«Baden-Baden? Macht euch auf Senioren und Russen gefasst. Baden-Baden – also nein!» Doch, lieber fassungsloser Sportredaktor, wir wollen nach Baden-Baden. Weil, wenn man fast ein halbes Jahr lang nicht mehr in die Ferien gefahren ist, dann will man entspannen.
Und diese Stadt trägt die Entspannung im Namen. Ausserdem zeigt Google auf Anfrage Schönes. Und die Deutsche Bahn schafft die Strecke ab Basel in weniger als eineinhalb Stunden. Also fahren wir hin, zusätzlich befeuert vom Hohn der Kollegen.
Baden-Baden ist eine lange Stadt, realisieren wir schnell. Vom Bahnhof zur Altstadt gelangt man in einer 20-minütigen Busfahrt mit grossbekofferten Koreanern und starkpubertären Vorstadtjungs. An jeder Haltestelle sieht es nach mittelständischer Familie mit Garten und Hund aus.
Doch am Ende gibt es die Belohnung: klassizistische Wuchtbauten, distinguierte Kurhotels und feine Parklandschaften. Sie behüten eine Altstadt, wo man die Zigarettenstummel in der Abflussrinne umsonst sucht. Die Menschen sitzen vor den Eiscafés in der Wintersonne und löffeln synchron. Ab und zu landet ein flüssiger Klecks auf dem perfekt gelegten Pflaster. Das hier ist ein kleines Paris, denken wir uns im ersten Moment. Es fehlt einzig der Dreck.
Ein Spaziergang durch die Gassen zeigt: Der Kurort am westlichen Rand von Baden-Württemberg ist kleinbürgerlich und aufgeblasen zugleich. Das liegt an den zahlreichen Pelz-Boutiquen, den Luxus-Juweliergeschäften und vor allem – der Kollege hatte ja gewarnt – an den russischen Touristen, die sich in beiden gerne schmücken.
Die russische Oberschicht strömte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zu Tausenden nach Baden-Baden. Sie folgten dem Beispiel von Zar Alexander, der hier in jungen Jahren seine künftige Gattin und gebürtige Badenerin Luise kennenlernte. Und auch der amerikanischen Elite soll es hier gefallen, will man dem angetrunkenen Herr an der Bar im grausigen Gasthaus Löwenbräu glauben: «Ich habe hier vor ein paar Jahren mal Bill Clinton herumspazieren gesehen. Da hab‘ ich gesagt: ‹Hey, Mister Clinton!› Und er so: ‹I just love Baden-Baden!›»
Lange vor den Russen und Amerikanern waren es die alten Römer, die sich hier niederliessen. Sie schätzten den Ort für seine Thermalquellen, und die prägen ihn bis heute. Die Caracalla-Therme gehört – wer hätte es gedacht – zu den Hauptattraktionen von Baden-Baden. Hier hat es warme Wasserbecken und noch etwas wärmere Wasserbecken. Heisse Saunas und noch etwas heissere Saunas. Lange Warteschlangen und an einem vernebelten Sonntag noch etwas längere Warteschlangen. Aber man ist ja hier wegen der Entspannung, und wenn der Rücken nach zwei feucht-warmen Stunden nicht mehr so schmerzt, ist alles vergessen.
Auch, dass Baden-Baden für noch etwas bekannt ist: Sein Casino, das wahnsinnig aufregend sein muss – hätte doch nur die heisse Sauna die Stunden nicht weggeschmolzen. Seit über 150 Jahren schon rollt hier unter protzigen Kronleuchtern der Rubel, wortwörtlich. «Roulette bis sechs Uhr abends. Alles verloren», schrieb Leo Tolstoj in sein Tagebuch, als er Mitte des 19. Jahrhunderts im Ort war. Vielleicht besser, dass es uns nicht mehr ins Casino gereicht hat.
Auch Gogol, Turgenjew, Dostojewski waren in Baden-Baden zu Besuch. Die Stadt war nicht nur ein Ort für Reiche, auch Intellektuelle liessen sich hier inspirieren – wenn sie nicht gerade ihr Hab und Gut verzockten. Vielleicht ist es das, was Baden-Baden diesen Charme einer kleinen Weltstadt verleiht. Und als wir tiefenentspannt wieder in den Zug steigen, sagen wir leise: doswidanja!
Baden: 4000 Quadratmeter Entspannung bietet die Caracalla Therme, die grosse Schwester des heimischen Sole Uno. Wer es klassischer mag, kann sich im Friedrichsbad ins warme Nass stürzen.
Baden: Ist auch der Fokus des Hotels Aqua Aurelia . Genügt die Maxi-Badewanne in der Suite nicht , kann man gratis eine Stunde ins Caracalla.
Baden: Taten hier schon die alten Römer. Wie, das sieht man in den Badruinen unter dem Friedrichsbad.