Der Bundesrat und die Kantonsbehörden sehen die Trinkwasserproduktion mithilfe des Rheins selbst nach einem GAU in einem AKW als gesichert. Dabei wird gerade in der Region Basel einiges unternommen, damit das Wasser im Notfall auch aus anderen Quellen bezogen werden könnte.
Zuerst versuchte die Atomschutzbehörde zu beruhigen: Selbst wenn die Aare und der Rhein nach einem schweren AKW-Unglück verseucht würden, könnte die Region Basel noch während Monaten mit Trinkwasser versorgt werden. So jedenfalls stellte es das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) in seinem Bericht vom Oktober über die «Radiologische Schadstoffausbreitung in Fliessgewässern» dar.
Das Problem war, dass das Papier eine ganze Reihe von Fehlern aufwies, wie die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) aufdeckten. Nachdem verschiedene Medien – darunter die TagesWoche – darüber berichteten, wurden auf verschiedenen Ebenen auch die Politiker aktiv – in Bern im Nationalrat, in Basel im Grossen Rat, in Liestal im Landrat und in Solothurn im Gemeinderat. Von der jeweiligen Regierung wollten sie wissen, wie es zu den vielen Fehlern im Ensi-Bericht kommen konnte. Und wie sicher die Trinkwasserversorgung tatsächlich ist.
Die Antworten des Bundesrates, der Basler und der Baselbieter Regierung liegen seit Kurzem vor – und sie sind ähnlich beschwichtigend und widersprüchlich wie schon der Ensi-Bericht es schon war.
Die Lehre aus Fukushima
Es scheint allerdings fast so, als würden die Behörden und Trinkwasserversorger den eigenen Beschwichtigungen nicht ganz trauen. Jedenfalls sind die Industriellen Werke Basel (IWB) und die Hardwasser AG in Absprache mit den Behörden von Baselland und Basel-Stadt daran, eine ganze Reihe von Vorkehrungen zu treffen, um die «Abhängigkeit vom Rhein für den Notfall zu minimieren», wie sich der Basler Kantonschemiker Philipp Hübner ausdrückt. «Vor der Katastrophe in Fukushima rechnete noch niemand damit, dass auch die Gewässer längerfristig kontaminiert werden können.» Die Notfallkonzepte seien damals in erster Linie auf die Luft und den Boden ausgerichtet gewesen. Nach der neuen Erfahrung in Japan würden diese nun angepasst.
Konkret geht es um folgende Massnahmen:
- In den Langen Erlen untersuchen die IWB derzeit, wie Wiese-Wasser zumindest als teilweiser Rhein-Ersatz zur Anreicherung des Grundwassers genutzt werden könnte
- Im Birstal planen das Baselbieter Amt für Umweltschutz und Energie (AUE) mit den betroffenen Gemeinden und den IWB, die Leitungen so auszurüsten, dass im Notfall so viel Wasser wie möglich aus dem Birstal nach Muttenz und Basel geliefert werden könnte. Gemäss neusten Berechnungen könnten auf diese Weise zwischen 13 000 und 38 000 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag ins IWB-Netz geleitet werden. Zusätzlich kämen die 25 000 Kubikmeter, die sich in den Langen Erlen auch ohne Rheinwasser gewinnen lassen. Das reicht aber immer noch nicht, um den mittleren Bedarf der IWB und ihrer Kundinnen und Kunden von 78 000 Kubikmeter zu decken. Das heisst: im Notfall müsste Wasser gespart werden.
- In der Muttenzer Hard hat die Hardwasser AG schon im Dezember 2013 eine neue, 15 Millionen Franken teure Aktivkohlefilteranlage in Betrieb genommen. Die zusätzliche Reinigung des Rheinwassers dient dort allerdings der Entfernung von Chlorbutadienen und andern Spurenstoffen – und nicht von radioaktiven Stoffen nach einer allfälligen Havarie in einem Schweizer AKW.
- Bereits verbessert wurde zudem die Überwachung: Seit wenigen Wochen wird die Radioaktivität im Rhein permanent gemessen – eine wichtige Massnahme, wie die Basler Regierung schreibt, nur schon, weil die kantonalen Behörden damit «von den AKW unabhängige» Daten und Auswertungen erhalten würden.
Verschiedene Szenarien
Wobei die übrigen Vorkehrungen in Muttenz, im Birstal und in den Langen Erlen nicht nur im Hinblick auf einen möglichen AKW-Unfall getroffen werden, wie Achim Benthaus vom Baselbieter Amt für Umweltschutz und Energie betont: «Unser Ziel ist es, einen Ersatz zu haben, falls das Rheinwasser eine Zeitlang wegen irgendeiner Verunreinigung wegfallen würde.» Als Ursache wären verschiedene Szenarien denkbar, sagt Benthaus: «Darum gehen wir bei unseren Planungen auch nicht von einer bestimmten Annahme wie einem Unfall in einem AKW aus.»