Nach 103 Jahren schliesst die AG für Textilindustrie

Die AG für Textilindustrie versorgte über 100 Jahre lang Kunden mit Stoffen und Knöpfen, nun ist es Geschichte. Die Kundinnen zeigen sich erschüttert, wurden aber über die vergangenen Jahre immer weniger.

Noch bis 30. August stehen die Pforten der AG für Textilindustrie offen. Dann ist nach 103 Jahren Schluss. (Bild: Alain Appel)

Einer der ältesten Betriebe der Innenstadt macht dicht. Die AG für Textilindustrie versorgte über 100 Jahre lang Kunden mit Stoffen und Knöpfen, doch durch das billigere Angebot im Internet geht die Rechnung nicht mehr auf. Die Kundinnen zeigen sich erschüttert, wurden aber über die vergangenen Jahre immer weniger.

Die Stimmung in Basels ältestem Textilwarenladen ist am verregneten Mittwochmorgen gedrückt. Zwischen immer leerer werdenden Regalen bedient Inhaberin Ruth Riedo die Kundinnen, wieder und wieder nehmen diese Anteil an der traurigen Nachricht: Nach 103 Jahren schliesst die AG für Textilindustrie endgültig die Pforten.

Damit geht eine der letzten traditionsreichen Fachwarenläden in Basels Innerstadt zu. «29 Jahre haben wir den Betrieb geleitet, seit wir ihn übernommen haben. Es tut weh, den Laden aufzulösen», sagt Inhaberin Riedo. Doch so sehr das Ende schmerzt – es kündete sich schon lange an.

Kunden wandern ins Internet ab

«Früher kamen alle zu uns, die etwas mit Textilien zu tun hatten. Modegeschäfte, Schneider, aber auch Hobbynäherinnen bezogen ihre Stoffwaren bei uns. Doch seit man alles billig im Internet bestellen kann, ist die Nachfrage auch bei uns arg eingebrochen», sagt die 73-Jährige.

Zu gross scheint der Aufwand für die Kunden, persönlich im Laden vorbeizukommen. Nicht alle nehmen sich die Zeit, wie die eine Kundin aus Binningen, sagt Riedo: «Sie kam her, um Ware zu bestellen. Nächste Woche muss sie nochmals kommen, um das Bestellte abzuholen.»

Die Räumlichkeiten übernimmt Xocolatl

Gründe für das Lädelisterben gibt es viele, doch für Riedo ist klar, dass der billige Internethandel ihr am meisten Kunden abrang. Am Mittwochmorgen sind nur noch ältere Stoffbegeisterte in der AG für Textilindustrie zu sehen. Sie sind es sich noch gewohnt, zum Einkauf in die Stadt zu fahren. Doch die Tendenz zum Interneteinkauf ist deutlich, sagt Riedo: «Für junge Schneiderinnen ist es bereits normal, sich das Material über das Internet zu besorgen.» 

Was nach der Schliessung bleibt, sind fünf ehemalige Angestellte, die sich einen neuen Job suchen müssen, und «langjährige Kunden, die unsere persönliche Beratung schätzten», sagt Riedo. Verloren geht mit der AG für Textilindustrie auch ein Stück Lädelikultur.

Den Standort übernehmen wird der Schoko-Laden Xocolatl, das gewissermassen vom Hinterhaus- ins Vorderhaus ziehen wird. Das auf exquisite Schokoladen spezialisierte Geschäft, das bisher ein bisschen versteckt an der Blumengasse gelegen ist, dürfte am neuen Standort von der Laufkundschaft bestimmt ein bisschen besser wahrgenommen werden.

Steigenden Mieten, Preisdruck und Online-Handel: Für das Lädelisterben werden immer die gleichen Gründe genannt. Die TagesWoche ist in einem Schwerpunkt zum Thema der Frage nachgegangen: Warum schaffen es die einen? Und warum sterben die anderen? Die Antwort im Artikel: Der grosse Ausverkauf

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