Passiv und zu lasch – Jungsozialisten kritisieren die Lehrlingsaufsicht

Passiv, zu lasch und zu schleppend: Die Jungsozialisten kritisieren die Arbeit der Lehraufsicht. Die kantonale Anlaufstelle für Lernende würde bei Schwierigkeiten in Lehrbetrieben viel zu wenig eingreifen. Das Erziehungsdepartement weist die Kritik zurück.

Berufsinspektoren, die wegschauen: Die Jungsozialisten werfen der Lehraufsicht vor, bei Problemen nicht zu handeln. 

(Bild: Nils Fisch)

Passiv, zu lasch und zu schleppend: Die Jungsozialisten kritisieren die Arbeit der Lehraufsicht. Die kantonale Anlaufstelle für Lernende würde bei Schwierigkeiten in Lehrbetrieben viel zu wenig eingreifen. Das Erziehungsdepartement weist die Kritik zurück.

Anfang August haben in Basel-Stadt rund 2300 Personen eine Lehre begonnen. Es ist für die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen eine aussergewöhnliche Zeit: Man arbeitet, geht zur Schule, verdient sein erstes eigenes Geld, trägt ein bisschen Verantwortung.

Nicht alle halten die Lehre jedoch bis zum Schluss durch. Gemäss dem Statistischen Amt Basel-Stadt betrug die Lehrabbruchquote vor zwei Jahren 11,4 Prozent. Von den 5392 bestehenden Lehrverträgen im Jahr 2013 wurden insgesamt 613 aufgelöst. 2014 wurden laut dem Erziehungsdepartement 11,7 Prozent der Verträge aufgelöst.

Die Lehraufsicht als kantonale Anlaufstelle für Lernende und Ausbildungsbetriebe sollte die Auflösung von Lehrverträgen vermeiden. Das siebenköpfige Gremium soll mit «Rat und Tat» unterstützen, wenn es zu Schwierigkeiten in der Ausbildung kommt. Das tun die Berufsinspektoren aber aus Sicht der Jungsozialisten zu wenig. Zum Beleg haben sie fünf Fälle dokumentiert, die von Lernenden an sie herangetragen wurden. Stellvertretend der Fall von Dominik S., ehemaliger Lernender Konditor/Confiseur:

«In meiner Ausbildung zum Konditor/Confiseur wurde ich bei Schwierigkeiten von der Lehraufsicht im Stich gelassen. Dabei hätte es mehr als genug Gründe gegeben, einzugreifen. Ich habe regelmässig Überstunden gemacht und wochenlang berufsfremde Arbeiten erledigt. Wenn ich dann mal in der Produktion gearbeitet habe, wurden mir Routinearbeiten zugeschoben und ich konnte nichts Neues lernen. Mein Chef hat mich beleidigt, gemobbt und ab und zu flogen mir auch Backbleche hinterher. Ich habe mich bei der Lehraufsicht gemeldet. Daraufhin kam der Berufsinspektor vorbei und wurde von meinem Chef auf einen Kaffee eingeladen. Danach war wohl alles in Ordnung für den Inspektor. Ich wurde von meinem Betrieb entlassen. Die Lehraufsicht hat mich insofern unterstützt, als sie mir Listen mit potenziellen Ausbildungsbetrieben gegeben hat. Die Liste war acht Jahre alt und auch entsprechend aktuell. Ich habe schliesslich eine Lehrstelle in einer anderen Branche gesucht und gefunden.»

Hier sind die anderen vier Fälle zu lesen.

Mehr unangemeldete Kontrollen gefordert

Die Jungsozialisten werfen der Lehraufsicht in einem offenen Brief nun Passivität vor. «Aufgrund der Betriebshierarchien werden Ihnen viele Fälle von Rechtsverletzungen der Lernenden aus Angst nicht gemeldet. Wenn sie gemeldet werden, reagiert die Lehraufsicht leider sehr oft gar nicht, zu schleppend oder laut Rückmeldungen von Lernenden zu lasch», heisst es in dem Brief (siehe Rückseite des Artikels).

Aus der Sicht der Juso ist das Hauptproblem, «dass die Lehraufsicht nicht reagiert, auch wenn sie weiss, dass etwas falsch läuft», wie Vorstandsmitglied Mirjam Kohler sagt. Ihr wurden in den letzten Monaten im Rahmen der Unterschriftensammlung für die Petition «Mehr Rechte für Lernende» immer wieder von Versäumnissen der Lehraufsicht berichtet. Ihre Erklärung dafür ist, dass die Lehraufsicht Angst habe, «dass Ausbildungsplätze verloren gehen würden». Kohler wirft der Lehraufsicht vor, sich auf die Seite der Betriebe zu schlagen. «Es gibt einen Filz zwischen der Lehraufsicht und den Lehrmeistern.»

Die Jungsozialisten verlangen, dass die Lehrbetriebe regelmässig unangekündigt kontrolliert werden. «So hoffen wir, Fälle, in denen die Lernenden zu viel arbeiten, ungenügend betreut oder ausgenutzt werden, zumindest reduzieren zu können», sagt Kohler.

Kritik für Erziehungsdepartement nicht nachvollziehbar

Regelmässige, unangekündigte Kontrollen hält Reto Baumgartner, Bereichsleiter Berufsbildung beim Gewerbeverband Basel-Stadt, für übertrieben. Er sagt: «Es gibt überall schwarze Schafe. 90 Prozent der Betriebe kümmern sich aber sehr gut um die Lernenden.» Er erlebe die Lehraufsicht zudem als «sehr pragmatisch, nicht abgehoben, lösungsorientiert und konstruktiv». Baumgartner ist überzeugt: «Die Lehraufsicht ist auf Augenhöhe mit den Lernenden und den Betrieben.»

Kein Verständnis für die Kritik hat Ulrich Maier. Er ist Leiter Mittelschulen und Berufsbildung im Erziehungsdepartement Basel-Stadt, bei der die Fachstelle Lehraufsicht angegliedert ist. «Wir können die Kritik nicht nachvollziehen und verstehen auch deren Ursprung nicht», sagt Maier. «Wir machen gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Jugendlichen. Deren Feedbacks sind positiv.»

Auf die Frage, wie die Lehraufsicht garantieren kann, dass Lernende nur Aufgaben erledigen, die zu ihrem Job gehören, und zum Beispiel nicht 54 Stunden pro Woche arbeiten müssen, antwortet er: «Die Lehraufsicht reagiert auf Beanstandungen der Lernenden, bespricht mit ihnen das weitere Vorgehen und steht unter Schweigepflicht.» Interventionen gegenüber dem Betrieb würden nur im Einverständnis der Lernenden erfolgen – davon ausgenommen seien strafrechtliche Fälle. Für Verletzungen des Arbeitsgesetzes, wie etwa die Arbeitszeiten, sei das Amt für Wirtschaft und Arbeit zuständig, die Lernenden würden aber von der Lehraufsicht in der Kontaktaufnahme unterstützt.

Das Erziehungsdepartement hat den Vorstand der Juso nun zu einem Gespräch eingeladen, um ihm die genaue Funktion der Lehraufsicht zu erklären.

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