Menschen statt Statistiken

Es gibt unzählige Statistiken, auch über die Jugend. So verdienstvoll diese sein mögen, sie bergen aber auch die Gefahr der Schubladisierung. Und sagen nichts aus über den einzelnen Menschen.

Es gibt unzählige Statistiken, auch über die Jugend. So verdienstvoll diese sein mögen, sie bergen aber auch die Gefahr der Schubladisierung. Und sagen nichts aus über den einzelnen Menschen.

Jeder fünfte Jugendliche in Europa ist arbeitslos und «nur» 15 Prozent der jungen Burschen in der Schweiz machen die Matur, was Bildungsexperten bedauern, obwohl das unter dem Strich vielleicht gar nicht so schlimm ist. Denn trotz tieferer Maturitätsrate als in anderen Ländern Europas sind am Schluss doch weniger Schweizer Jugendliche ohne Beschäftigung.

Ob sich der Widerspruch allein mit Einblicken in andere Statistiken auflösen lässt, sei dahingestellt. Wahrscheinlich nicht. Es hilft wohl auch nicht viel weiter, wenn man andere Tabellen zu Rate zieht – etwa jene, die uns sagt, wie viele Prozent sich in einem Sportverein betätigen, oder jene, die belegt, dass über 40 Prozent schon mal gekifft haben sollen.

Wahrscheinlich gibt es auch eine Statistik, aus der hervorgeht, wie viele Teenagers sich ein Tattoo eintätowiert haben, nur will das niemand so genau wissen. Für grössere öffentliche Aufregung dagegen sorgen die alljährlichen Zahlen über die Jugenddelinquenz, denn mit ihnen kann man nachweisen, dass früher alles besser war. Oder umgekehrt.

Nichts gegen Statistiken – aber sie erklären die Welt noch lange nicht. Bei all ihren verdienstvollen Vorzügen haben sie auch eine bedenkliche Eigenschaft: Sie schematisieren und schubladisieren. Sie machen Menschen – nicht nur jugendliche – zu Chiffren und Zahlen, tragen dazu bei, Vorurteile zu schaffen und zu erhärten. Und wenn sich Vorurteile zu Urteilen verfestigen, schwindet die Lust, sich eben zum Beispiel auf Jugendliche einzulassen.

Man glaubt ja zu wissen, wie sie sind. Die Porträts von fünf zufällig ausgewählten Burschen und jungen Frauen ab Seite 6 dieser Ausgabe zeigen aber: Sie passen alle in kein Schema. So wenig, wie all die jungen Leute, die ihnen täglich begegnen, in ein Schema passen.

An dieser Nummer hat ein neues Mitglied im TagesWoche-Team mitgearbeitet: Amir Mustedanagic verstärkt die Redaktion. Er ist im Baselbiet aufgewachsen, hat in Basel studiert und arbeitete seit 2008 in der Online-Redaktion von «20 Minuten». Wir heissen ihn herzlich willkommen. Ebenso wie Malena Ruder, Redaktorin bei der «NZZ am Sonntag», die ab dieser Ausgabe über schöne Dinge schreibt, die ihr in Basel auffallen – jetzt vor Ostern sind es Schoggi­hasen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06.04.12

Nächster Artikel