Mit offenen Ohren durch die Stadt

Der Urbanist Trond Maag sucht in Städten nach Klangwelten und Lärminseln. Er findet, der Klang der Städte werde viel zu oft dem Zufall überlassen. Deshalb will er, dass die Stadtplanung auch akustisch gedacht wird.

Mehr Klang statt Lärm: Für den Stadtakustik-Spezialisten Trond Maag eine Frage der Stadtplanung. (Bild: Livio Marc Stoeckli)

Der Urbanist Trond Maag sucht in Städten nach Klangwelten und Lärminseln. Er findet, der Klang der Städte werde viel zu oft dem Zufall überlassen. Deshalb will er, dass die Stadtplanung auch akustisch gedacht wird.

Wenn Trond Maag durch die Stadt spaziert, dann stösst er auf akustische Un- und Glücksfälle. Auf Klangräume also, bei denen der Zufall Architekt spielte. Das stört den 41-jährigen Urbanisten. Maag hat sich auf die Stadtakustik spezialisiert. Ihn interessiert die Geräuschkulisse einer Stadt. Das was passiert, wenn Gebäudeoberflächen plaudernde Passanten, ratternde Trams und pfeiffende Vögel reflektieren.

«Der öffentliche Raum wird immer stärker belebt und genutzt. Hält man sich dort gerne auf, dann steigt die Lebensqualität in einer Stadt beträchtlich», sagt Maag. Es reiche also nicht aus, wenn sich die Stadtplanung nur darum kümmere, dass es ausreichend schöne Wohnungen gebe. «Menschen halten sich ganz unbewusst dort auf, wo die akustische Situation in ihrem Sinne ist.»

Jeder hat seine eigene Hörperspektive

Wer also über Mittag seinen Lunch geniessen will, tut das dort, wo er bequem in der Sonne sitzen kann und nicht im Minutentakt von einem quietschenden Tram hochgeschreckt wird. Wer hingegen möglichst rasch von A nach B will, lässt störende Geräusche einfach schnellstmöglich hinter sich. Maag nennt das die «Hörperspektive». Sie ermöglicht es uns auch, das Interview für dieses Porträt in einem Gartencafé durchzuführen. Denn trotz lärmender Kaffeemaschine und geschwätzigen Nachbarn kann sich das Gehör sehr gut auf ein Gespräch fokussieren.

Obwohl jede Person die Stadt aus ihrer eigenen und zudem veränderlichen Hörperspektive erlebe, so gebe es doch einen gewissen Konsens, erklärt Maag. «Wir akzeptieren einen Raum dann, wenn er akustisch seiner Funktion und den alltäglichen Aktivitäten entspricht.» Ein Bahnhof, in dem keine Züge zu hören sind, kommt uns komisch vor. Ein Einkaufszentrum mit künstlichem Vogelgezwitscher ebenso.

Deshalb will Maag den öffentlichen Raum «akustisch mitdenken». Das geschehe noch viel zu selten, ist er überzeugt. Was erstaunlich ist, da Lärm in einer Stadt ganz oben auf der Liste der diskutierten Themen steht.

Störende Geräusche «umkehren»

«Das Ziel ist, den Lärm zu transformieren, so dass etwas überspitzt gesagt Klang entsteht.» Eine Lärminsel wie beispielsweise eine vielbefahrene Strassenkreuzung kann durch Grünflächen entschärft werden. Auch die Bauweise der umliegenden Gebäude spielt eine Rolle. «Harte und dichte Oberflächen wie Beton und Stahl werfen Geräusche zurück und tragen somit zum Lärm bei.»

In ganz drastischen Fällen, etwa entlang einer grossen, von Hochhäusern begrenzten Autostrasse, hilft ein Rasenfleck nicht weiter. Dann holt sich Maag neben Architekten und Raumplanern weitere Spezialisten ins Team. «Es gibt Klangkünstler, die Geräusche so verändern können, dass sie nicht mehr aggressiv klingen.»

Geräusche wirken nur in ihrem Kontext, der Umwelt.

Es sind diese akustisch vernachlässigten Plätze, die Maag besonders beschäftigen. Überall, wo er ist, sucht er nach Beispielen, um seine Sammlung von Stadtklängen zu vervollständigen. «Am besten geht das bei einem Spaziergang, Karten und Fotos alleine bringen mir gar nichts.» Denn die Geräusche wirken nur in ihrem Kontext, der Umwelt. «Der Blick ins Grüne hilft uns, eine Situation als ruhiger zu empfinden. Vorbeirauschende Autos transportieren die Hektik nicht nur akustisch, sondern auch optisch.»

Wenn Maag über seine Arbeit spricht, stösst er bald auch an sprachliche Grenzen. «Über Akustik zu sprechen ist gar nicht so einfach. Denn auch in der Sprache dominiert das Visuelle, so dass für Nuancierungen passende Begriffe fehlen.» Wie die Klänge einer Stadt entfalten auch Maags sprachliche Erklärungen erst im Kontext ihre Wirkung. Also malt er mit seinen Fingern Schallwellen in die Luft. Oder – noch besser – er nimmt die Zuhörer gleich mit auf seine Klangspaziergänge.

Stadt hören

Mit der Aktion «Hörenswürdigkeiten entdecken und geniessen» will das Basler Amt für Umwelt und Energie unser Gehör für den Klang der Stadt sensibilisieren. Startschuss zur Aktion ist eine Podiumsdiskussion mit Trond Maag und weiteren Experten am 29. April. Im Mai lädt das AUE zu Soundseeing-Touren durch die Stadt mit dem Klangkünstler und Musiker Kaspar König ein: So, 18.5., 13 und 15 Uhr; Fr, 23.5., 18 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung allerdings erwünscht: Weitere Informationen: www.stadt-hoeren.bs.ch

Die TagesWoche unterstützt die Aktion als Medienpartnerin.

Artikelgeschichte

19.4.14, 13.15 Uhr — Korrektur: Nicht Trond Maag, sondern der Klangkünstler und Musiker Kaspar König führt die Klangspaziergänge im Mai.

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