Naturschutz im Niemandsland

Bei den Bahngleisen rund um den Kleinhüninger Hafen befindet sich eines der wichtigsten Naturschutzgebiete der Stadt. Entsteht dort wie geplant ein neues Wohnquartier, verschwinden Lebensbereiche für Insekten und Pflanzen. Der WWF setzt sich für einen Ersatzstandort ein.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Bei den Bahngleisen rund um den Kleinhüninger Hafen befindet sich eines der wichtigsten Naturschutzgebiete der Stadt. Entsteht dort wie geplant ein neues Wohnquartier, verschwinden Lebensbereiche für Insekten und Pflanzen. Der WWF setzt sich für einen Ersatzstandort ein.

Am Anfang war ein Güterzug. Ein langer, lauter Zug. Zwei Dutzend Naturschutz-Interessierte standen dicht am Bahngleis beim Altrheinweg am Kleinhüninger Hafen, als der Zug eine gefühlte halbe Ewigkeit vorbeifuhr. Und Jost Müller Vernier, Geschäftsführer WWF Region Basel, musste warten, bis er der Gruppe erklären konnte, worum es überhaupt geht. Also stand man da, mit Regenschirmen und frierend, und schaute auf den Zug. Obwohl dieser nicht der Grund für die Reise zum Hafen war, sondern Tiere und Pflanzen. Bloss: Wo sind die? Zu sehen gab es nichts.

Bald war jedoch klar: Man muss nicht immer sehen, was wichtig ist. Es reicht, zu wissen, dass es da ist – und bleiben sollte. Denn: «Das, was hier rot eingezeichnet ist, zählt zu den national bedeutendsten Flächen», sagte Jost Müller, eine Karte des Naturinventars Basel in der Hand haltend. Und tatsächlich: Rot ist rar auf dieser Karte, doch genau dort, wo das Hafenbecken 3 gebaut werden soll, ist es rot. Und zwar nur dort im Kanton Basel-Stadt. Es handelt sich dabei um das ehemalige Rangierareal der Deutschen Bahn oberhalb des Hafens, also nicht dem Ort direkt am Rhein, wo die Führung stattfand. Wobei auch diese Fläche bedeutend ist, wenn auch nur kantonal und darum orange eingezeichnet.

WWF fordert Ersatz

Die Führung fand dort statt, weil dort «Rheinhattan» gebaut werden soll – und weil der rote Ort nicht zugänglich ist für die Öffentlichkeit. Kurz und gut: Rund um den Hafen gibt es zwei bedeutende Flächen, beide bei Bahngleisen, und die sind durch die Baupläne des Hafenareals bedroht. Was tun? Ersatz muss her, fordert der WWF. Entweder Ersatz für den geplanten Hafenstandort – oder Ersatz für die Naturschutzzone.

Grundsätzlich sei der WWF nicht gegen die «Rheinhattan»-Pläne, betonte Jost Müller. Aber: «Wir setzen uns dafür ein, dass eine Alternative zum geplanten Hafenstandort beim Bahnareal geprüft wird.» Nina Hochstrasser, Mediensprecherin der Schweizerischen Rheinhäfen, sagt: «Wir sind mit den Umweltverbänden in Kontakt.» Sie klingt jedoch nicht so, als gäbe es an den Hafenplänen noch viel zu rütteln. Einen Ersatzstandort für die Naturschutzgebiete würde sie jedoch gern anbieten – sofern sie könnte. Man sei im Gespräch.

Gleise, Gleise – und eine Flockenblume

Die Führung sollte veranschaulichen, wie wichtig der Erhalt solcher seltenen Flächen ist. Jost Müller sagte jedoch selber, dass Orte wie dieser eher für «zoologische Insider» interessant seien, da sie im Gegensatz zu Wäldern und anderen Naherholungsgebieten von Laien nicht als Natur wahrgenommen würden.

Gleise, Gleise, Gleise – und dazwischen Kies und Gräser. Daniel Küry, Präsident des Gewässerschutzes Nordwestschweiz, versuchte dennoch, auch die Laien in der Gruppe zu überzeugen – wenn auch nur mit Fotos. Die Blauflügelige Ödlandschrecke etwa war da zu sehen, der seltene Alexis-Bläuling oder die Rheinische Flockenblume. Der feine Kies rund um die Gleise sei idealer Lebensraum für Tiere und Pflanzen geworden, nachdem diese von den früheren Rhein-Auen vertrieben worden waren.

Zum Schluss der unter regnerischen Bedingungen abgehaltenen Führung ging es runter an den Rhein. Die Böschung dort: Stein und Gräser. Das könnte man ändern, fand Fachmann Küry – und nannte die Böschung als möglichen Ersatz für die Gleis-Zonen. Doch auch dort: Die einzigen sichtbaren Tiere waren die Frösche auf dem Regenschirm einer Frau, die an der Führung teilnahm. Die Natur ist eben eine komplexe Sache und manchmal unsichtbar.

Aber sie ist da. Und erst noch «ökologisch aussergewöhnlich», wie Küry sagt. Es dürfte nicht sein letztes Wort in dieser Sache gewesen sein.

Quellen

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