Lohndumping-Verfahren immer noch hängig

Die schwerwiegenden Verstösse gegen das schweizerische Arbeitsrecht, die im vergangenen Jahr an der Basel World aufgedeckt wurden, sind noch immer zu einem grossen Teil ungebüsst. Das passt der Gewerkschaft gar nicht.

(Bild: Stefan Bohrer)

Die schwerwiegenden Verstösse gegen das schweizerische Arbeitsrecht, die im vergangenen Jahr an der Basel World aufgedeckt wurden, sind noch immer zu einem grossen Teil ungebüsst. Das passt der Gewerkschaft gar nicht.

Der Pressekonferenz der Unia haftet etwas Improvisiertes an. Sie findet auf dem Messeplatz statt, von den aufgebauten Holzstühlen und Tischen aus haben die Medienschaffenden freie Sicht auf die arbeitenden Handwerker. Um sie wird sich die Pressekonferenz auch drehen, die Hansueli Scheidegger, Co-Präsident der Unia Nordwestschweiz, eröffnet.

Einen Monat vor Beginn der diesjährigen Basel World scheint sich Frustration bei der Gewerkschaft Unia Nordwestschweiz breit zu machen. Im vergangenen Jahr wurden bei den Standbau-Kontrollen ernüchternde Missstände publik. Viele Firmen verstiessen gegen die geltenden Lohnbestimmungen der Schweiz. Ausserdem wurden über 80 Prozent aller Selbstständigen als scheinselbstständig eingestuft: Durch die scheinbare Selbständigkeit ihrer Arbeitnehmer können Unternehmen sich davor drücken, die branchenüblichen Löhne zu bezahlen. Auch die Arbeitszeiten können bei Selbständigen uneingeschränkt lange sein.

Durch Fristerstreckungen kommen die Verfahren nicht vom Fleck

Fühlte sie sich vor einem Jahr angesichts dieser handfesten Beweise wohl noch siegessicher, hat sich heute Ernüchterung bei der Unia breitgemacht. Die Verfahren sind in der Schwebe.

Die meisten Fälle, die im vergangenen Jahr publik wurden, sind noch lange nicht abgeschlossen. Es gibt für die Verstösse am schweizerischen Arbeitsrecht durch ausländische Arbeiter und Arbeitgeber zwei letzte Instanzen. Eine ist die Regionale Paritätische Kommission, diese erteilt Bussen und ist für die Rückforderung der Kontrollgebühren zuständig. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) ist seinerseits für die Sanktionen zuständig. Laut Antonina Stoll vom AWA sind erst zehn der angeblich über 300 Fälle beim AWA eingetroffen. Scheidegger sagt, sichtlich verzweifelt: «Die meisten haben Rekurs eingelegt. Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Fristerstreckung kommen wir nicht vom Fleck!»

Die Schreinermeister sind ausgestiegen

Als wäre der Rechtsapparat nicht schon träge genug, kam es Ende Januar noch zum Eklat: Die Standbauer laufen unter dem Gesamtarbeitsvertrag der Schreiner. Somit ist der Verband der Basler Schreinermeister dafür verantwortlich, die Einhaltung des GAV zu gewährleisten, genauer genommen tut dies als Kontrollinstanz die Paritätische Kommission (PK) des Schreinergewerbes für die Stadt Basel. Doch nun entzog sich die PK dieser Verantwortung. Argumentiert wird in erster Linie damit, dass der Standbau wenig bis nichts mit Schreinerei zu tun habe.

Zudem sagt Peter Lachenmeier, Schreinereibesitzer und Mitglied des Schreinermeisterverbands, dass sie eine etwas andere Auffassung von Scheinselbständigkeit vertreten würden als die Unia: «Seit 2013 ist der Begriff der Selbständigkeit extrem eng formuliert. Dem stehen wir kritisch gegenüber.» So sei es als «Selbständiger» per Definition kaum mehr möglich, in einem Team zu arbeiten und Befehle von jemandem entgegenzunehmen, was aber beim Messebau beides unumgänglich sei.

Aus diesen Gründen haben die Basler Schreinermeister kein Interesse mehr an den Kontrollen der Basel World. Die Verantwortung für diese Kontrollen wurde nun an die Zentrale Paritätische Kommission des Schreinereigewerbes (ZPK) weiterdelegiert, die ihren Sitz in Zürich hat. Dies verzögert das Verfahren  zusätzlich. Denn die kantonale Kontrollinstanz hat nicht nur ihre künftigen Pflichten, sondern auch die Mappe mit den hängigen Fällen an die Zentrale weitergereicht, und somit die heikle Frage der Scheinselbständigkeit, die – so macht es den Anschein – niemand so wirklich beurteilen möchte.

Personalmangel wird angeprangert

Zudem gibt es ein juristisches Problem: Wenn ein Arbeitgeber oder ein Arbeitnehmer beschuldigt wird, gegen das schweizerische Arbeitsrecht zu verstossen, ist es normalerweise an der regionalen Paritätischen Kommission, über den Fall zu entscheiden. Wenn der Betroffene Rekurs einlegen will, kann er dies bei der zentralen Kommission tun. Wird diese aber nun von der zweiten zur ersten Instanz, so gibt es keine Rekursinstanz mehr, auf die ein Angeklagter zurückkommen könnte. 

«Der Standbau hat nicht viel mit Schreinerei zu tun.»

Peter Lachenmeier, Schreinermeisterverband Basel.

Gaston Schweizer, stellvertretender Präsident der PK in Basel, vermutet, dass die zentrale Kommission in Zürich immer noch darauf hofft, die Basler PK würde die Baselworld wieder übernehmen. Doch Schweizer bleibt standhaft. «Wir werden die Baselworld nicht wieder übernehmen. Diese Grösse steht in keinem Verhältnis zu unserer Tätigkeit, wir haben dann keine Ressourcen mehr für andere, wichtige Bauprojekte.» Dann fügt er an: «Wir müssen einfach einsehen, dass wir alle überfordert sind mit der Grösse, die das Ganze annimmt.»

Zumindest hier sind sich die Vertreter der Basler Schreinermeister und der Unia einig. Scheidegger betont mehrfach, dass die personellen und finanziellen Mittel, die vom SECO für die Kontrollen auswärtiger Arbeiter zur Verfügung gestellt würden, extrem beschränkt seien. Dabei sei eine verschärfte Kontrolle nicht zwingend mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden: «Das SECO hat nichts zu verlieren, denn wenn ein Verdacht sich bewährt, dann wird das Kontrollverfahren von demjenigen bezahlt, der den Verstoss zu verantworten hat.» In der Regel sei bei ausländischen Firmen und Selbständigen schwierig, diese Bussen auch tatsächlich einzufordern. Allerdings ist laut Scheidegger im Falle der Baselworld nichts zu befürchten – die grossen Unternehmen könnten sich die Kontrollgebühren leisten, und es sei für sie von Interesse, in die Schweiz zurückkehren zu können.

Verschärfte Eingangskontrollen an der Basel World 2014

Trotz der Ernüchterung über die hängigen Verfahren, sehen die Gewerkschafter den Arbeitsbedingungen an der diesjährigen Messe nicht nur pessimistisch entgegen. Auf Anregung der Unia hin sind Badges eingeführt worden, mit denen jeder, der das Messeareal betritt und verlässt, registriert wird. Somit könnten auch die Arbeitszeiten kontrolliert werden, sagt Scheidegger. Hansjürg Dolder, Leiter des AWA, hält die Badges allerdings für ein untaugliches Mittel zur Kontrolle: «Es können auch ausgiebige Pausen auf dem Areal gemacht werden», argumentiert er.

Wir werden sehen, was für Streitigkeiten im Kontext der Basel World 2014 noch aufkommen werden. Der Tonfall ist auf jeden Fall bereits ziemlich scharf: So werden der Unia von den Schreinermeistern eitle Anliegen bescheinigt. Schweizer sagt: «An anderen Messen, etwa der Swissbau, die erst kürzlich stattgefunden hat, wollte die Unia keine einzige Kontrolle durchführen. Sie nutzt die Bekanntheit der Basel World als persönliche Werbeplattform.» 

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