Das Mentoring-Programm beider Basel führt Jugendliche, die Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche haben, mit erwachsenen Mentoren aus der Arbeitswelt zusammen. Einer von ihnen ist Andreas Degen. Der Geschäftsführer und sein junger Tandempartner Cedric M. erzählen von ihrer Zusammenarbeit.
Gegenüber von Andreas Degen sitzt ein junger Mann. Er hat eben erst eine Schnupperlehre begonnen. «Wie gefällt dir die Werkstatt? Alles gut?», will Andreas Degen wissen. «Und wie läufts in der Znünipause?»
Der Geschäftsführer einer Autowerkstatt in Liestal hilft dem 23-jährigen Cedric M. als Mentor bei der Lehrstellensuche im Rahmen des Mentoring-Angebots der beiden Basel. Das Programm gibt es bereits seit 15 Jahren. Es soll Jugendliche unterstützen, die Probleme bei der Lehrstellensuche haben. Die Nachfrage ist gross: Jährlich werden rund 80 junge Frauen und Männer begleitet – meist erfolgreich.
Angehende Lehrlinge müssen – anders als etwa Gymnasialschüler – schon sehr jung konkrete berufliche Pläne schmieden. Das fällt nicht allen leicht. Hilft aus der Familie oder dem nahen Umfeld niemand mit, ist die Gefahr gross, die Motivation zu verlieren. Hier setzt das Mentoring-Programm an: Es führt Jugendliche mit erwachsenen Tandempartnern zusammen, die ihnen bei Fragen rund um Stellensuche, Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgespräch beratend zur Seite stehen.
Ein Herz für Jugendliche
Als Mentoren eignen sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. «Ich habe mit dem Mentoring begonnen, um den Kontakt zu Jugendlichen beizubehalten», sagt Andreas Degen. Bevor er Geschäftsführer wurde, hatte Degen mehrere Jahre als Lehrer an der Gewerbeschule gearbeitet. In wenigen Wochen wird der 63-Jährige pensioniert. Dann will er sich noch intensiver im Mentoring-Programm einbringen: «Ich finde es einfach schön, dazu beizutragen, dass Jugendliche Luftsprünge machen, wenn es endlich klappt!»
Im vergangenen Jahr betreute Degen einen jungen Mann, der Koch werden wollte. «Nach wenigen Monaten fand er bereits eine Lehrstelle und ist jetzt happy», sagt er.
«Cedric soll nicht im erstbesten Geschäft eine Lehre machen, sondern an einem tollen Ort.»
Was er den Jugendlichen mitgeben könne? Degen überlegt. «Mir persönlich ist ein intaktes Familienleben sehr wichtig», sagt er schliesslich, «da kann ich Jugendlichen, die das nicht haben, Sicherheit vermitteln.» Zudem habe er in seinem Geschäft bereits mehr als 40 Lehrlinge ausgebildet und wisse genau, worauf es bei einer Bewerbung ankomme.
Sein Tandempartner Cedric will ausgerechnet Automobilfachmann werden. Dadurch ergänzen sich die beiden natürlich besonders gut. «Ich lasse für Cedric auch meine Beziehungen spielen und empfehle ihn meinen Kollegen», sagt Degen. Er hat Cedric bereits eine Schnupperlehre im eigenen Geschäft verschafft und konnte sich dabei selbst von dessen Qualitäten überzeugen. «Wir können Cedric leider nicht einstellen, da unsere Lehrstellen bereits besetzt sind», sagt Degen. «Ich will aber, dass er nicht im erstbesten Geschäft eine Lehre macht, sondern an einem tollen Ort.»
Ein eingespieltes Team
Seit einigen Monaten treffen sich Degen und Cedric einmal wöchentlich. Wenn Cedric die fürsorglichen Fragen seines Tandempartners eifrig beantwortet, wirken die beiden wie ein eingespieltes Team. «Die Schnupperlehre mache ich in einer super Werkstatt, ich kann mich absolut nicht beklagen», sagt Cedric. «Auch in der Pause verstehe ich mich mit allen gut.» Etwas seltsam sei es nur, den viel jüngeren Lehrlingen unterstellt zu sein: «16-jährige Burschen sagen mir, was ich tun oder lassen soll – das ist schon ein eigenartiges Gefühl.»
«Ich hatte alles Mögliche im Kopf, nur nicht meine Zukunft.»
Cedric gilt mit 23 Jahren für einen potenziellen Lehranfänger schon als eher alt. Als er mit 16 die obligatorische Schulzeit abschloss, sei er einfach noch zu jung gewesen. «Ich hatte alles Mögliche im Kopf, nur nicht meine Zukunft», sagt er rückblickend. Er legte nach der Schule notgedrungen ein Zwischenjahr ein. Als er danach eine Lehrstelle als Elektriker anfing, musste er wegen schlechter Noten wiederholen. Er fehlte immer häufiger oder kam zu spät. Auch die Stimmung im Team war schlecht. Nach drei Jahren wurde er dann entlassen.
Die Gründe für sein «Durchhängen» will der junge Mann für sich behalten. Zu Hause sei es schwierig gewesen, sagt er nur. Die Kündigung habe ihn dann wachgerüttelt: «Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich ohne Job, Lehrstelle und Geld dastand und noch zu Hause wohnte, während viele meiner Kollegen schon eine eigene Wohnung und Arbeit hatten.» Er entwickelte den Ehrgeiz, etwas aus seinem Leben zu machen. Durch die Fahrschule fand er dann seine Wunschberufung: «Ich wollte eigentlich nie Automobilfachmann werden, bis ich dann zum ersten Mal am Steuer sass!»
Kein einfacher Weg
Cedric hat keinen einfachen Weg vor sich. Er muss sich oft für den gescheiterten ersten Versuch und für die Lücken in seinem Lebenslauf rechtfertigen. Für das Mentoring-Programm sei er sehr dankbar: «Ich habe in meiner Familie keine erwachsenen Bezugspersonen, die mich unterstützen.» Degen gebe ihm Tipps, worauf es im Vorstellungsgespräch und beim Schnuppern ankomme: «Ich achte mich auf alles, lehne mich nicht an, komme nicht zu spät und stelle viele Fragen, um meine Neugierde zu zeigen.»
Der Jugendliche und der angehende Rentner gehen locker und vertraut miteinander um. Trotz des Altersunterschieds und des formalen Rahmens des Mentoring-Programms ist da nichts Schulmeisterliches oder Aufgesetztes. Degen sagt: «Die Beziehung, die man aufbaut, ist sehr wichtig, damit das Begleitprogramm funktioniert.» Er ist zuversichtlich, dass Cedric bald fündig wird. In der Autobranche könne es von Vorteil sein, wenn ein Lehrling schon älter sei und Erfahrung mit Autos habe.
Cedric sagt, er bereue seine Vergangenheit, gebe jetzt aber «150 Prozent»: Momentan arbeitet er temporär, zudem besucht er zwei Abendkurse in Informatik und Englisch. Während der Schnupperlehre arbeitet er für eine Woche Vollzeit und besucht am Abend zusätzlich die Kurse. Stören tut ihn dieses hohe Pensum nicht: «Ich geniesse es, mich durch die viele Arbeit wieder einmal richtig zu spüren!» Durchhängen, so scheint es, ist nicht mehr sein Ding. Er hat jetzt anderes im Kopf.