Pfefferspray statt Deeskalation

Die Demonstration am 21. Juni «für mehr Freiräume» endete beim St. Johanns-Park. Der Organisator des dort laufenden «Pärkli-Jam» und Leiter des Jugendhauses «Badhüsli» versuchte zwischen Polizeigrenadieren und Demonstrierenden zu vermitteln. Dafür erntete er von der Polizei ein «Hau ab!» und einen Schuss Reizflüssigkeit auf seinen Körper.

Pfefferspray, ein unangenehmes Mittel. (Bild: Nils Fisch)

Die Demonstration am 21. Juni «für mehr Freiräume» endete beim St. Johanns-Park. Der Organisator des dort laufenden «Pärkli-Jam» und Leiter des Jugendhauses «Badhüsli» versuchte zwischen Polizeigrenadieren und Demonstrierenden zu vermitteln. Dafür erntete er von der Polizei ein «Hau ab!» und einen Schuss Reizflüssigkeit auf seinen Körper.

Den Zwischenfall an dem Abend gegen Mitternacht schildert Christian Platz, Präsident von «JuAr Basel» (früher: «Basler Freizeitaktion», BFA), ausführlich im jüngsten Rundbrief seiner Organisation. Als die Demonstration beim St. Johanns-Park eintraf und sich ihre Teilnehmer unter das Publikum des Musikfestivals «Pärkli Jam» im St. Johanns-Park mischten, habe eine friedliche Partystimmung geherrscht. Auf der Bühne waren in dem Moment gerade die Umbauarbeiten für die letzte Band im Gange.

Einige der Demonstrierenden betraten, laut Platz, die Bühne und nutzten die Gelegenheit für eine Botschaft zur Erinnerung an die «Alte Stadtgärtnerei». Deren Zerstörung jährte sich an dem Tag zum 25sten Mal. Die Organisatoren liessen die Demonstrierenden kurz gewähren und blendeten danach wieder Musik ein.

«Dann sehe ich Blaulicht», erklärt Roman Hueber, Organisator des mit einer offiziellen Bewilligung ausgestatteten «Pärkli-Jam» und Leiter des Jugendhauses «Badhüsli» gegenüber der TagesWoche. «Ich gehe hoch zum St. Johanns-Platz und da stand bereits ein gepanzerter Einsatzwagen hinter dem anderen. Die Einsatzkräfte sprangen heraus in Vollmontur.» Hueber, ahnend, dass eine Eskalation der Situation für die rund 1’000 friedlichen Gäste seines Festivals nichts Gutes heissen würde und unter ihnen vielleicht Panik ausbrechen könnte, suchte sofort das Gespräch mit den Polizei-Grenadieren.

Das Gespräch gesucht

«Ich bin zu den ersten Einsatzkräften hin, die gerade daran waren, sich zu einer Mauer zu formieren. Ich stand direkt davor hin, mit meinem T-Shirt, das mich als Mitarbeiter des ‘Pärkli-Jam’ auswies, und habe mich vorgestellt. Ich hab gesagt, wer ich bin, dass ich Gesamtorganisator des Festivals bin und die Bewilligung über mich läuft. Dass es ein bewilligtes, friedliches Fest ist, und wir nichts mit dem Demonstrationszug zu tun haben. Die Antwort [aus den Reihen der Polizeigranadiere] darauf war: ‘Hau ab!’»

Roman Hueber liess sich nicht einschüchtern. Er hakte nach und sagte, er möchte gerne mit dem Einsatzleiter sprechen. «Ich wies darauf hin, dass wir hier knapp 1’000 Leute haben, darunter Kinder, Familien. Es ist eine bewilligte friedfertige Veranstaltung. Und ich möchte auf keinen Fall, dass es durch einen Einsatz zu Panik kommt. Dann hab ich als Antwort den Pfefferspray abbekommen. Er traf mich nicht im Gesicht. Es war eine Art ‘Richtstrahl’. Er traf mich auf der Brust.»

Vom «Schwarzen Block» distanziert

Hueber ist Allergiker und nimmt gegen seinen Heuschnupfen Anti-Histaminikum und Augentropfen. Darum reagierte sein Körper nicht ganz so stark auf den Reizstoffeinsatz, wie von der Polizei beabsichtigt. «Ich konnte weiter versuchen, zu deeskalieren. Ich drehte mich um, denn es flogen inzwischen aus der anderen Richtung die ersten Petarden und Knallkörper. Und es kamen immer mehr Leute vom St. Johanns-Park hoch zum St. Johanns-Platz. Darunter auch solche vom so genannten ‘Schwarzen Block’».

Hueber ging zu ihnen hin und redete lauthals auf diese Seite ein. «Ich versuchte sie dazu zu bewegen, zum Festival zurückzukehren. Ich wollte klar machen, dass wir damit nichts zu tun haben wollen und auch nichts zu tun haben. Ich rief die Leute auf, ein Signal zu setzen und runter zu gehen zur Musik im Park. Und sich gegenseitig nicht zu provozieren.»

Inzwischen kamen weitere Personen hinzu und unterstützten Huebers Deeskalationsbemühungen. Im Rückblick ist er überzeugt, an dem Abend sei die Situation «sehr knapp an einer grösseren Eskalation vorbeigeschlittert».

Dass kurz zuvor, unmittelbar hinter dem St. Johanns-Platz, an der Immengasse, eine Polizistin in Zivil von einigen Schlägern angegriffen und verletzt wurde, und das vermutlich der Auslöser für das massive Polizeiaufgebot war, wusste niemand ausserhalb des Polizeikorps.

Parallele zu 1988

In seinem Bericht über die Reizstoffattacke gegen den Jugendhaus-Leiter im Rundbrief der JuAr, ohne den die Öffentlichkeit wohl nie davon erfahren hätte, zieht JuAr-Präsident Christian Platz eine Parallele zur Nacht nach der Zerstörung der «Alten Stadtgärtnerei» durch die Polizei. Er schreibt, dass er damals, 1988, als Augenzeuge beobachtet habe, dass «einige Polizeileute unter anderem gewalttätige Angriffe ziviler Schlägertrupps auf Demonstrierende» geduldetet hätten.

Diese Vorfälle seien zwar später amtlich untersucht und die Polizei von aller Kritik freigesprochen worden, aber er «beharre noch heute» auf seiner Darstellung der Ereignisse. «Einige Polizeileute haben sich damals keineswegs korrekt verhalten.» Und dasselbe müsse bezüglich des Umgangs der Polizeigrenadiere mit dem Leiter des Jugendhauses «Badhüsli» auch über die letzte Freitagnacht gesagt werden.

David Frey, Generalsekretär des Justiz- und Sicherheitsdepartementes, von der TagesWoche auf den Reizstoffeinsatz angesprochen, meinte: «Zum Polizeieinsatz nach dem Angriff auf zwei Zivilpolizisten und einen Mitarbeiter der BVB haben wir in den vergangenen Tagen ausführlich Auskunft gegeben – so auch in der entsprechenden Diskussion im Grossen Rat. Zu allfälligen Einzelfällen können sich Betroffene wie immer direkt an uns wenden. Die Sachverhalte werden dann sorgfältig abgeklärt.»

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