Ein Gespräch mit Pia Inderbitzin, Mitglied im Fasnachts-Comité, über Nachwuchsprobleme bei den Cliquen und darüber, was das Comité dagegen unternimmt.
Die Fasnacht steht unmittelbar vor der Tür: Alles bereit für die drey scheenschte Dääg?
Ich selber bin noch nicht ganz so weit, aber bei uns im Comité ist alles im grünen Bereich, es läuft alles bestens und ohne Probleme ab.
Und auch Petrus zeigt sich von der gütigen Seite. Die Wetterprognosen versprechen drei sonnige Tage.
Ja, wir können mit einer schönen und warmen Fasnacht rechnen.
Sie werden bei dieser schönen und sonnigen Fasnacht in Zivilkleidung an der Route stehen und die vorbeiziehenden Cliquen beutachten. Ist der Comité-Auftritt ein Fulltime-Einsatz oder bleibt Ihnen auch noch Zeit, selber Fasnacht zu machen?
Wir sind alle aktive Fasnächtler und Fasnächtlerinnen, wenn auch mit gewissen zeitlichen Einschränkungen. Für mich endet der Morgenstreich halt schon um sieben Uhr, ich muss mich noch kurz ausruhen können, um eins, halb zwei geht es dann ja bereits los mit dem Cortège, dann stehen wir bis etwa halb sieben auf der Strasse. Ich habe das Glück, dass ich in der Innenstadt einen Ort habe, wo ich mich umziehen kann. Dann treffe ich meine Clique zum Abendessen, bevor ich dann mit dem Piccolo losziehe. Und am Fasnachtsdienstag haben wir ja eh frei.
Sie pfeifen bei einer wilden, das heisst nicht beim Comité angemeldeten Clique mit. Darf man das als Comité-Mitglied?
Das ist gar kein Problem.
Wie wichtig sind die wilden Gruppierungen für die Fasnacht?
Wichtig, denke ich. Die wilden Gruppen bereichern die Fasnacht mit speziellen Ideen. Und rein schon zahlenmässig beeinflussen sie das Fasnachtsbild. Ich denke, dass etwa gleich viele unangemeldete Fasnächtlerinnen und Fasnächtler unterwegs sind wie angemeldete. Also je etwa 12’000. Die befruchten sich gegenseitig.
Sie sind für den Nachwuchs zuständig. Wie sind Sie selber Fasnächtlerin geworden?
Das habe ich bereits mit der Muttermilch oder Vatermilch, wenn man das sagen könnte, in mich reingezogen. Mein Vater war begeisterter Tambour bei der BMG (Anm. Basler Mittwochs Gesellschaft), meine Mutter war früher, als die Frauen das Fasnachtsbild auf den Strassen noch nicht mitprägten, an den Maskenbällen. Später sang sie auch Schnitzelbänke – sie war als Schwangerschaftsvertretung in einen Bank reingerutscht. Bei uns zu Hause war Fasnacht immer ein wichtiges Thema. Als ältestes von drei Mädchen wollte ich Pfeifen lernen. Mein Vater hatte als Mitglied einer Männerclique keine Ahnung, wo ein Mädchen Pfeifen lernen kann. Also musste ich mir selber helfen. Ich sparte mir das Geld für mein erstes Piccolo zusammen. Von meinem Taschengeld von 50 Rappen legte ich 25 jeweils in ein Kässeli, bis ich die 65 Franken für ein Piccolo zusammenhatte. Aber mein Götti schenkte mir schliesslich eins, so dass ich mein Geld behalten konnte. Ich kam dann zu den Sans Gêne Strizzi (Anm. die Junge Garde) und lernte dort Pfeifen. Meine Schwester folgte mir nach. Mit 18 musste ich aber raus, weil die Sans Gêne im Stamm keine Frauen hatten. Zwar wurde darüber nachgedacht, einen Frauenzug zu gründen, aber daran hatte ich kein Interesse. Ich war bereits im Mädchengymnasium nur unter Frauen, im Lehrerseminar später gab es auch nicht allzu viele Männer. Also ging ich zu einer Tambouren- und Pfeifergruppe, und über das Pfyfferli im Fauteuil gelangte ich dann in andere Gruppierungen.
Die Inderbitzin-Schwestern sind als sehr gute Pfeiferinnen bekannt. Ist das ein vererbtes Talent?
Wir waren einfach angefressene Pfeiferinnen und hatten offensichtlich auch etwas Talent. Meine jüngste Schwester wollte aber lange nichts wissen von der Fasnacht, jahrelang ging sie Skifahren – wir beiden älteren waren nicht unfroh darüber, weil wir so ungestört Fasnacht machen konnten. Mit 15 Jahren wurde dann aber auch sie vom Fasnachtsvirus gepackt. Zu dritt nahmen wir dann am Museumskonzärtli teil. Ob es vererbt ist, weiss ich nicht. Mein Vater war ja Trommler. Obwohl: Auch in mir steckt eigentlich ein Tambourin. Ich versuchte mich mit 40 Jahren im Trommeln, aber wirklich gelernt habe ich es nicht. Ich kam ins Comité und hatte keine Zeit mehr.
Wie steht es heute um den Fasnachtsnachwuchs?
Das ist ein wichtiges Thema, der Nachwuchs heute ist nicht mehr so zahlreich wie früher, die Cliquen verspüren allgemein einen Rückgang.
Woran liegt das?
Viele Kinder wachsen nicht mehr mit dem familiären Fasnachtshintergrund auf. Und dies ist oder wäre noch immer der beste und direkteste Weg in die Fasnachtswelt. Die Fasnacht hat bei den jungen Menschen nicht mehr den Stellenwert, wie sie es früher hatte. Bei uns hiess es noch, entweder machst du Fasnacht oder beim Jugendzirkus Basilisk mit, beides zusammen geht nicht neben der Schule (bei meinen Schwestern ging dann doch beides). Das ist heute anders. Es gibt so viele Freizeitangebote. Auch die Schule ist anspruchsvoller geworden.
Und deshalb entscheiden sich viele junge Menschen gegen die Fasnacht?
Die Fasnacht dauert drei Tage im Jahr und trotzdem musst du Tag für Tag üben, damit du auf einen grünen Zweig kommst. Fussball spielen kannst du jedes Wochenende.
Das klingt problematisch. Werden die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler in hundert Jahren ausgestorben sein?
Das glaube ich nicht. Aber vielleicht wird die Fasnacht kleiner. Die Nachwuchszahlen bewegen sich aber in Wellenbewegungen, es gab früher schon magerere Zeiten, vielleicht geht es wieder mal aufwärts. Das sieht man auch in den Jungen Garden. Aber man muss am Ball bleiben.
Im Drummeli trat die Trommel- und Pfeiferschule der Spale-Clique auf. Da stand eine stattliche Schar an jungen Menschen auf der Bühne. Was macht diese Clique besser als andere, die Schwierigkeiten haben, genügend Nachwuchs zu finden?
Ich weiss nicht, ob sie inhaltlich etwas besser machen. Vielleicht spielt der Standort des Unterrichts im Gotthelfquartier eine Rolle – ein Ort mit einem guten Einzugsgebiet, der auch aus dem Baselbiet bestens erreichbar ist. Es gibt zudem eine kritische Grösse bzw. Kleinheit. Wer eh schon eine gewisse Grösse hat, profitiert, denn es bereitet nicht soviel Spass, sich in einer sehr kleinen Gruppe die Lunge aus dem Hals zu pusten. Die Spale können also davon profitieren, dass sie nie einen markanten Rückgang bei den Jungen zu verzeichnen hatte. Wie auch die Naarebaschi.
Das sind auch Cliquen, die musikalisch einen guten Ruf haben. Spielt das auch eine Rolle?
Sicher auch. Aber das haben auch andere Cliquen. Wir bieten mittlerweile Instruktorenkurse an, damit der Nachwuchs methodisch und didaktisch besser unterrichtet werden kann. Man muss heute anders mit den Nachwuchs umgehen als früher.
Diese Kurse organisiert das Comité?
Ja, alle zwei Jahre. Es ist sehr wichtig, dass die Instruktoren gut ausgebildet sind.
Was tut das Comité sonst noch zur Förderung des Nachwuchses?
Viel. Wir organisieren Kurse im Larvenkaschieren, Larvenmalen, Laternenmalen, Laternenbauen, es gibt Dichterkurse …
Dichterkurse? Für Schnitzelbänggler?
Eigentlich für Zeedeldichter. Das war der Wunsch der Obleute der Jungen Garden, als wir sie um Ideen angefragt hatten. Natürlich ist eine gewisse Begabung Voraussetzung. Aber wie beim Laternenmalen kann man auch bei Dichten von Versen ein gewisses Handwerk vermitteln. Der erste Dichterkurs im Mai des vergangenen Jahres fand eine so grosse Nachfrage, dass wir dieses Jahr gleich wieder einen anbieten.
Aber das sind alles Angebote für junge Menschen, die bereits in einer Clique sind?
Nicht nur. Das Angebot des Larvenkaschierens und -malens richtet sich an Schulklassen.
Und damit macht man Fasnächtlerinnen und Fasnächtler?
Nicht direkt natürlich. Aber es bringt den Schülerinnen und Schülern, viele sind ja solche mit Migrationshintergrund und ohne fasnächtliches Umfeld, das Spezielle der Basler Fasnacht näher. Das kann längerfristig etwas bringen. Die Nachfrage ist auf alle Fälle grösser als das Angebot. Es ist übrigens toll, wie sich die Cliquen hier engagieren. Was wir weiterführen möchten, ist die Organisation des grossen Schulfasnachtsumzugs in der Innenstadt. Dieser soll alle fünf Jahre stattfinden. Der erste 2010 brachte 5000 Schülerinnen und Schüler zusammen, die von 38 Cliquen begleitet wurden. Das war grossartig. Nächstes Jahr wird die zweite Auflage folgen. Und ich rechne damit, dass dieser Monsterzug noch grösser werden wird.
Dann gibt es natürlich «Die erschti Lektion» unmittelbar nach der Fasnacht.
Die gibt es bereits seit 25 Jahren, es steht uns also ein Jubiläum bevor auf dem Barfi. Normalerweise war dies ein kleines Zelt, wo die Kinder auf einen Trommelböggli oder mit dem Piccolo ausprobieren konnten, wie die Fasnachtsinstrumente funktionieren, wo die Cliquen ihr Infomaterial auslegen konnten und so weiter. Das Zelt wird dieses Jahr am Freitag und Samstag nach der Fasnacht sehr gross sein: 15 mal 25 Meter. Alle Jungen Garden werden einen Tisch bekommen. Es wird also eine Art Tischmesse sein, mit dem Unterschied, dass überall das gleiche Angebot angepriesen wird. Ich bin gespannt, wie sich die Cliquen in dieser Konkurrenzsituation präsentieren werden. Ich freue mich auf den Anlass. Dazu wird es am Samstag einen Monsterzug der Jungen Garden geben. Über 700 Kinder und Jugendliche haben sich bereits angemeldet, die mit Fahnen und Ballonen am Samstag ab 12 Uhr durch die Stadt marschieren werden: vom Münsterplatz über die Freie Strasse und die Gerbergasse bis zum Barfüsserplatz.
Mit Trommeln und Piccolos?
Ja, aber ohne Kostüme. Die Fasnacht wird dann ja vorbei sein.
Auch die Bärengesellschaft organisiert erste Lektionen, die sich speziell auch an Kinder mit Migrationshintergrund richten. Wie stehen Sie zu diesem Angebot?
Wir unterstützen diese Initiative ganz konkret. Wir haben Piccolos zur Verfügung gestellt. Die Bärengesellschaft bietet ja ein Paket von mehreren Lektionen an mit der Möglichkeit, Trommelböggli und Piccolos für Hausaufgaben mit nach Hause zu nehmen. Das ist eine sehr gute Ergänzung zu unserem Angebot.
Es passiert also viel. Gibt es einen messbaren Erfolg?
Wirklich messbar nicht. Aber wir erfahren von Kindern, die mit sehr jungen Jahren im Zelt waren, die später dann in einer Jungen Garde von sich Reden machen. Oder am Preistrommeln. Zum Beispiel Maurice Weiss, mehrfacher Trommelkönig bei den Jungen. Maurice habe ich das erste Mal als kleiner Bub erlebt, der zwei Holzunterlagen als Unterlage brauchte, um überhaupt das Böggli erreichen zu können. Der kam immer wieder ins Zelt bis er das Alter erreicht hatte, um in eine Junge Garde eintreten zu können. Ich denke, dass diese Präsenz unter dem Strich viel bewirken kann.
Zum 25. Geburtstag werben die Jungen Garden am Freitag und Samstag nach der Fasnacht in einem extra grossen Zelt auf dem Barfüsserplatz um Nachwuchs. 38 Cliquen haben sich für diesen Anlass angemeldet. In einem festlichen Umfeld haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, das Trommeln und Piccolo-Spielen auszuprobieren. Zudem gibt es am Samstag einen Monsterzug der Jungen Garden durch die Innenstadt: Über 700 Kinder und Jugendliche werden ab 12.00 Uhr vom Münsterplatz in Richtung Barfi gässle.
«Fasnacht fir alli»
Auch die Bärengesellschaft engagiert sich in der Nachwuchsförderung. Ihre Aktion «Fasnacht fir alli» holt Kinder, die sonst nicht mit Cliquen in Kontakt kommen, direkt an der Schule ab und bringt ihnen mit Einführungslektionen die Basler Fasnachtskultur näher. Die drei Gratislektionen im Trommeln und Pfeifen finden jeweils am Mittwoch Nachmittag, am 19. und 26. März sowie am 2. April, im Theodorschulhaus statt.