Wenn das Kind von der Twistymania ergriffen ist, hilft nur Entwöhnen. Oder Schönreden.
Viele Schweizer sind Migros- oder Coop-Jünger. Diese Entscheidung wird zum Teil wegen des Angebotes getroffen, meist aber wurde man schon als Kind auf einen der beiden Anbieter eingeschossen, frühkindliche Prägung nennt man das.
Die Migros kämpft dabei mit ganz harten Bandagen: Während Alkohol und Zigaretten nicht im Sortiment sind, stehen Suchtmittel für Kinder durchaus zur Verfügung. 2011 wurden die Nanos verteilt, bunte Plastikpillen mit Gesicht. Pro 20 Franken Einkauf gab es «gratis» ein Säckchen mit einem von 48 Figürchen; blieb zu hoffen, dass man den Nano darin noch nicht hatte.
Nun sind es Twisties, kleine Kreisel, die Grimassen ziehen und so flotte Namen tragen wie Lav-a, Zork und Fluffo-54. Dazu kommen Sammelalben, Arenen zum Kreiseln und die Jokertwisties. Diese erfordern einen Einkauf von 60 Franken. Angehörigen eines Suchtbetroffenen bleibt nur, diese Neigung zu akzeptieren und schönzureden: Immerhin bleiben die Kinder vom Computer weg, ein Traditionsspielzeug wird neu entdeckt, und dank Wettbewerben liegt eine Karriere als Profikreisler durchaus drin.
Oder man versucht, die Entwöhntricks anderer Süchte auf Twisty-Maniacs anzuwenden: Rüeblikauen, selbst Kreisel schnitzen, oder man steckt Geld in eine Kasse für jeden Twisty, den man nicht gekauft hat, und davon kauft man sich dann etwas richtig Tolles, vier Playstations zum Beispiel. Mindestens 1200 Franken muss man nämlich in eine komplette Sammlung investieren. Dazu kommen die Kosten für eine Gefriertruhe, um all die wegen Twisties gekauften Lebensmittel zu konservieren. Alkohol würde länger halten. Aber den gibts in der Migros ja nicht.
Twistymania, bis zum 27. Mai in allen Migros-Filialen. Pro 20 Franken Einkauf gibt es einen Kreisel und einen Sticker; weitere Infos auf www.migros.ch
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.04.13