#MeToo: Basler Politikerinnen klagen über sexuelle Übergriffe

Ein neuer Aufschrei geht durch die sozialen Medien: Zehntausende – auch aus Basel – prangern sexuelle Übergriffe an. Offen darüber zu sprechen ist ein wichtiger erster Schritt, sagt die Basler Gleichstellungsbeauftragte Leila Straumann.

#MeToo: Der Aufruf von Schauspielerin Alyssa Milano, über sexuelle Belästigung nicht zu schweigen,geht um die Welt. (Bild: Nils Fisch)

«Ich auch». Schauspielerin Alyssa Milano («Charmed») hat mit ihrer Aufforderung eine Lawine ausgelöst. Im Zusammenhang mit den Enthüllungen um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, dem von über einem Dutzend Frauen sexuelle Belästigung oder gar Vergewaltigung vorgeworfen wird, hat Milano auf dem Kurznachrichtendienst Twitter dazu aufgerufen, «Me Too» zu antworten, wenn man ebenfalls Opfer eines sexuellen Übergriffs oder einer sexuellen Belästigung wurde.

Über 40’000 haben das getan. Und die Zahl wird im Minutentakt grösser, auch über 24 Stunden nach der Aufforderung.

Unter den Zehntausenden von Tweets findet man auch bekannte Namen – etwa die Schauspielerinnen Anna Paquin, Debra Messing und Laura Dreyfuss und der Schauspieler Javier Muñoz. Auch aus der Politik gab es #MeToo-Meldungen.

Nicht nur Promis äussern sich

Das überwältigende an der Tweet-Lawine sind allerdings nicht die Berühmtheiten, sondern die «Ich auch»-Texte aus aller Herren Länder – auch aus der Schweiz. «Mit 13 auf der Strasse, mit 17 im Club… #MeToo». «Ich, meine Töchter… alle waren wir schon auf der Polizei und erstatteten Anzeige…  #MeToo». Und so weiter und so fort.

Auch Basler Politikerinnen schlossen sich der Kampagne an, auf Facebook und auf Twitter. Beatriz Greuter, Fraktionschefin der SP im Grossen Rat erklärt auf Nachfrage, weshalb sie dem Aufruf von Alyssa Milano folgt:

«Als Teenager hat mir ein alter Mann an den Hintern gefasst. Es gibt immer wieder mal Situationen, in denen ich ich mich unwohl fühle und merke, irgendwas stimmt nicht, auch wenn die Sache nicht ganz offensichtlich ist. So kam es in meinem Berufsleben einmal zu einer komischen Situation. Er ist nicht verbal entgleist oder hat mich angefasst – ich hätte die Person nicht anzeigen können, es war unterschwellig, ganz eigenartig. Es ist sehr wichtig, dass man über solche Vorfälle spricht und aufmerksamer wird.»

Für SP-Grossrätin Edibe Gölgeli beginnt sexuelle Belästigung früher.

Gölgeli beklagt auf Nachfrage regelmässig erfahrenen Sexismus: «Ich werde sehr oft auf mein Aussehen reduziert – mein ganzes Leben lang musste ich mich behaupten. Mittlerweile habe ich eine gewisse Distanz Männern gegenüber aufgebaut, um mich davor zu schützen.»

Mirjam Kohler schlägt zurück

Juso-Präsidentin Mirjam Kohler hat mehrere sexuelle Übergriffe erlebt. Bereits mit 13 Jahren sei sie das erste Mal sexuell belästigt worden. «Danach folgten Erlebnisse, wie sie wohl jede Frau zur Genüge kennt: massiv zum Sex gedrängt zu werden, verbale und physische Übergriffe.»

Mittlerweile wehrt sich Kohler gegen Zudringlichkeiten: «Inzwischen bin ich zu sauer, um still zu sein und das als Normalität zu ertragen. Den letzten Mann, der mir einfach so an die Brüste gefasst hat, habe ich geschlagen. Die Security ist eingeschritten und hat ihn weggebracht. Wir dürfen und müssen uns in solchen Situationen wehren!»

«Frauen sollten die Täter direkt ansprechen»

Aber was kann man tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Die TagesWoche hat mit Leila Straumann, Leiterin der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern des Kantons Basel-Stadt, ein Kurz-Interview zum Thema geführt.

Frau Straumann: Was geht Ihnen als Leiterin der Abteilung Gleichstellung durch den Kopf, wenn die Welt von einer #MeToo-Welle überrollt wird?

Natürlich ist es eine gute Sache, wenn offen über das Thema Sexismus und sexuelle Belästigung gesprochen wird. Das war sowohl beim «Schweizer Aufschrei» so – und es gilt auch für #MeToo. Das Verrückte ist ja: Die meisten Betroffenen sprechen normalerweise nicht darüber. Man schämt sich, hat Angst um den Arbeitsplatz, verdrängt das Problem oder sucht es gar bei sich selbst. Wenn es derart viele Reaktionen gibt auf #MeToo, dann wird offensichtlich, wie viele Personen sich sexuell belästigt fühlen.

Gegen 40’000 Antworten: Ihnen geht die Arbeit wohl nicht so bald aus.
Wenn das Problem der sexuellen Belästigung in diesem Ausmass sichtbar wird, zeigt das, dass Sexismus und sexuelle Belästigung leider noch weit verbreitet sind.

Sprechen wir über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, dafür ist das Gleichstellungsbüro ja da. Was können von Belästigung Betroffene tun? Wie sollen Sie sich verhalten?

Was muss ich machen, wenn mir das passiert? Das ist eine ganz wichtige Frage. Kurz gesagt: unbedingt direkt ansprechen. Der belästigenden Person klar kommunizieren, dass das Verhalten unerwünscht ist, und klare Grenzen ziehen. Es gilt die Wahrnehmung der belästigten Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters. Dann im zweiten Schritt: das Erlebte dokumentieren, allenfalls Zeugen um Bestätigung bitten. Weiterführendes finden Betroffene unter belaestigt.ch.

Und wenn die Belästigung nicht aufhört?

Unternehmen sind in der Schweiz verpflichtet – vom Gesetz her – gegen sexuelle Belästigung Vorkehrungen zu treffen. Die Unternehmensleitung hat für ein belästigungsfreies Arbeitsklima zu sorgen. Dazu gehören entsprechende Merkblätter und Reglemente, die auch regelmässig kommuniziert werden müssen. Betriebe sollten Vertrauenspersonen stellen, die einer Schweigepflicht unterstehen. Auch Vorgesetzte müssen dafür sorgen, dass keine Belästigung stattfindet.

Schon. Aber was, wenn die Chef-Etage ebenfalls belästigt?

Dann wird es schwieriger. Deshalb ist ein System mit Vertrauenspersonen zu empfehlen, denn diese befinden sich nicht in der Linie und unterstehen der Schweigepflicht. Wenn keine Vorkehrungen vom Unternehmen selbst getroffen worden sind, kann die belästigte Person sich beispielsweise an den Betriebsrat oder die Personalkommission wenden. Schliesslich empfiehlt sich dann ein Gang an die Schlichtungsstelle für Diskriminierungsfragen.

Was kann ein Mann tun, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern?

Reflektiert mit der Thematik umgehen. Und auch Kollegen auf unangemessenes Verhalten hinweisen. Gerade bei Vorgesetzten ist das wichtig – sie haben Vorbildfunktion.

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