Der Theologe Moisés Mayordomo forscht an der Uni Basel über Jesusfilme. Dabei wünscht er sich nichts mehr, als dass die Filme endlich verschwinden. Ein Gespräch über Monty Python, Hochzeitsmagazine und die Frage, warum religiöse Gefühle verletzt gehören.
Herr Mayordomo, Weihnachtszeit ist Bibelfilm-Zeit. Wie viele Filme ertragen Sie?
Die Frage ist nicht, wie viele ich ertrage, sondern wie lange ich einen einzigen aushalte. Wenn ich mir einen Film aus professionellen Gründen anschauen muss, mache ich das bis zum Ende. Der einzige Film aber, der den Anspruch hat, künstlerisch wertvoll zu sein und diesen auch einlöst, ist Pasolinis «Das Erste Evangelium». Das ist die einzige Verfilmung der Jesusgeschichte, die ich mehrfach sehen kann.
Weil es sich dabei nicht um ein klassisches Hollywood-Epos handelt?
Die Klassiker kann ich nicht ernst nehmen. Schaue ich mit Studierenden auch nur einzelne Ausschnitte davon an, müssen sie laut lachen. Diese Komik war sicher nicht intendiert, aber sie ist etwas sehr Interessantes. Was einmal als hochreligiöse Angelegenheit gedacht war, ist 20 Jahre später nur noch unfreiwillig komisch.
Szene aus Pasolinis «Das Erste Evangelium – Matthäus» von 1964
Die erbauende Wirkung, die sich diese Filme zuschreiben, spüren Sie nicht?
Ich habe schon in meiner Jugend davon nichts gespürt, als ich vielleicht anfälliger dafür gewesen wäre. Die Tricks, die eingesetzt werden, um diese Erbauung zu generieren, sind einfach zu plump. Man merkt relativ schnell, in welche Ecke man manipuliert werden soll.
Trotzdem finden Bibelfilme heute wieder ein Publikum. Ist das Mel Gibson zu verdanken und seiner blutigen «Passion Christi»?
Als Mel Gibsons «The Passion of the Christ» auf den Markt kam, dachte ich, das sei ein Aussetzer. Der Film hat aber zu meiner Verwunderung etwas ausgelöst. Was aber auch erklärbar ist: Gibson hat mit einem sehr kleinen Etat gewaltige Erlöse eingespielt. Darauf musste die Filmindustrie reagieren. Vor allem auf dem Videomarkt hat «The Passion of the Christ» etwas ausgelöst. Dann gab es das Noah-Epos von Aronofsky und jetzt natürlich die Exodus-Verfilmung von Ridley Scott.
Auf die freuen Sie sich?
Ich bin ambivalent. Der Bibelstoff taucht wieder auf, obwohl ich dachte, er sei weg vom Fenster. Und eigentlich habe ich mich darüber gefreut, dass er weg vom Fenster ist.
Trailer «Exodus» (Kinostart Deutschschweiz am 25. Dezember)
Wie hat es Gibson geschafft, das Genre wieder zum Leben zu erwecken?
Sein Film war ein Versuch, die Uhr zurückzustellen. Sein Anspruch war: Wir machen einen Film, in dem alles so dargestellt wird, wie es wirklich war. Der Anspruch ist für jeden Bibelkenner ein Witz. Im Film wird nur Aramäisch gesprochen – da fragen dann meine Kollegen: welches Aramäisch? Schon Cecil B. DeMille, der Pionier des Bibelfilms, arbeitete so, als er im Prolog zu «King of Kings» 1927 ein Siegel der Authentizität einblendete, validiert durch seine eigene Unterschrift.
Um zu demonstrieren, wie nah er beim Original ist?
Genau. Und danach kommen Szenen, die können Sie lange in der Bibel suchen. Das muss aber auch so sein. Die Evangelien geben nicht genug her für eine Verfilmung. Wenn eine Maria Magdalena in den Evangelien auftaucht und die hat eine dubiose Vorgeschichte, dann muss Hollywood darauf anspringen und dem Raum geben. Das war auch die einzige Möglichkeit, eine leicht bekleidete Frau in einem Jesusfilm unterzubringen – eine Gelegenheit, die DeMille gerne nutzte.
Gibson hat das Gleiche versucht. Allerdings hat er Elemente der Splatter- und Horrormovies in grossem Stil eingesetzt. Das Seltsame daran ist die theologisch sehr rückständige Deutung.
«King of Kings» von 1927 (in voller Länge für einsame Weihnachtsabende)
Etwas ist über die Jahrzehnte gleich geblieben: Bibelfilme eignen sich als Propagandainstrument.
Bei Mel Gibson bestimmt. In vielen Sektoren des evangelischen Fundamentalismus US-amerikanischer Prägung ist das Werk auf fruchtbaren Boden gefallen. Aber Propaganda in dem Sinne, dass Zweifler zu etwas bewegt werden? Das hat sicherlich nicht funktioniert.
Er war zur Selbstbestätigung gedacht?
Eine brutale Selbstbestätigung. Ich war überrascht, dass gewisse Kreise so angesprungen sind auf diesen Film. Ich habe mit Leuten gesprochen, die tief bewegt waren. Die sagten: «Das hat Jesus alles für meine Sünden erlitten.» Diese Opferdeutung, die wurde eins zu eins geschluckt.
Was hat der Film denn bei Ihnen ausgelöst?
Ich habe diesen Film mit vier Kollegen gesehen, wir gingen aus beruflichen Gründen hin. Die beiden Professorinnen sind für zwei Drittel des Films zum Rauchen rausgegangen. Der Körper von Christus ist ja nach zehn Minuten nicht mehr anschaubar und das bleibt dann zwei Stunden so. Als wir nach dem Film das Kino verliessen, stand eine Frau mit einem Plakat vor dem Eingang, die uns, fünf Bibelwissenschaftlern, gesagt hat, dass alles so passiert sei und Jesus diese Leiden alle für uns auf sich genommen hat. Das war einer der wenigen Momente in meinem Leben, in dem ich das tiefe Bedürfnis hatte, jemandem an die Gurgel zu springen. Die Leute schalten ihr ganzes Denken ab und schlucken alles, was behauptet wird. Der Anspruch Gibsons, nur das zu zeigen, was in den Evangelien steht, wird überhaupt nicht eingelöst. Dieser Film hat mich aggressiv gemacht. Es ist so vieles falsch darin.
Trailer von «The Passion of the Christ» (2004)
Eine Gemeinsamkeit im Bibelkino: die grosse Hilflosigkeit der Macher, Göttlichkeit darzustellen. Sie machen das beispielsweise an den Bärten fest, die im Remake von «King of Kings» von 1961 getragen werden.
Ich wäre vielleicht nicht auf die Bärte gekommen, wenn sie nicht auch bei Monty Python eine grosse Rolle spielten. Da habe ich mir gesagt: Achte auf die Bärte. Als ich das tat, musste ich so lachen. Der jüdische Rebellenführer Barabbas und alle seine Kumpanen tragen Bärte, die man jedem vom Gesicht reissen würde. Die unglaublich überdeutliche theatrale Ausstattung hat mir wirklich zu denken gegeben. Man orientierte sich halt an den historischen Kunstwerken, die man als Vorlage hatte.
Die Filme wurden sehr streng kontrolliert. Es gab konkrete Vorstellungen, was diese Filme zeigen dürfen und was nicht.
Man hat sich bei diesen Filmen intensiv beraten lassen. Das sieht man auch bei den Danksagungen im Abspann, sofern man solange durchhält. Die Studios wissen, dass der Stoff ein grosses Risiko mit sich bringt. Probleme entstanden, sobald auch nur angedeutet wurde, dass Sexualität eine Rolle gespielt haben könnte. Jesus als Mann, als sexuelles Wesen, als Begehrender oder Begehrter, die Frauen um ihn herum, damit musste man enorm vorsichtig sein. Sie durften an Jesus nichts anbringen, was noch im Entferntesten von irgendeiner religiösen Person als lächerlich, liederlich, allzu menschlich empfunden werden könnte. Jesus ist ja gleichzeitig Gott – aber wie stellt man das dar? Das ist ein zentrales Problem.
Was sind die Tricks?
Die Tricks hat bereits Cecile B. DeMille angewendet. Indem er die Ikonografie der Andachtskarten, der Kitschkarten nachahmte. Es gibt Andachtskarten, die sich millionenfach verkauft haben, wo ein Jesus drauf war mit Bart und langen Haaren. Die Haare durfte im Film nur Jesus so lang tragen. Oder es wurde eine besondere Form der Ausleuchtung gewählt. Man sieht häufig, dass Licht auf Jesus fällt, wobei völlig unklar ist, woher das kommt. Ganz ähnlich operieren Bollywood-Filme, in denen die Heldin immer mit flatternden Haaren gezeigt wird. Nicholas Ray, der 1961 ein Remake von «King of Kings» fabrizierte, liess seinen Jesus-Darsteller nie blinzeln.
Das wussten Sie oder fiel es Ihnen auf?
Nein, es ist mir nicht aufgefallen. Wenn man es weiss, dann fällt es aber auf. Cecile B. DeMille ging sogar noch weiter, er hatte seinem Jesus-Darsteller in den Vertrag reingeschrieben, dass dieser während der ganzen Drehzeit und ein, zwei Jahre danach keinen Alkohol trinken darf. So wollte er gewährleisten, dass der Schauspieler selber eine gewisse Heiligkeit aufweist. Es hätte ein moralisches Erdbeben ausgelöst, wäre herausgekommen, dass der Mann dem Suff verfallen wäre. – Wobei, von Jesus sagt man ja, dass er ein Säufer war.
Sobald es im Bibelkino menschelt, liegen die Nerven blank?
Schauen Sie sich den grossen Skandal um Martin Scorseses «The Last Temptation of Christ» an. Da standen Massen aufgepeitschter Evangelikaler und Katholiken vor den Kinos, die skandierten, der Regisseur müsse die Nacktszene rausnehmen. Das war ihre wichtigste Botschaft. Es gab auch Hasstiraden, wonach hinter dem Film eine jüdische Verschwörung steht, selbst Scorsese wurde vorgeworfen, er sei Teil dieser Verschwörung – ausgerechnet der Italokatholik Scorsese!
Das zweite grosse Dogma bei Jesus-Darstellungen lautet: Humor ist verboten. Ist Humor noch schlimmer als Sex?
Vielleicht ist Humor schlimmer als Sex, weil Humor subversiv sein kann. Die Kulturgeschichte des Humors ist eine Geschichte der Möglichkeiten der Subversion. Ich wurde in meiner Jugend noch von der Militärdiktatur in Spanien gestreift, die bis 1975 dauerte. Humor war damals eine Möglichkeit, mit diesem repressiven System umzugehen. Es kursierten unzählige Franco-Witze. Überall, wo es feste, starre Dogmen gibt und klare Hierarchien, die nicht hinterfragt werden dürfen, wirkt der Humor destabilisierend. Wenn man Jesus und den christlichen Glauben in einer starren Dogmatik fasst, hat man Angst vor Humor – vor dem Humor der Monty Pythons im Besonderen.
War «Life of Brian» eine Erlösung für Sie?
Erlösung ist vielleicht zu hoch gegriffen, aber es fand eine Entlastung statt. Ich habe den Film mit 15 oder 16 Jahren gesehen, in einem hochreligiösen Umfeld. Und ich habe automatisch gelacht. Mir war nicht klar, ob ich mich mit diesem Lachen zum Mittäter mache auf der Seite der Religionsverächter. Bald wurde mir klar: Manche haben ein Problem damit. Ich habe den Film später zu meinem Forschungsgegenstand gemacht. Das hatte etwas Erlösendes, weil mir klar wurde, was dieser Film mit religiösem Kitsch anstellt.
Trailer zu «Life of Brian» (1979)
Ihre religiöse Herkunft wird bereits durch Ihren Vornamen verraten – gleichwohl durften Sie über «Life of Brian» lachen?
Ich komme aus einer protestantischen Familie – und das im katholischen Spanien. Meine Eltern sind konvertiert. In einem solchen Setting spielt der Glaube naturgemäss eine sehr grosse Rolle, auch wenn das Umfeld nicht repressiv war. Mein Vater hat sehr gerne Jesusfilme geschaut. Wenn er den Eindruck hatte, eine Darstellung werde der Nobilität von Jesus nicht gerecht, dann war das für ihn inakzeptabel. Er hatte seine Liste der besten Jesusfilme, und «Life of Brian» war sicher nicht dabei. Er hätte den Film in keiner Form goutiert.
Hat Ihr Vater den Film einmal gesehen?
Ich hoffe nicht.
Auf den Film folgte eine Welle der Skandalisierung: Den Pythons wurde vorgeworfen, sie würden religiöse Gefühle verletzen. Der Film wurde vielerorts verboten. Haben Sie Verständnis für diese Kritik?
Die einzige legitime Kritik lautet: Ihr Humor sagt mir nichts. Der Blasphemie-Vorwurf ist unberechtigt. Der Film macht sehr deutlich, dass es nicht um Jesus geht. Aus der Entstehungsgeschichte des Werks wissen wir, dass die Pythons zum Schluss kamen, es gebe keinen satirischen Zugriff auf die Jesusgeschichte, deshalb kreierten sie die Figur des Brian.
Ihr Ziel war ursprünglich aber schon die Jesusgeschichte.
Sie hatten die Arthus-Sage in «Ritter der Kokosnuss» verarbeitet. Danach wurde Eric Idle, der Vorlauteste der Pythons gefragt, wie man das noch steigern könnte. Idle gab zur Antwort: «Jesus, das nächste Projekt wird Jesus sein.» Er hatte bereits einen Titel: «Jesus – Lust for Glory.» Danach haben sie sich auf die Bermudainseln zurückgezogen und am Jesusstoff gearbeitet. Aber das sind ja alles Oxfordboys, die hatten die Qumran-Schriftrollen gelesen und sich bei Josephus über das Umfeld von Jesus informiert. Die haben sich reichlich dokumentiert und dann festgestellt, was Jesus in der Bergpredigt sagt, das ist völlig okay. Sie kamen zum Schluss: Wir sehen unsere Angriffsfläche eher in der organisierten Religion, der Vermarktung und Verkitschung von Jesus. Das können wir nicht so gut an der historischen Figur Jesus festmachen. Eigentlich ist es eine geniale Idee, eine Parallelfigur zu nehmen.
Die Pythons haben den Vorwurf der Blasphemie in der Steinigungsszene vorweggenommen. Eine rasend komische Szene.
Das ist eine sehr, sehr lustige Szene. Mir ist erst später bewusst geworden, dass die Pythons in dieser Szene auch den eigenen Humor thematisieren. Das ist ja das Spannende an den Pythons: Ihr Humor spielt auf allen Ebenen. Sie schneiden Grimassen, hauen anderen mit der Keule auf den Kopf, auch als Fünfjähriger kann man darüber lachen. Dann haben sie einen anspruchsvollen Humor mit ausführlichen Gesprächen über Marxismus und so. Aber sie bewegen sich immer auch auf der Meta-Ebene. Sie fragen sich, was die Grundregeln des Humors sind und wie sie vernichtet werden können. So gingen sie auch mit der Jesus-Industrie um. In der Steinigungsszene halten sie jenen Leuten den Spiegel vor, von denen sie später mit Blasphemievorwürfen eingedeckt wurden.
Steinigungsszene aus «Life of Brian» (1979)
Sie sahen die Inquisition kommen.
Die Pythons waren nicht von den grossen Studios abhängig, der Film hat eine Million Pfund gekostet, was auch damals nicht viel war für eine derartige Produktion. Bezahlt hat den Film George Harrison von den Beatles. Zunächst hatten sie den Film EMI vorgelegt, dort wurde das Drehbuch angelesen und panisch zur Seite gelegt, weil man es für blasphemisch hielt. Also sprang Harrison ein, der mit einigen der Pythons befreundet war. Harrison sagte: Den Film will ich unbedingt sehen, hier habt ihr das Geld. Später meinte er, das sei die teuerste Eintrittskarte gewesen, die er je gekauft habe. Es hat sich aber auch gelohnt für ihn, «Life of Brian» hat ein Mehrfaches der Produktionskosten eingespielt. Harrison hat übrigens eine ganz kleine Nebenrolle im Film. Er spielt einen griechischen Weinhändler. Die Szene wurde dann aber rausgeschnitten.
Darf ein Film religiöse Gefühle verletzen?
Religiöse Gefühle gehören bis zu einem gewissen Punkt verletzt, sei es mit den Mitteln des Humors oder der Vernunft. Für mich sind die Monty Pythons Aufklärer, das ist kritischer Rationalismus mit den Mitteln des Humors – sie klopfen die Religion ab. Wer bereit ist, auf die Verletzung einzugehen, der erfährt eine Art Läuterung.
«Wenn nicht ein Film meine religiösen Gefühle verletzt, ist es am Ende das Leben selbst.»
Das verstehe ich nicht.
Es ist eine Läuterung, weil ich durch den Humor infrage gestellt werde. Die Verletzung ist nur das Symptom einer tieferliegenden und befragbaren Überzeugung. Ich könnte die Verletzung als Aufgabe nehmen, diese Überzeugung zu befragen. Warum trifft es mich, wenn Jesus und Maria Magdalena sich wie bei Scorsese näherkommen? Eigentlich sollten religiöse Menschen, und ich zähle mich dazu, keine Angst vor Verletzungen haben. Sie sollten sich mit offener Brust dem aussetzen, weil sie so die Möglichkeit erhalten, in ihren eigenen religiösen Überzeugungen weiterzukommen.
Um zu dieser Haltung zu gelangen, braucht es aber ein paar Jahre Lebenserfahrung.
Für mich war das immer Teil eines Prozesses, deshalb habe ich mich auch auf ein Theologiestudium eingelassen. Wenn es nicht ein Film oder eine Aussage in einer Zeitung ist, die religiöse Gefühle verletzen, dann ist es am Ende das Leben selbst. Es gibt bestimmte religiöse Überzeugungen, die irgendwann dem Leben nicht mehr standhalten. Wenn ich überzeugt bin, dass Gott eine Ordnung geschaffen hat, die für mich immer alles gut ausgehen lässt, dann wird diese Überzeugung irgendwann im Leben erschüttert werden. Und diese Verletzung geht viel tiefer, als das, was aufgrund von Humor passiert.
Die Verletzung wird auf alle Fälle kommen?
Ja, das wird sie. Und dann gibt es Leute, die sich abschotten und solche, die damit umgehen. Es gibt viele Menschen, die verstehen Religion als etwas Stabilisierendes, etwas Ordnendes, das Menschen eine Heimat gibt. Teil dieser Stabilisierung ist ein Gottesbild, das sehr dazu beiträgt, die bürgerlichen Werte, die Familie zu schützen. Aber es gibt auch eine destabilisierende Religion. Eine Religion, die Widerstand leistet, die Rückfragen stellt, die Autoritäten hinterfragt, die etwas ähnliches tut wie Monty Python. Die also eher Fragen stellt, als Antworten zu geben. Diese Religion eignet sich für die Massen und für eine grosse Organisation wie die Kirche nicht, aber man findet sie in der Religionsgeschichte. Es gibt viel Machtkritik gerade bei kleineren Gruppen, und es wäre schön, wenn es davon mehr gäbe.
Als Sie sich mit einem Referat über «Life of Brian» der interessierten Basler Öffentlichkeit vorstellten, protestierte ein junger Student gegen den Film. Versteht die heutige Jugend «Life of Brian» nicht?
Ich glaube, der Student war nur gekommen, um seine Vorbehalte anzubringen. Er wusste ja schon, dass er den Film nicht mag. Er kam, um sein aufrichtiges Empfinden zu artikulieren, und das ist okay. Meine Erfahrung mit Jugendlichen ist, dass sie bei Humor ziemlich anbeissen. Meine eigenen Kinder lieben diesen Film. Dieser schwarze Humor, das Schamlose. Diese Witznamen wie Schwanzus Longus kommen gut an.
Die sind aber auch lustig.
Das sind sie. Dieser Name ist deswegen lustig, weil das in Wirklichkeit ein enger Vertrauter von Pilatus ist. Darüber hinaus hat Pilatus noch einen Sprachfehler. Das ist das Lustige: das Erhabene mit dem Lächerlichen zu verbinden.
«Schwanzus Longus» aus «Life of Brian»
Teilen Sie den Befund, dass die Jugend konservativer wird?
Ich glaube generell, dass Sie recht haben. Ich war einmal davon ausgegangen, wenn ich so alt bin wie heute, gebe es keine Ehen mehr, und wir würden von drei oder vier Geschlechtern sprechen. Und jetzt gehe ich die Zeitschriftenauslage in einem Kiosk durch und stelle fest, es gibt 15 Magazine, die sich nur mit Hochzeiten beschäftigen. Ich bin entsetzt! Wie konnte das passieren? Es gibt einen Trend zu den traditionellen Werten, aber er ist nicht unterfüttert. Er ist freiwillig, es gibt keinen gesellschaftlichen oder religiösen Druck dahinter. Heiraten findet man wieder toll, aber nicht weil der Pfarrer das will, sondern vielleicht weil man Brautkleider so schön findet. Das kommt auch von den Filmen. Heutzutage enden viele Filme mit einer Hochzeitsszene. Das hätte es doch in den 1970er-Jahren nicht gegeben. Dustin Hoffman macht in «Die Reifeprüfung» die Hochzeit kaputt, er klaut die Braut!
Werden Sie Ihren Kindern einmal sagen: So, jetzt nehmt euch Zeit, setzt euch zu mir auf die Couch und dann schauen wir uns «Life of Brian» an?
Ich habe zwei grosse Kinder und mit denen habe ich das bereits getan. Ich habe jetzt zwei kleine Kinder und ich werde es wieder tun. Wir haben keinen Fernseher, deshalb zählt es zu meinen wichtigsten väterlichen Aufgaben, das filmhistorische Wissen weiterzugeben.
Seine Berufung war von Misstönen begleitet, mittlerweile sei die Sache aber abgehakt, versichert Moisés Mayordomo, neuer Professor für das Neue Testament an der Uni Basel. Vor seiner Anstellung war aus der reformierten Kirche die Forderung laut geworden, es sei Zeit für eine Frau auf diesem Posten. Anfang August hat Mayordomo nun sein Büro am Nadelberg bezogen. Zuvor war der in Mannheim aufgewachsene Spanier an der Uni Bern tätig. Mayordomo beschäftigt sich unter anderem mit Verfilmungen des Neuen Testaments. Der 48-Jährige ist Vater von vier Kindern.