Es sollte eine heisse Party in der ehemaligen Garage an der Grosspeterstrasse werden. Doch dann kam es in der Nacht auf Samstag zu einem massiven Polizeieinsatz, zu Zünseleien und unschönen Auseinandersetzungen. Neu ist die Konfrontation zwischen Partygängern und Polizei in Basel nicht. Neu ist aber die Intensität. Andernorts setzt man lieber auf Deeskalation.
Es sind unschöne Szenen, die sich in der Nacht auf Samstag rund um die Grosspeterkreuzung abgespielt haben. Von der Polizei werden sie wie folgt beschrieben: Kurz vor 23 Uhr sei die Meldung eingegangen, dass die Liegenschaft an der Grosspeterstrasse 18 von vermummten Personen besetzt würde. Weitere Personen seien von der Stadt her auf dem Weg dorthin. Schliesslich seien rund 100 Partygänger in der ehemaligen Grosspetergarage gewesen, die abgerissen wird.
Einzelne von ihnen haben laut Polizei auf der Strasse ein Feuer mit Baumaterial entfacht und die Grosspeterstrasse mit Bauabschrankungen abgesperrt. Eine Gruppe sei aggressiv gewesen, hält die Polizei in ihrer Mitteilung zudem fest: «Es kam zu Steinwürfen und einer Laserattacke gegen die Polizei. Diese reagierte mit einem kurzen Einsatz von Gummischrot.» Als nach zwei Uhr auch eine Rauchpetarde gezündet worden war, löste sich die Party auf. Nach der Laserattacke musste ein Polizist mit Augenproblemen ins Spital gebracht werden.
Auswirkungen hatten die Scharmützel auch auf den Verkehr: Die Grosspeterstrasse musste während mehreren Stunden gesperrt werden.
Schäferhund, Pfefferspray, Gummischrot
Unschöne Szenen hatte es im Basler Nachtleben auch schon eine Woche zuvor gegeben, wie die TagesWoche bereits berichtet hat. Als zum Beispiel am Samstagabend vor einer Woche Partygänger die Boxen unter der Autobahnauffahrt beim Güterbahnhof Wolf in Betrieb nahmen, bahnten sich auch schon sehr bald ein Dutzend Polizisten den Weg durch die etwa 200 Besucher.
«Schäferhund, Pfefferspray und Gummischrot im Anschlag», wie Mike S.* der TagesWoche berichtet. Der 20-Jährige, der kurz zuvor von Kollegen via Mundpropaganda vom Anlass erfahren hatte, ist überzeugt: «Wäre in diesem Moment Unbeherrschtheit aufgetreten, wäre die Situation komplett eskaliert.»
Dazu kam es aber nicht: Die Polizisten beschlagnahmten die Anlage und teilten den Anwesenden via Lautsprecher mit, «dass die Veranstaltung illegal sei und wir nach Hause oder weitergehen müssten, was wir auch taten.»
Viele illegale Partys im Mai
Das Beispiel von Mike S. ist alles andere als ein Einzelfall: Trotz trübem Wetter und tiefer Temperaturen fanden an den letzten Wochenenden bereits mehrere «illegale», sprich: unbewilligte Partys im Raum Basel statt. Und diese bilden bloss die Vorhut: Denn die Open-Air-Saison hat noch gar nicht richtig begonnen.
Wer sich umhört, weiss von mindestens einem Dutzend weiterer Anlässe, die Anfang Mai steigen sollen – trotz des von der Basler Polizei angekündigten «konsequent repressiven Kurses».
Ein Jahr nach der Besetzung des Kinderspitals, wo am Vorabend des 1. Mai zwischen 2000 und 3000 Menschen auf das Areal strömten, bis die Party mit dem schweren Unfall eines jugendlichen Besuchers abrupt beendet wurde, scheint die Faszination für unbewilligtes Feiern ungebrochen. Trotz des tragischen Ausgangs und trotz einer weiteren eskalierten Party auf dem Voltaplatz im September, deren zerbrochene Scheiben tagelang die Schlagzeilen beherrschten.
Zürich reagiert
In Zürich, wo es letzten Herbst nach der Auflösung illegaler Feten am Central und Bellevue ebenfalls zu Ausschreitungen gekommen war, hat man reagiert: Seit einer Woche wird in einem vom grünen Stadtrat Daniel Leupi initiierten Pilotprojekt die neue Jugendbewilligung getestet.
Veranstalter können die vereinfachte Genehmigung fürs Feiern unter freiem Himmel ab sofort via Telefonhotline acht Tage im Voraus beantragen – dies, sofern sie zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, weniger als 400 Personen einladen, keine Werbung auf Facebook machen, mit dem Anlass kein Geld verdienen und vor allem Verkehr und Anwohner nicht stören.
Noch hält sich die Nachfrage in Grenzen: Laut Patrick Pons, der für die Koordination der Bewilligungen zuständig ist, hat es in Zürich bis jetzt 15 informelle und fünf konkrete Anfragen gegeben. Drei davon seien in Behandlung, eine Party wurde bewilligt, eine weitere, von den Juso Zürich geplante Veranstaltung, abgesagt. «Das Ganze muss sich erst etablieren», meint Pons. «Das Interesse, die Partys künftig im Rahmen der Jugendbewilligung zu organisieren, ist aber vorhanden.» Ende Sommer soll ein Fazit zum Pilotprojekt gezogen werden.
In Basel ist eine «Jugendbewilligung» dagegen laut Baudirektor Hans-Peter Wessels (noch) kein Thema. «Ich bin nicht überzeugt davon, ob dies ein sinnvolles Mittel ist», sagt der SP-Regierungsrat. Ähnlich äussert sich auch Polizeisprecher Klaus Mannhart: «Die Frage stellt sich nicht. Wir haben in Basel keine grossen illegalen Partys, wie dies in Zürich der Fall war.» Unbewilligte Feiern im Birsigtunnel oder in den Langen Erlen seien weniger aufgrund fehlender Bewilligungen, sondern «wegen Lärmklagen oder aus Sicherheitsgründen» aufgelöst worden.
Er habe nicht den Eindruck, dass Basel repressiv sei, betont Wessels: «Grundsätzlich bewilligen wir wann immer möglich alles. Bis jetzt hat auch noch niemand gesagt, dass wir die Bewilligungen für Outdoor-Partys liberalisieren müssten. Und falls doch, glaube ich nicht, dass wir das Zürcher Modell eins zu eins übernehmen würden, zumal die Jugendbewilligung mit Beschränkungen verbunden ist.»
Busse einkalkuliert
Wessels bezweifelt den Nutzen der Altersbeschränkung und das Facebook-Werbeverbot: «In Zürich wird das ja von der Partyszene kritisiert. Aber wenn es Vorschläge für eine Vereinfachung der Bewilligungen geben würde, wären wir natürlich bereit, dies zu prüfen. Vielleicht besteht dieses Bedürfnis aber gar nicht – denn illegale Partys haben ja bekanntlich für den Veranstalter einen grösseren Reiz als bewilligte.»
Eine Aussage, die in der Basler Partyszene allerdings heftig bestritten wird: «Klar gibt es den Reiz des Illegalen», so Jennifer S.*, die einem der aktivsten Outdoor-Netzwerke angehört: «Doch man darf diesen auch nicht überbewerten. Wenn eine realistische Chance auf eine Bewilligung bestünde – etwa wie in Zürich – würden wir dies auf jeden Fall versuchen.»
Ins selbe Horn stösst Max W.*, der seit vielen Jahren in der Szene aktiv ist und auch Anfang Mai wieder einen Anlass organisiert «Wir haben es zigmal versucht, aber eine Bewilligung für eine Open-Air-Party zu bekommen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Mittlerweile kalkulieren wir die Bussen einfach ins Budget ein.»
Frust programmiert
Doch gerade für junge Veranstalter mit bescheidenem Einkommen kann eine Busse «wegen lärmender Tätigkeit ohne behördliche Bewilligung» schwerwiegende Folgen haben – so etwa für Patrick A.*, der im letzten Juni beim Zoll Otterbach ein Open-Air mitorganisierte. Als die Polizei die «friedliche Veranstaltung ohne Müll, Stress oder Beschwerden wegen Ruhestörung» kurz vor dem geplanten Ende abbrach, gaben er und ein Freund freiwillig ihre Ausweise ab.
Vor wenigen Tagen flatterte beiden plötzlich unerwartet eine Busse über je 630 Franken ins Haus – für die zwei jungen Männer, die unweit der Grenze in Deutschland wohnen und arbeiten, ein happiger Betrag, den sie nun durch gemeinnützige Arbeit abzahlen wollen.
Der Frust über das Nachspiel ist dementsprechend gross: Denn nicht nur ist man A. zufolge überhaupt erst über die Grenze ausgewichen, weil die deutsche Polizei die zuvor erteilte Bewilligung kurzfristig ohne Angabe von Gründen entzogen hatte. Auch die eigens mitgebrachte Ölschutzwanne für den Generator sei in der Busse «für das in der Grundwasserschutzzone aufgestellte Benzinaggregat» gar nicht berücksichtigt worden.
Ob des hohen Bussgeldes für die beiden Beteiligten, die «schliesslich bloss stellvertretend für die Feier unter Freunden geradegestanden seien», fragt sich A., «was passiert wäre, wenn noch mehr Anwesende ihren Ausweis abgegeben hätten: würde dann jeder so viel Busse bekommen? Ein Schelm wer da an leichte Geldmacherei denkt!» Trotzdem will A. auch in Zukunft weiterhin an Open-Airs mitwirken – «dann allerdings im Vorfeld die Verantwortlichkeiten besser abklären».
Jungfreisinn kritisiert
Carol Baltermia, Präsident der Jungfreisinnigen Basel-Stadt, kritisiert die gegenwärtige Basler Praxis heftig. «Es kann nicht sein, dass in Zürich eine solche lockere Handhabung herrscht und man in Basel von Amt zu Amt rennen muss für eine Outdoor-Party.» Illegale Partys gebe es nur, weil es einen grossen Aufwand für eine Bewilligung brauche.
Die Jungfreisinnigen wollen darum eine Petition für eine Basler Jugendbewilligung lancieren – jedoch ohne die umstrittene Facebook- und Altersbeschränkung. Damit dürften sie nicht nur bei anderen Jungparteien, sondern auch bei Open-Air-Besuchern auf offene Ohren stossen: Wie gross das Interesse an «illegalen Partys» trotz aller möglichen Folgen nach wie vor ist, werden die nächsten Wochen zeigen.
Artikelgeschichte
Der zweite Teil des Artikels ist in der gedruckten TagesWoche vom 27.04.12 erschienen