Sie haben heftige Kritik einstecken müssen für ihr Projekt des Klinikum 2. Nun wehren sich die Architekten Giuliani und Hönger gegen «falsche Aussagen» und kritisieren das Vorgehen ihrer Konkurrenten Herzog und de Meuron. Die Forderung, den Wettbewerb neu anzusetzen, «haben wir in 20 Jahren im Geschäft nicht erlebt», sagen sie im Interview.
Vor ihnen liegt das Modell ihres Klinikum 2-Neubaus, hinter ihnen Wochen von heftiger Kritik an eben jenem «Arcadia». Einen Satz, mehr haben die Architekten Lorenzo Giuliani und Christian Hönger zur Debatte um ihr Konzept und den Neubau bisher nicht gesagt. Nun haben sie sich vorgenommen, ihr Konzept ins richtige Licht zu rücken. Ein Gespräch über falsche Aussagen, eine noch nie erlebte Polemik und ein Siegerprojekt, das noch niemand so richtig ausgeleuchtet hat.
Bevor sich die Architekten den Fragen stellen, haben sie ein Anliegen: ihr Projekt vorzustellen. Das Modell liegt bereit, die Pläne sind ausgebreitet – Giuliani und Hönger sind in ihrem Element, der erste Satz ist vielversprechend: «Das Herz unserer Projektes ist der Spitalpark – er wird grösser und öffentlicher» (mehr zum Konzept in der Box am Ende des Interviews). Dass die Offensive in der Öffentlichkeit aus der Sorge der Bauherrin herauskommt, dass es beim angekündigten Referendum der Gegner knapp werden könnte, verneint das Universitätsspital Basel (USB). «Wir sind zuversichtlich, dass ein allfälliges Referendum zu unseren Gunsten ausfallen würde», sagt Sprecher Martin Jordan. Die Intention des USB sei, die öffentliche Diskussion wieder auf das siegreiche Projekt zu lenken.
Herr Giuliani, Herr Hönger, Sie haben trotz massiver Kritik an Ihrem Projekt lange geschwiegen. Nun haben Sie gleich drei Interviews mit Medien. Warum der Gang an die Öffentlichkeit?
Lorenzo Giuliani: Wir haben uns in Absprache mit dem Unispital am Anfang so verhalten. Wir wollten die Debatte nicht anheizen und haben die Vorwürfe stehen gelassen. Dass wir nun an die Öffentlichkeit gehen, hat mehrere Gründe: Einerseits geschieht es in Rücksprache mit dem Spital, andererseits gab es die Interpellation im Grossen Rat. Die Antwort des Regierungsrates war eindeutig: Wir haben uns in einem sauberen Wettbewerb durchgesetzt. In dem Sinne interessiert es nun vielleicht doch, wer wir eigentlich sind und was unser Projekt ist – und da wollten wir Hand bieten.
Hat Sie die Debatte um Ihr Projekt überrascht?
Christian Hönger: Grundsätzlich finden wir es gut, dass Bauvorhaben diskutiert werden. Und sich die Leute damit auseinandersetzen. Was uns irritiert hat, ist die polemische Diskussion. Und die Tatsache, dass im Nachgang eines Wettbewerbs, den eine ausgewiesene Jury bewertet hat, bei dem das Verfahren auch sauber und korrekt war, das Verfahren und die Jury in Frage gestellt werden.
Giuliani: Wenn man mit der Jury als Fachgremium nicht einverstanden ist, kann man sich von einem Wettbewerb zurückziehen oder nicht daran teilnehmen. Wenn man aber an einem Wettbewerb teilnimmt, akzeptiert man das Verfahren, die Bedingungen und die Jury. Das sind Spielregeln, die in der Schweiz glücklicherweise gut funktionieren. Normalerweise. Nun erleben wir zum ersten Mal, dass jemand öffentlich kritisiert, dass nicht korrekt bewertet wurde – wie das Herzog und de Meuron das Gefühl haben. Man kann das für sich beanspruchen, aber dann öffentlich durchsetzen zu wollen, dass man den Wettbewerb nochmals neu auflegt, haben wir in 20 Jahren im Geschäft noch nicht erlebt.
Hat Sie das getroffen, dass Ihr Projekt – obwohl siegreich – links liegen gelassen wurde?
Hönger: Es geht nicht um Beleidigungen oder Betroffenheit, uns geht es um die sachliche Debatte über die Projekte. Wir haben das Gefühl, dass nicht alle Argumente auf dem Tisch sind, sondern einfach polemisiert wird. Das finden wir schade, es ist gut, wenn Argumente, die gegen ein Projekt sprechen, breit und offen diskutiert werden. Aber es gehören auch jene dazu, die für ein Projekt sprechen.
Giuliani: Dass solche Kritik unüblich ist, ist das eine, dass man aber Aussagen macht, die schlichtweg falsch sind, ist etwas ganz anderes. Die Rede war davon, dass es «ein städtebaulich schlechtes Konzept» sei. Man kann im Jurybericht nachlesen, dass wir einige – ich sage mal – qualitativ gute Vorschläge dazu gemacht haben, die offensichtlich auch goutiert worden sind. Da ist es irritierend, wenn man schlecht recherchiert und falsche Aussagen macht, einfach nur um die Debatte anzuheizen.
Die Hauptkritik richtet sich gegen den 60 Meter hohen Bettenturm. Das war vorhersehbar, bereits der jetzige Turm geniesst den Ruf einer Bausünde. Haben Sie keine Alternativen geprüft?
Giuliani: Wir haben in der ersten Phase verschiedene Modelle gemacht: Wir haben die Vorgaben des Volumens genommen und überlegt, wie wir die nötige Spitalfläche anordnen können. Haben aber dann schnell gemerkt, dass ein Konzept mit einem Turm einfach Vorteile hat. Sie lassen sich in der Formel zusammenfassen: kleinere Grundrissfläche, dafür mehr Grün und mehr Licht [mehr zum Konzept in der Box, Anmerkung der Redaktion]. Wir haben nicht einen Turm vorgeschlagen, weil wir einen Turm bauen wollen, sondern uns dazu nach dem Abwägen der Vor- und Nachteile entschieden. Und wir sind nicht die einzigen, die einen Turm vorgeschlagen haben.
Hönger: Von neun Projekten in der letzten Runde haben fast alle höhere Häuser vorgeschlagen. Das hat damit zu tun, dass das Spital eine gewisse Fläche braucht und niemand zaubern kann. Es gibt viel Programm, das man unterbringen muss auf der bestehenden Fläche.
Ihre Kernaussage ist, sie haben nicht einen Turm des Turmes halber geplant, sondern weil sie die Fläche darin benötigen.
Giuliani: Genau, deshalb hat uns bei der Diskussion irritiert, dass niemand – auch Herzog und de Meuron selber – nicht erwähnt haben, dass ihr Projekt einen wesentlichen Punkt der Vorgaben nicht eingehalten hat. Im HdM-Projekt «Kazwei» fehlen 18’000 Quadratmeter Fläche. Das ist leider auch im Jurybericht nicht erwähnt worden. Vielleicht hätte es die Diskussion etwas abgefedert. In der Antwort auf die Interpellation aber wird es klar kommuniziert.
Am anderen Argument der Kritiker – der Turm sei zu nah an der Altstadt – ändert das nichts.
Giuliani: Wir haben den Turm nie als Problem für die Altstadt verstanden, denn der Turm ist nicht direkt am Petersgraben, sondern wesentlich zurückversetzt: Der Sockelbau davor findet Anschluss an die bestehenden Strukturen und die Umgebung. Dort, wo es vom Raum und vom Schattenfall her möglich ist, haben wir in die Höhe konzipiert. Die Predigerkirche steht beispielsweise frei, was beim HdM-Projekt nicht der Fall ist.
Herzog und de Meuron sind nun mehrmals vorgekommen in diesem Gespräch. Verstehen Sie das Vorgehen der Architekten, die Kritik am Entscheid?
Giuliani: Es ist schon unüblich, dass jemand am Wettbewerb teilnimmt und die Bedingungen, die Vorgaben und die Jury in Frage stellt. Es gab zwei, drei Jahre vor dem Wettbebewerb eine Machbarkeitsstudie, wie man die Bedürfnisse des Spitals auf dem Platz schlau unterbringen kann. Die Regierung hat daraufhin den Masterplan angepasst und genehmigt, dass man auf 60 Meter Höhe bauen kann. Unser Vorschlag ist daher nicht aus der Luft gegriffen, wir begründen es auch plausibel. Für uns war selbstverständlich Pflicht, das geforderte Raumprogramm zu erfüllen.
Dann haben Sie die Pflicht gemacht und arbeiten nun an der Kür – der Ausdrucksform, wie das so schön heisst. Und HdM hat die Kür gemacht, aber die Pflicht nicht erfüllt?
Giuliani: Das ist zu stark vereinfacht. Wir haben auch die Kür gemacht beim Städtebau, bei der Frage des Tageslichts und in vielen anderen Punkten. In der Fassaden-Thematik hätten wir vielleicht mehr vertiefen können. Aber dafür haben wir beim Spitalgarten einen Beitrag geleistet, der sehr wohl Kür ist. Die Vorgabe lautete, dass er ein wichtiger Teil ist. Wir haben ihn zum Herzen der Anlage gemacht.
Hönger: Wir geben mit unserem Projekt und der Öffnung des Gartens nicht nur dem Spital etwas, sondern auch der Stadt. Wer in Zukunft hier spaziert, hat eine neue Grünfläche.
Die Jury hat dennoch die Ausdrucksform als Schwäche bewertet. Haben Sie schon mit der Verbesserung Ihres Projektes begonnen?
Giuliani: Wir werden in den kommenden drei, vier Monaten daran arbeiten. Es ist auch nicht unüblich, dass es da Nachbesserungen gibt. Ein Projekt ist mit einem Wettbewerb nie zu Ende – es ist die Grundanlage, auf der man weiterarbeitet. Und wir haben eine sehr gute Ausgangslage dafür. Wir haben uns wahrscheinlich keinen Gefallen getan mit den Bildern, den Visualisierungen: Sie waren nicht optimal.
«Arcadia»: Licht und Grün
Der Projektname für die Neubauten des Universitätsspitals Basel (USB) ist im doppelten Sinne nicht zufällig gewählt von Lorenzo Giuliani und Christian Hönger: «Arcadia» spielt an auf den griechischen Mythos von Arcadien, dem Traumland, gleichzeitig steht es auch für die geplante Arkade quer durch das Spitalareal. Die Architekten möchten damit den Park für die Öffentlichkeit zugänglicher machen. Es wird einen Zugang vom Petersgraben durch den Sockelbau zum Park geben, der andere liegt bei der Klingelbergstrasse. Der Garten soll nicht nur grösser werden, sondern auch zum «Herz der Anlage». Möglich macht das gemäss den Architekten die kleine Grundrissfläche der geplanten Bauten. Der vieldiskutierte Bettenturm wird «die optimale Besonnung erhalten». Die Zimmer sind zum Park hin ausgerichtet. Der vierstöckige Sockelbau erhält Lichthöfe, die sich zwei Abteilungen des Spitals jeweils teilen. «So können wir ein Maximum an Tageslicht herausholen, bis ins zweite Untergeschoss», sagt Giuliani. Die Einfahrt – ein grosses Anliegen des Spitals – wird zum Petersgraben hin «grosszügig» gestaltet, der Sockelbau wahrt dadurch auch Abstand zu den historischen Bauten auf der anderen Strassenseite. Der Bezugspunkt für die Bauten ist das bisherige Klinikum 1, das Hermann Baur gestaltete. «In Anlehnung an seine Orientierung und die Ausrichtung an den Park verfolgen wir dieselbe Strategie – es soll ein Ensemble entstehen», sagt Hönger. Entsprechend verläuft auch die Arkade parallel zum Bau von 1945, der als Klassiker der Moderne gilt. Der Sockelbau und der Bettenturm ermöglichen den Bau in drei Etappen und ohne provisorische Bauten für den Erhalt des Spitalbetriebes, ein schlagendes Argument für das USB. Die Architekten strichen in ihrer Präsentation noch mehr Vorteile gegenüber der Konkurrenz hervor: «Unser Konzept beansprucht am wenigsten Fläche, bietet die grösste Grünfläche und die grösste Versorgung mit Tageslicht im Spital an.»