ist:

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