Nachdem Kontrolleure auf polnische Gipser gestossen waren, die zu Dumpinglöhnen von 14 Franken arbeiteten, liegen jetzt auf der Messebaustelle die Nerven blank: Ein polnischer Gipser wurde zur Strafe von der Baustelle geschmissen, offenbar weil der Fall öffentlich wurde.
Am Samstagmorgen packte ein Vorarbeiter den polnischen Gipser Pawel Nowak (Name geändert) an den Schultern. «Raus», herrschte ihn der Vorarbeiter an und stiess diesen zum Ausgang der Messebaustelle. Dort musste Nowak seinen Zutritts-Ausweis abgeben. Dann landete er auf der Strasse.
Pawel Novak ist – beziehungsweise war – einer jener rund ein Dutzend polnischen Gipser, die auf der Messebaustelle zu einem Dumpinglohn von 14 Franken arbeiten. Das ist rund halb so viel, wie laut Gesamtarbeitsvertrag geschuldet wäre. Die Gewerkschaft Unia machte den Fall der polnischen Billig-Gipser im Rahmen einer Grosskontrolle letzte Woche publik.
Offenbar passte dies dem Bauunternehmen Dämmtech. Nottwil GmbH nicht in den Kram. Gemäss dem polnischen Gipser war es ein Vorarbeiter dieser Firma, der ihn auf die Strasse beförderte. Dabei ist der polnische Gipser nicht bei dieser Firma direkt angestellt, sondern beim Subunternehmen Objektplan GmbH aus Rheinau. Thomas Amrein, Geschäftsführer der Dämmtech. Nottwil, will auf Anfrage der TagesWoche von diesem Vorfall nichts wissen. Ihm sei nicht bekannt, dass einer seiner Vorarbeiter den polnischen Billiggipser rausgeschmissen habe.
Für die zurückgebliebenen Kollegen des polnischen Gipsers aber ist klar, weshalb er rausgeworfen wurde: Als einziger kann Pawel Nowak ein bisschen Deutsch. Deshalb hätten die Verantwortlichen der Dämmtech. Nottwil wohl vermutet, er habe gegenüber der Gewerkschaft Unia über die Dumpinglöhne geplaudert und ihn deswegen bestraft, glauben sie.
Am Ende der Kette schuftet einer für einen Dumpinglohn
Bei verschiedenen Kontrollen stiessen Kontrolleure auf der Messebaustelle immer wieder auf Fälle von Lohndumping oder Arbeiter, die ohne Bewilligung in der Schweiz gearbeitet haben. Das Muster ist immer dasselbe. Der Generalunternehmer HRS Real Estate AG, der im Auftrag der Messe den Neubau aufstellt, gibt Teilaufträge an Firmen weiter, diese geben wiederum Aufträge weiter bis am Ende einer ganzen Kette von Subunternehmen irgendein ausländischer Bauarbeiter für eine Handvoll Franken pro Stunde auf der Baustelle schuftet. Heute demonstrierte die Unia vor den Toren der Messe gegen diese Dumpinglöhne.
Beispiel Elektroarbeiten: Dieser Auftrag sei vom Generalunternehmen HRS an eine Arbeitsgemeinschaft vergeben worden, informierte die Gewerkschaft Unia. Diese habe dann für 45 Franken pro Mannstunde den Auftrag an ein erstes Subunternehmen, die Zürcher Trigon Solutions AG, vergeben. Diese wiederum habe damit für 35 Franken pro Mannstunde den Auftrag an eine zweites Subunternehmen, eine slowenische Firma mit dem Namen Hidro Mat, beauftragt. Auf der Baustelle der Messe erschienen seien schliesslich Angestellte dieser slowenischen Firma. Inzwischen zahle eine andere Firma am Ende der Subunternehmerkette ihre Angestellten nicht mehr, wie die Basler Zeitung berichtete.
Abklärungen nach der Kontrolle dauern noch Wochen
Wegen all dieser Ungereimtheiten forderte die Gewerkschaft Unia deshalb Anfang November eine Grossrazzia. Das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt entschied sich stattdessen für eine erweiterte Stichprobe und kontrollierte 130 Arbeiter. Auf der Messebaustelle sind täglich mehrere hundert im Einsatz. Noch dauern die Abklärungen an, wie Hansjürg Dolder, Leiter des Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) erklärt. Die pariätatische Kommission entscheide, ob die Arbeits- und Lohnbedingungen im Falle der polnischen Gipser nicht eingehalten, der Gesamtarbeitsvertrag verletzt wurde und würde in diesem Fall beim AWA allfällige Sanktionen beantragen. Das AWA kann dann Bussen aussprechen oder Baufirmen für die Schweiz sperren. «Bis wir einen allfälligen entsprechenden Antrag erhalten, dauert es erfahrungsgemäss von der Kontrolle an mehrere Wochen», sagt der Amtsleiter.
Grossrat schlägt Einladung der Messe aus
So lange will der Grünliberale Grossrat Emmanuel Ullmann nicht mehr warten. Er zieht nach all den Vorkommnissen auf der Messe-Baustelle seine Konsequenzen: Er wird im Januar 2013 der Einladung der Messe Schweiz nicht Folge leisten und am Schlussessen des Grossen Rates auch nicht teilnehmen, wie er via Facebook bekannt gab. «Ich habe ein ungutes Gefühl nach all diesen Vorfällen auf der Messe-Baustelle und möchte mit meiner Absage ein Zeichen setzen. Es wäre komisch, der Einladung Folge zu leisten und mich dort zu verkosten, wenn ich genau weiss, dass draussen auf der Baustelle nicht alles mit rechten Dingen zu- und hergeht», sagt Ullmann.
Der Kanton habe als grösster Aktionär und mit seinen zwei Verwaltungsräten, Regierungsrätin Eva Herzog und Regierungsrat Christoph Brutschin, in der MCH Group eine gewisse Verantwortung. «Der Kanton sollte darauf achten, dass seine Beteiligungen Mindestqualitätstandards an Vergabe-Richtlinien erfüllen. Der MCH sollte es demnach ein Anliegen sein, dass auch die Arbeitnehmer der Subunternehmer keine Dumpinglöhne zahlen.»
In einer Medienmitteilung betont die MCH Messe Basel, dass sie Verstösse gegen arbeitsrechtliche und vertragliche Bestimmungen auf der Baustelle der Messe Basel nicht stillschweigend toleriere und aufs Schärfste verurteilt. Die fehlbaren Unternehmen müssten konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Gleichzeitig kritisiert die Messe auch die «auf politische und mediale Aufmerksamkeit ausgerichtete Tonalität» der Gewerkschaften.
Alle Hoffnungen ruhen auf dem Nationalrat
Die Gewerkschaften setzten all ihre Hoffnungen in die Solidarhaftung, über die der Nationalrat demnächst entscheiden wird. Dank dieser Haftung soll es einfacher werden all die Beteiligten einer Kette von Subunternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, an deren Ende irgendein osteuropäischer Gipser für einen Hungerlohn schuftet. Für den polnischen Gipser Pawel Novak kommt diese Solidarhaftung aber zu spät. Er möchte nicht mehr zurück auf die Messebaustelle, denn er fürchtet, seine Landsmänner würden ihn dafür verantwortlich machen, dass jetzt alle riskierten, den Job zu verlieren. Und der Schweizer Dumpingstundenlohn von 14 Franken sei immer noch besser als ein polnischer Lohn von weniger als fünf Franken, sagt der Gipser. «Was sage ich nur meiner Frau, wenn ich zurückkomme und keine Geld nach Hause bringe?», fragt er.