Politiker deuten die Kriminalstatistik, wie es gerade passt

Nach der Veröffentlichung der Kriminalstatistik ist ein Streit darüber entbrannt, wie die Zahlen interpretiert werden sollen. Rechte betonen, die Kriminalität bleibe hoch, Linke sehen nur fallende Deliktzahlen. Wer hat recht?

Kriminologen geniessen die Kriminalstatistik mit Vorsicht, Politiker nutzen die Zahlen hingegen für ihre Anliegen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Nach der Veröffentlichung der Kriminalstatistik ist ein Streit darüber entbrannt, wie die Zahlen interpretiert werden sollen. Rechte betonen, die Kriminalität bleibe hoch, Linke freuen sich über fallende Deliktzahlen. Wer hat recht?

Die Sicherheit im öffentlichen Raum ist ein beliebtes Thema für Politiker. Es ist ein Thema, das die Bürgerinnen und Bürger beschäftigt, ein Thema, mit dem man leicht punkten kann. Die SVP forderte in den letzten Jahren mehr Polizisten, die SP setzte auf Gewaltprävention.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und das Bundesamt für Statistik am Dienstag ihre Zahlen zur Kriminalität veröffentlichten, gab es darauf ganz unterschiedliche Reaktionen. Es gab Stimmen, die von nach wie vor hoher Kriminalität in Basel-Stadt sprachen, andere betonten, den leichten Rückgang der Delikte im Vergleich zum Vorjahr.

Beides lasse sich aus der Statistik ableiten, sagt der Kriminologe und Strafrechtsprofessor Jonas Weber (Universität Bern). Beides hänge aber von der jeweils gewählten Vergleichsgrösse ab. Fakt sei, dass die Anzahl angezeigter Straftaten seit sechs Jahr beinahe unverändert geblieben ist. Der einmalige Anstieg im 2012 könnte unter Umständen mit Veränderungen in der Anzeigenentgegennahme zu tun haben, erklärt Weber.

Polizeipräsenz wirkt, sagen Politiker

Die Statistik suggeriere eine Genauigkeit, die so gar nicht existiere. «Die Anzeige von Bagatelldelikten wie etwa Tätlichkeiten hängt zum Teil von Umständen ab, die in einer Kriminalstatistik nicht erfasst werden.» Die betroffene Person macht bei Bagatelldelikten eher eine Anzeige, wenn sie in der Innenstadt gerade auf einen Polizisten trifft. Deshalb könne eine erhöhte Polizeipräsenz zu mehr Anzeigen führen, obwohl sie präventiv wirkt und die Anzahl tätlicher Übergriffe tatsächlich zurückgeht.

Während Kriminologen die Zahlen also mit Vorsicht geniessen, nutzen Politiker die Zahlen so, wie es für sie gerade passt. Der SVP-Grossrat Joël Thüring sieht die Politik seiner Partei bestätigt, die mehr Polizisten auf Basler Strassen forderte. «Die Statistik zeigt, dass die verstärkte Polizeipräsenz etwas bewirkt.»

Pascal Pfister von der SP sieht die Statistik hingegen als Zeichen dafür, dass sich die Politik der SP auszahle. Der leichte Rückgang der Kriminalität könne damit zusammenhängen, dass das soziale Netz ausgebaut werde und Chancen gerade für Einwanderer offenbleiben.

Seine Parteikollegin Tanja Soland sieht das Ganze etwas gelassener. Sie verfalle angesichts der neuen Zahlen nicht in Jubelstimmung. Auch wenn die Deliktzahlen anstiegen, würde sie nicht in Panik ausbrechen. Vielmehr müsse man längerfristig schauen, wie sich die Kriminalität entwickle.

Mehr Polizeipräsenz sei auch ein linkes Anliegen. Die Gleichung «mehr Polizei, weniger Delikte» sei jedoch zu einfach. Das zeigt sich beispielsweise bei der Drogenfahndung. Dort führen mehr Kontrollen in der Regel zu mehr Anzeigen.

Nächster Artikel