Perugia – ein Königreich für den Flaneur

In der Hauptstadt der umbrischen Provinz gibt es bestimmt eine ganze Reihe Museen zu entdecken. Das wahre Highlight ist aber die Stadt selbst mit ihrer einzigartigen Topografie.

(Bild: Daniel Faulhaber)

In der Hauptstadt der umbrischen Provinz gibt es bestimmt eine ganze Reihe Museen zu entdecken. Das wahre Highlight ist aber die Stadt selbst mit ihrer einzigartigen Topografie.

Und als wir abends auf dieser Treppe vor dem Palazzo dei Priori sitzen, offenbart sich uns nochmals die ganze Pracht dieser stolzen Kleinstadt: Der schillernde Corso Vanucci entrollt sich wie ein edler Teppich zu unseren Füssen gen Norden und speichert die Mittagshitze angenehm wärmend zwischen den Fassaden. Die mittelalterliche Fontana Maggiore, dieser Treffpunkt und Urquell sozialer Verbindungen, ziert die Platzmitte und wird von den Einheimischen wahrscheinlich zu Recht als der schönste Brunnen der Welt bezeichnet. 

Und dann kommen die Menschen. Aus allen Gassen strömen sie herbei und verwandeln diese Treppe binnen Minuten in eine Ausgangszone ersten Grades. Da spielen sie Gitarre und singen inbrünstig Lieder, dort unter den Arkaden, wo der Hall den Rhythmus direkt in die Glieder treibt, trommelt eine Gruppe ihre Ode an die Nacht. Wer braucht eine Bar, wer einen Club, wenn man einfach eine Treppe haben kann?  




Aufstieg ins Glück: die Treppe auf der Piazza IV Novembre. (Bild: Daniel Faulhaber)

Dabei thront die Stadt ohnehin schon ziemlich weit oben. Perugia, mit ungefähr 166’000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Hauptstadt der umbrischen Provinz, sitzt gleich einer Krone auf einem Berg. Ihre Gründung reicht zurück ins sechste Jahrhundert vor Christus, als etruskische Stämme den markanten Standort zu ihrem Zwölfstädtebund hinzufügten. Noch heute erinnern die berühmten Etruskerbögen an die Urväter der Stadt.




Zahlreiche Torbögen prägen noch heute das Stadtbild des alten Perugia. (Bild: Daniel Faulhaber)


Wir beginnen allerdings in der Talsole, am Hauptbahnhof, und steigen vom Zug direkt in die Minimetro um – Perugias ganzer Stolz. Seit sie 2008 eröffnet wurde, dürfen Autofahrer nur mit Sonderbewilligung in die Altstadt. Der Flaneur ist hier König.

Mit der Minimetro gehts bergan bis zur Endstation, einem weiteren städtebaulichen Highlight: Es liegt in einem Tunnelgewölbe unter der Altstadt, wobei der Begriff «Tunnel» den Dimensionen nicht gerecht wird – Torbögen und uralte Gemäuer ragen 10 bis 15 Meter in die Höhe.

Stadt unter der Stadt

Es beherbergt heute wechselnde Ausstellungen, Souvenirgeschäfte sowie eine schnöde Fussgängerpassage – dabei lag hier einst ein Trauma begraben. 1540 weigerten sich die Bewohner, die Salzsteuer umzusetzen, die Papst Paul III. verordnet hatte. Es kam zum «Salzkrieg», in dem Teile der Altstadt vollkommen verschüttet wurden. Unlängst wurden diese wieder freigelegt. Es ist uns ein bisschen unheimlich, als wir mit der Rolltreppe durch die Stadt unter der Stadt hochfahren, bis zuoberst die Piazza Italia erreicht ist. Benvenuti a Perugia.
 
Dem geneigten Müssiggänger nun einen Spaziergang vorzuschlagen, käme einer Ehrverletzung gleich. Nein, die verwinkelten Gassen, Viadukte und Passagen dieses frühneuzeitlichen Labyrinths müssen selber entdeckt werden und entfalten dabei ohnehin ihre eigene Logik. Nämlich keine. Biegung reiht sich an Kreuzung, bis irgendwann die Orientierung auf der Strecke bleibt. Spätestens jetzt wirds Zeit für einen Caffè – leider ohne Bacio Perugina, denn die ortstypische Nusspraline wurde unlängst dem Nestlé-Konzern einverleibt. Dann gibts halt Eis. Auch gut.




Die verwinkelten Gassen der Stadt erkundet man am besten ohne Karte in der Hand. (Bild: Daniel Faulhaber)


Mit der Waffel in der Hand schlendern wir zur Casa Monteripido, vorbei an der Universität, die während des Semesters gegen 31’000 Studenten beherbergt. Vom ehemaligen Kloster aus hat man einen phänomenalen Blick über die Stadt und ihre Gärten.




Auf dem Weg zum Kloster kommt man an malerischen Alleen vorbei. (Bild: Daniel Faulhaber)

Auf dem Rückweg kommen wir am Restaurant Dal mi‘ Cocco vorbei, das uns für 13 Euro mit einem grosszügigen Tagesmenü (auch vegetarisch) verwöhnt. Nur Wein gönnen wir uns nicht zu viel, den heben wir uns für später auf. Für die Treppe, Perugias finalen Aufstieg ins Glück.
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  • Unternehmen: Tagesausflüge nach Assisi, der Wirkstätte von Franz von Assisi, dem Gründer des Franziskanerordens. Oder ab an den See, der Lago Trasimeno ist in gut 30 Minuten mit dem Zug zu erreichen.
  • Zuhören: Am Umbria Jazz – das renommierte Jazzfestival lockt jeweils Anfang Juli Musikliebhaber aus der ganzen Welt in die Stadt.

Und hier noch ein Eindruck aus luftiger Höhe, aufgenommen von Janosch Tröhler:

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