Novartis kontaminiert mit der Steih-Sanierung in Hüningen die Umgebung mit Lindan-Abfallstaub, das beim Einatmen die Gesundheit gefährdet. Während das Amt für Umwelt und Energie entwarnte, ohne die Staubmengen in der Luft zu kennen, legt der Altlastenexperte Martin Forter erstmals Messergebnisse aus Luftanalysen vor. Zwei Grossräte fordern von Novartis nun einen Baustopp.
Seit den Messergebnissen des Amts für Umwelt und Energie (AUE) vom 16. September ist bekannt: Novartis hat mit der Sanierung des STEIH-Areals in Hüningen giftigen Lindan-Abfall-Staub in die Basler Luft verfrachtet. Dies belegten sämtliche Bodenproben, die das AUE «im näheren und weiteren Umfeld des Sanierungsstandortes» entnommen hatte und in einer Medienmitteilung bekannt gab.
Da die gemessenen Bodenwerte «deutlich unter den Prüfwerten» lagen, entwarnte das AUE: Es bestehe «aufgrund einer ersten Einschätzung kein Risiko», weshalb es auch keine «konkreten Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung» brauche.
Die Messungen des AUE haben allerdings gemäss dem Altlastenexperten Martin Forter zwei Schönheitsfehler: Erstens erfolgten sie trotz mehreren Beschwerden aus der Bevölkerung über den Gestank erst, als der Experte mit Videoaufnahmen gezeigt hatte, dass die Schutzzelte über der Deponie im Wind flattern und dadurch keinen dichten Eindruck hinterlassen. Zweitens beurteilte das AUE das Risiko für die Bevölkerung nicht anhand von Luftanalysen seit Sanierungsbeginn, die gemäss Forter für die Einschätzung entscheidend wären.
Erste Luftanalysen
Forter hat dieses Versäumnis jetzt zumindest teilweise nachgeholt, wie aus seiner Medienmitteilung vom Mittwoch hervorgeht. Auf seinen Verdacht hin, dass es infolge der Sanierung zu Staubemissionen komme, hat er an sechs Standorten so genannte «Staubfänger» aufgestellt und analysiert. Demnach seien bis zu 94 Mikrogramm Lindan und Lindan-Abfall-Staub von Mitte August bis Anfangs September im unteren Kleinbasel niedergegangen. Selbst bei der Mittleren Brücke entdeckte Forter den gefährlichen Staub in der Luft.
Gefährdet sieht Forter auch das Trinkwasser in den Langen Erlen: Als bis in die 1970er-Jahre der Lindan-Abfall noch in rauen Mengen offen gelagert wurde, habe der Wind den Giftstaub von Hüningen schon einmal dorthin getragen.
Was die gemessenen Mengen in der Luft im Hinblick auf die Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung bedeuten, sei «schwierig» einzuschätzen, schreibt Forter, «da Inhalations-Studien weitgehend fehlen». Gegenüber Forter bestätigte der Direktor der International HCH & Pesticides Association (IHPA), John Vijgen, dass die Aufnahme des Staubs über die Lunge aus «toxikologischer Sicht gefährlich» sei und bei Sanierungsarbeiten der Austritt «sofort unterbunden werden» sollte.
Baustopp gefordert
Ein Ende der Sanierungsarbeiten fordern deshalb nun auch zwei Grossräte: Heidi Mück (Basta) und Daniel Goepfert (SP) wollen, dass Novartis die Arbeiten sofort einstellt und erst wieder aufnimmt, wenn der Konzern keine weiteren Staubaustritte garantieren kann. Mück, die selber im Kleinbasel wohnt, hat ihrem Unmut bereits am 9. September in Form einer Interpellation Ausdruck verliehen. Darin hielt sie den «Eindruck» fest, dass die Umweltbehörden Basels die «Verantwortung am liebsten weiterschieben» und niemand «der Sache ernsthaft nachgehen wollte», bis sich Forter «an die Öffentlichkeit wandte».
Martin Forter beurteilt die ganze Affäre als «Peinlichkeit». Seine Hauptkritik gilt jedoch nicht den Behörden, sondern dem Verursacher. Mehr dazu sagt der Altlastenexperte im Interview in der Printausgabe der TagesWoche vom 27. September (Sie erhalten die TagesWoche am Kiosk oder digital über die App der TagesWoche. Oder nach Hause geliefert mit einem Abo).