Sie sieht aus wie ein altmodisches Turngerät und wird genutzt für eine trendige Sportart: Neben der Dreirosenbrücke wurde am Samstag die neue Basler Street-Workout-Anlage eröffnet.
In Basel ist mal wieder ein neuer Trend angekommen. Das heisst, eigentlich ist Street-Workout schon längst da, aber jetzt gibt es auch einen passenden Ort dafür. Bestehend aus mehreren Stangen und Posten, sieht die Anlage erst einmal unspektakulär aus. Am ehesten erinnert der Aufbau neben der Dreirosenbrücke an die doch eher verhasste Reckstange in der Sporthalle. Darunter befindet sich ein weicher Bodenbelag. Der dürfte an der gesamten Anlage am teuersten gewesen sein.
Eröffnet wurde sie am Samstagnachmittag von Thomas Gerspach, Projektleiter Grünplanung der Stadtgärtnerei Basel-Stadt. Zur Eröffnung der Street-Workout Anlage gekommen sind die Basler Street-Workout-Fans und der Verein Street Workout St. Gallen. Gerspach legt Wert darauf zu sagen, dass die Anlage aus dem Mehrwertabgabefonds zur Aufwertung von Grünräumen bezahlt wurde und keine Extraausgabe darstellt. Und sie kommt gut an. «Die Leute hingen schon an den Stangen, bevor der Boden trocken war», sagt Gerspach in der Eröffnungsrede.
Sobald die Boxen aufgedreht sind, geht es and die Stangen – für den Apero interessiert sich keiner
Deswegen ist das Publikum auch in erster Linie gekommen. Sobald die Boxen aufgedreht sind, geht es an die Stangen. Für den anschliessenden Apéro interessiert sich niemand. Schnell wird klar, dass die Investition in den Fallboden eine sinnvolle Ausgabe war. Synchronhandstand in zwei Metern Höhe? Rückwärtssalto? Kein Problem. In der Luft findet eine Mischung aus Hip-Hop, Breakdance und Turnen statt. Es findet sich eine kleine Publikumsmenge aus Spaziergängern ein.
Was auch an der Optik liegen könnte: Geturnt wird im kappen Shirt, gleich mit nacktem Oberkörper (die Männer) oder in engen Trainingsanzügen (die Frauen). Teilnehmer mit normaler Strassenkleidung gibt es aber auch. Street-Workout kam als «Ghetto-Sportart» aus den USA nach Europa. Im Mittelpunkt steht Fitness- und Krafttraining, jedoch ohne viel Trainingsgerät.
#human flag – die bekannteste Übung
Alles, was sich zum Hochziehen, Abstossen und daran Bewegen anbietet, wird zum Training benutzt. Die Grundlage von Street-Workout sind verschiedene Formen von Klimmzügen und Push-Ups, dazu kommen Squats (Kniebeugen) und Ausfallschritte. Ob man das nun Eigengewicht-Übungen, Rumpfstabi oder Calisthenics nennt – es klingt furchtbar langweilig. Ist es aber nicht. Street-Workout ist extrem trendy und seit vier Jahren gibt es sogar eine Weltmeisterschaft. Die bekannteste Übung, der seitliche Handstand, ist in den sozialen Netzwerken populär unter dem Hashtag #humanflag. Und sie ist so schwer, wie sie aussieht.
Macht jeder mindestens einmal: die populäre Übung «Human Flag». (Bild: Daniela Gschweng)
«Streetworkout ist viel effektiver als Bodybuilding», gibt Matthias Kegelmann, der den Sport schon seit mehreren Jahren betreibt, Auskunft. Von Beruf ist er Fitnesstrainer. «Ausser Kraft trainiert man da auch Koordination und Stabilität», sagt er. Nebenbei sei man draussen und mehr Spass mache das Training zu mehreren auch. Der Sixpack, auf den einige Anwesende sichtbar stolz sind, spiele gar keine so grosse Rolle, sagt er, «Rumpfmuskulatur ist viel mehr. Dazu gehören eine Menge Muskeln, die man gar nicht sieht». Bodybuilder, die Street-Workout versuchten, hätten nach den ersten Versuchen meistens erst einmal Muskelkater.
«Beim Street-Workout ist jeder willkommen»
Aus einigen Meter Höhe aus dem Handstand abzuspringen ist auch eher nicht Routine. «Das normale Training ist 90 Prozent Basics», erklärt der Fachmann. «Heute sind natürlich die Cracks da und machen spektakuläre Moves. Davon solle sich aber keiner täuschen lassen», fügt er hinzu. Moves, so heissen die Übungen im Szenejargon. Von dem teilweise martialischen Aussehen einiger Sportler sollte man sich nicht abschrecken lassen: «Beim Street-Workout ist jeder willkommen, keiner wird ausgelacht und man macht bei regelmässigem Training schnell Fortschritte. In jedem Alter».
Von den Cracks abschrecken lassen sollte sich keiner. Beim Streetworkout ist jeder willkommen. (Bild: Daniela Gschweng)
Anfängern rät er vor allem zu Geduld. Wer zu schnell zu viel wolle, verletze sich schnell. «Am häufigsten sind Zerrungen, Gelenk- und Sehnenprobleme», berichtet der Fachmann. «… und oft auch Schulterschmerzen», ergänzt Roman Rindisbacher vom Verein Street Workout St. Gallen, der zur Eröffnung gekommen ist.
Rindisbacher hat Erfahrung mit Newbies. In St. Gallen gibt es schon länger eine Street-Workout Anlage und auch Kurse in der Trendsportart. «Wir haben Kindergruppen, arbeiten mit Sportlehrern zusammen und letztens waren wir sogar in der Jugendstrafanstalt», erzählt er.
Bis man die anspruchsvollen Street-Workout-Moves beherrscht, dauert es. Aber was soll’s. Die Strasse ist immer geöffnet. (Bild: Daniela Gschweng)
Bis man sich in der «Flag» wenigstens einige Sekunden halten könne, dauere es für Trainierte etwa ein halbes, bei Couchpotaoes eher zwei Jahre, schätzt er. Für andere Übungen eventuell noch länger. «Man braucht schon ein bisschen Demut vor der Stange», ergänzt Kegelmann.
Üben muss man allerdings schon. Die meisten Anwesenden trainieren mindestens fünfmal in der Woche. Zuhause oder natürlich viel lieber draussen. Und wann? «Immer!», kommt es zurück, «die Strasse ist 24 Stunden am Tag geöffnet».