Mehr als Fussball

Die Hinterhof Bar und das Sportmuseum Schweiz läuten den Fussball­sommer ein. Statt Kommerz gibt es zur Euro 2012 reichlich Fussballkultur – mittendrin die TagesWoche.

Mehr als Fussball: Während des Fussballsommers stellt das Sportmuseum Schweiz ihre inzwischen berühmte Wimmelwand auf. (Bild: zVg)

Die Hinterhof Bar und das Sportmuseum Schweiz läuten den Fussball­sommer ein. Statt Kommerz gibt es zur Euro 2012 reichlich Fussballkultur – mittendrin die TagesWoche.

In sieben Tagen beginnt die Europameisterschaft, aber zu merken ist davon nicht viel. Die Panini-Bilder bleiben vielerorts in den Tütchen, die Fussball-­Trikots in den Schränken, von Public-Viewings ist gar keine Rede. Während die ganze Schweiz offensichtlich kein Interesse an der Euro 2012 hat, wächst in der Hinterhof Bar in Basel die Vorfreude.

Die Bar spannt zur Europameisterschaft 2012 mit dem Sportmuseum Schweiz zusammen. Sie überträgt ab kommendem Freitag alle Spiele live auf vier Grossbildschirmen und einer Leinwand. «Statt Plastikstühlen, Einheitsbier und sterilem Public-Viewing gibt es aber ein fussballkulturelles Rahmenprogramm», sagt Thilo Mangold, Projektleiter beim Sportmuseum.

Nach 2010 ist es bereits das zweite Mal, dass Museum und Bar zusammenarbeiten. Der Erfolg während der WM hat alle Erwartungen übertroffen: 400 bis 600 Fussballfans fanden im Fussballsommer 2010 täglich den Weg zum Dreispitz. Am Ende des Turniers waren rund 12 000 Besucher da. Die Stars während der WM waren die brasilianischen Fans im «Hinterhof». Samba-Trommeln waren zu hören, lange bevor die 100-köpfige Fangemeinschaft jeweils singend und tanzend um die Ecke bog.

Fussball geniessen, geht nur auf zwei Arten

Der absolute Höhepunkt war aber der unvergessliche 1:0-Sieg der Schweiz gegen Spanien. Wo sonst Partys gefeiert werden, blickten Hunderte Fans wie hypnotisiert auf die Leinwand. «Es goht nur no fünf Minute», «ich halts nümm us», «pfyff doch ab»: Der Live-Kommentator in der Hinterhof Bar flippte schier aus und verewigte sich damit in einer Reportage des Schweizer Radios. «Das war ein unglaublicher Tag», sagt Thomas Keller vom Hinterhof-Team. Dass der grosse Andrang in diesem Sommer ausbleibt, weil die Schweiz nicht dabei ist, fürchten die Organisatoren nicht. Wieso sollten sie auch?

Alleine vor dem TV sitzen, ein Bier trinken und Fussball schauen. Das kann man machen. Es gibt aber nur zwei Arten, ein Fussballspiel wirklich zu geniessen: im Stadion oder zumindest in Gesellschaft. Gerade jetzt, wo die Schweiz nicht dabei ist, sollten die Fans nicht alleine sein, sondern «den Fussball gemeinsam mit anderen leben und lieben», findet Mangold. Hinterhof Bar und Sportmuseum haben das Konzept im Vergleich zum Fussballsommer 2010 verbessert. «Wir wollen es noch etwas ungezwungener und spontaner», sagt Keller. Fix sind nur die Eckpunkte des Programms.

Open-Mic, Youtube-Battle und Fussballspiele zu Babel

Jeden Sonntag während der Euro gibt es einen Fussballstammtisch. Der Aufreger des Spieltages, das schönste Tor, der unterhaltsamste Jubel – dis­kutiert wird über alles, was die Menge bewegt. Geladen sind allerdings nicht Experten, sondern Laien. Vom 4.-Liga-Schiedsrichter über normale Fans bis zu Autoren ist alles möglich. Sicher mit dabei ist auch die TagesWoche.

Nach dem begeisterten Feedback an der WM stellt das Sportmuseum zudem während der 30 Tage eine «Panini-Wimmelwand» mit den besten Bildchen der vergangenen Jahrzehnte auf. Gezeigt werden in diesem Jahr zusätzlich auch Panoramabilder von den schönsten Stadien rund um den Globus. Auf der Bühne vor der Grossleinwand können sich Möchtegern-Fussballexperten im Euro-Stübli das Mikrofon schnappen und sich in der Kunst des Kommentierens üben. Gefragt sind: Begeisterung, Emotion und Spontaneität.

Im Gegensatz zum letzten Fussballsommer wird der Originalkommentar allerdings nicht komplett ausgeschaltet. «Wir haben gemerkt, dass die Leute die Moderatoren zumindest ­zwischenzeitlich hören wollen», sagt Thomas Keller. Neben Schweizer Kommentatoren werden aber auch die Moderatoren aus dem jeweiligen Land zu hören sein, das gerade spielt. Ein Fussballspiel zu Babel, sozusagen.

Wer vor und nach den EM-Spielen nicht genug hat, der kann sich historische Spiele in voller Länge ansehen.Ganz neu in diesem Jahr gibt es auch das YouTube-Duell. Teams kämpfen dabei mit Videos aus YouTube um die Gunst des Publikums. Am Schluss gewinnt, wer die schöneren Tore, schlimmeren Fouls oder die katastrophalsten Fehlschüsse zeigt.

Dachterrasse bleibt fussballfrei

Wie das konkret aussehen soll, wann solche Duelle stattfinden und wer mit dabei ist, lassen Keller und Mangold bewusst offen. Die Events sollen nicht an Termine oder Personen gebunden sein, sondern von Spieltag zu Spieltag variieren. Es ist nichts in Stein gemeisselt. Die Gäste sollen selbst mitbestimmen können, sagt Mangold. «Im Vordergrund steht das gemeinsame Fussball­erlebnis und der Austausch zwischen den Besuchern.»

Wer genug vom Fussball hat, muss den «Hinterhof» nicht meiden. Er kann sich einfach mit einer TagesWoche ­unter dem Arm auf die Dachterrasse verziehen, sagt Keller. «Sie bleibt während der ganzen EM eine fussballfreie Zone.» 

Markige Kommentare, spektakuläre Videos und unvergessliche Momente: Die TagesWoche zeigt in unregelmässigen Abständen online die Highlights des Fussballsommers 2012 in der Hinterhof Bar. Umgekehrt sind die Leser eingeladen, sich aktiv etwa bei den YouTube-Duellen zu beteiligen und ihre besten Szenen einzuschicken.


Impressionen vom Fussballsommer 2010 zeigt die Reportage von Michael Zollinger (Bericht/Schnitt) und Dominik Hofmann (Kamera, Tvision), ein weiteres Video sehen Sie in der Slideshow:


Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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