Die CVP Baselland hat seit Donnerstag einen Präsident: Marc Scherrer. Der 27-Jährige spricht im Interview über eine mögliche Neuausrichtung der Partei, Kochen, die Fusion und warum er nicht so links ist, wie behauptet wird.
Er gilt als grosses Polittalent, ist erst 27 Jahre alt und seit Donnerstag nun Präsident der Baselbieter CVP: Marc Scherrer. Im Gespräch mit der «TagesWoche» betont der den Mittekurs seiner Partei und seine Vorliebe für Fleisch, hält sich aber bedeckt, was seine politischen Ambitionen angeht. Er wählt seine Worte präzis, spricht schnell; man vermutet: Hier spricht einer, dem die Politik in die Wiege gelegt ist.
Herr Scherrer, Sie sind am Donnerstagabend zum Parteipräsidenten der CVP Baselland gewählt. Gratulation.
Marc Scherrer: Danke schön.
Die Liste ihrer Ämter und Tätigkeiten ist lang. Sie sind Präsident der CVP Laufental, des Gewerbevereins KMU Laufental, Stiftungsratspräsident des Businessparcs Laufental; Sie sitzen im Wirtschaftsrat, arbeiten «nebenbei» 100 Prozent bei der Manor, an Ihrem Master in Wirtschaft und sind nun auch noch Parteipräsident: Der Hut, unter den das alles passt, muss ziemlich gross sein.
Das sind ja auch nicht alles Vollzeitbeschäftigungen. Bisher ging das sehr gut. Vor meiner Kandidatur um die Parteipräsidentschaft habe ich natürlich Rücksprache mit meinem Arbeitgeber gehalten, mit anderen Worten: Es hing von seiner Flexibilität ab. Aber alles in allem nehmen die Ämter schon viel Zeit in Anspruch. Aber ich muss auch betonen, dass ich das auch alles wirklich gern mache.
Woher kommt diese Begeisterung?
Mein erstes Amt hatte ich im Gewerbeverein KMU Laufental. Ich war Mitgründer des Jugendportals Kra.ch, so rutsche ich in den Verband und von da in die Politik. So begann die Lust, etwas zu bewegen. Habe mich schon immer für die Politik interessiert, war aber nie nah genug am Geschehen. Ich habe schnell gemerkt: Man kann etwas bewegen, seine Visionen und Meinungen einbringen.
Zurück zu Ihnen, privat. Wer ist Marc Scherrer?
Ich komme quasi aus einer CVP-Familie, mein Vater war relativ aktiv. Mich selbst würde ich als gesellschaftsinteressiert und aufgestellt bezeichnen. Natürlich wünsche ich mir mal eine gesunde Familie und Kinder, das muss aber wohl noch etwas warten. Meine grossen Hobbys sind Sport und Kochen. Sie sind – zusammen mit dem Leben in der WG – mein Ausgleich zum hektischen Alltag, und den brauche ich auch, denn natürlich ist die Freizeit gering, gewisse Abstriche muss ich machen. Ich schwimme oder jogge, treffe mich mit Freunden. Wir kochen viel zusammen, am liebsten Pasta und Fleisch, dabei kann ich abschalten. Und ich bin auch oft mit meiner Freundin unterwegs.
Und wer ist Marc Scherrer, der Politiker?
Entgegen dem, was man in letzter Zeit oft den Medien entnehmen konnte, bin ich kein Linkspolitiker, davon möchte ich mich distanzieren. Ich bin Mittepolitiker aus Überzeugung. Ich setze mich für das Gewerbe ein und höre von links wie rechts, dass ich als bürgerlicher Politiker wahrgenommen werde. Hinzu kommt: Bürgerliche Politik ist für mich nicht per se eine rechte Politik. Bürgerliche Politik ist durchaus möglich, auch ohne der SVP anzugehören.
«Ich höre von links wie rechts, dass ich als bürgerlicher Politiker wahrgenommen werde.»
Gewisse Kreise befürchten mit Ihnen einen Linksrutsch der CVP.
Die CVP wird keinen Linksrutsch vollziehen. Ich kann mir nicht erklären, woher diese Idee überhaupt kommt. Ich bin Mittepolitiker, und ich bin ein Befürworter der Mitte. Ich komme aus dem Wirtschaftsflügel, das ist auch mein Schwerpunkt. Wiederum zähle ich mich aber sicher nicht zum konservativen Flügel der CVP.
Mit einem neuen Präsidenten kommt gewöhnlich auch neuer Wind in eine Partei: Wohin führen Sie die CVP?
Mit einem Wechsel an der Spitze kommt automatisch ein Wandel, das ist ganz normal. Mir fällt auf, dass es vor allem die SVP ist, die einen Linksrutsch der CVP prognostiziert. Für die SVP derzeit scheinbar das einzige Indiz, jemanden politisch einzustufen, die Fusionsinitiative.
Sie sind im Pro-Komitee, befürworten also die Initiative.
Ich sehe das Thema pragmatisch. Es muss diskutiert werden, das geschieht heute zu wenig. Das ist für mich keine Frage von links oder rechts, sondern vielmehr eine Frage der Generation. Vielleicht auch eine Frage von Herkunft und Einstellung. Als Laufentaler bin ich ein gebranntes Kindes, was Strukturprobleme betrifft.
«Die Fusion ist für mich keine Frage von links oder rechts, sondern vielmehr eine Frage der Generation.»
Der Austritt aus dem Komitee wurde Ihnen ja schon von Ihrer Vorgängerin, Sabrina Mohn-Corvini, nahegelegt. Ist das ein Thema für Sie?
Nein. Als ich mich zum Komitee bekannt habe, war ich einfach Marc Scherrer…
…und der war immerhin Vizepräsident der CVP Baselland.
Richtig. Dabei war ich aber natürlich nicht das Aushängeschild, das ich heute als Präsident bin. In der jetzigen Rolle wäre die Ausgangslage sicher anders. Für mich ist aber wichtig: Wenn man sich für etwas entscheidet, dann muss man dazu stehen. Würde ich heute den Austritt aus dem Komitee geben, würde ich ja nicht anders denken. Ich werde also im Komitee bleiben, aber sicher nicht als strammer Befürworter an vorderster Front. Ich sehe mich eher als Vermittler, auch in Bezug auf die heiklen Fragen, die in der CVP beim Thema Fusion aufkommen.
Rechnen Sie mit einer Zerreissprobe für Ihre Partei?
Es wird medial auch ziemlich aufgespielt. Die Basis hat nicht dieses links-rechts-Schema. Wir bräuchten Daten und Fakten, aber leider gibt es die Simulation nicht, die die CVP befürwortet hat. Nun wird eine emotionale Diskussion geführt, was ich schlecht finde. Aber ja: Wir werden uns mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, wahrscheinlich gibt es noch einen Parteitag, der sich nur mit dieser Frage beschäftigen wird. Aber die Fusionsfrage wird nicht zur Zerreissprobe für unsere Partei. Jedenfalls wird lange nicht so heiss gegessen, wie gekocht. Die unterschiedlichen Meinungen sind auch eine Tradition der CVP.
Das klingt nach Stimmfreigabe.
Das könnte ich mir durchaus vorstellen, allerdings sind wir noch nicht soweit.
Wie stehen Sie zur ewigen Diskussion um das «C» im Parteinamen?
Es ist in der Tat immer wieder Thema, das «C» abzuschaffen. Für mich ist das keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der Werte. Wichtig ist, dass man glaubt. Wie dieser Gott aber letztlich aussieht, bleibt jedem selbst überlassen. Nicht zuletzt darum bin ich der Meinung, dass wir dieses «C» brauchen. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil gegenüber den anderen Parteien.
Auf ein Wort zum Laufental: Sie als Wirtschaftspolitiker müssten in der Spitäler-Thematik eigentlich für eine Zusammenlegung sein. Kommen Sie da nicht in Clinch mit sich selbst?
Die CVP Laufental setzt sich für die Strukturen im Laufental ein. Was das Spital betrifft, ist es finanziell gesehen schon ein Sorgenkind. Ich bin überzeugt, dass man nicht blind an Strukturen festhalten darf, die seit Jahren bestehen und heute vielleicht nicht mehr funktionieren, aber was ganz wichtig ist: Das Laufental braucht ein Spital, das ist für mich ein klarer Fall, und das sage ich genauso als Baselbieter. Das Laufental muss hier um sein Recht kämpfen. Klar werde auch ich mich fürs Laufental einsetzen, aber ich bin nun in einer anderen Rolle.
Das Laufental ist sicher eine Baustelle; wo sind Ihre anderen?
Wir arbeiten an einer völligen Neuorganisation des Parteivorstands, meine Nachfolge als Vizepräsident ist noch nicht geregelt. Da grösste Thema aber, das ansteht, ist der Wahlkampf. Der steht quasi vor der Tür. Das ist sicher das grosse Thema.
«Das Laufental braucht ein Spital, das ist für mich ein klarer Fall.»
Stichwort Wahlkampf: Den Spagat zwischen der Zusammenarbeit mit Rechts bei den kantonalen und jene mit der Mitte bei den nationalen Wahlen heissen nicht alle gut. Wohin führt der Weg?
Das beschäftigt mich sehr. Konkret kann ich allerdings noch nichts dazu sagen, denn ich wollte diese Gespräche nicht führen, bevor ich gewählt war. Als Wahlkampfleiter von Anton Lauber bei den Regierungsratswahlen habe ich sehr gut mit den Bürgerlichen zusammengearbeitet, bei den letzten Nationalratswahlen sehr gut mit der Mitte. Nur so viel: Die Verhandlungen werden stattfinden. Wohin sie führen, wird sich zeigen.
Wie andere als Kind Fussballprofi oder Pilot werden wollen, träumten Sie angeblich vom Nationalrat. Wie steil geht Ihre Karriere in der Politik weiter?
Das ist abhängig von vielen Faktoren, der Parteistärke, der Wählerschaft, auch vom Glück. Für mich muss es Freude bereiten. Ich könnte das nicht machen, wenn ich keine Freude daran hätte. Im Moment bin ich Parteipräsident der CVP. Ob ich jemals für den Nationalrat oder den Regierungsrat kandidiere, ist zurzeit kein Thema, aber natürlich wäre es schön, würde es irgendeinmal so kommen. Sicher ist, dass ich bei den nächsten Landratswahlen kandidieren werde.