Die Basler Staatsanwaltschaft verzeichnet derzeit eine Zunahme von Brieftaschendiebstählen in Restaurants. An manchen Tagen gingen bis zu fünf Anzeigen ein – «was viel ist», wie Mediensprecher Markus Melzl sagt. In den letzten zehn Jahren ist Taschendiebstahl in Basel allerdings deutlich zurückgegangen.
Bier getrunken, Rechnung verlangt. Bezahlen ist angesagt. Griff in die Jackentasche, Griff in die andere Jackentasche, kurzes Räuspern, dann die Erkenntnis: Portemonnaie weg. Blick unter den Tisch, Blick auf den Tisch. Portemonnaie bleibt weg. Gestohlen von einem dreisten Dieb, mitten in einem belebten Restaurant, aber unbemerkt von den anderen Gästen.
Diese Geschichte liesse sich hunderte Male erzählen, einmal mit Jacken-, einmal mit Handtasche – aber immer mit Schauplatz Restaurant oder Bar und einer bösen Überraschung am Ende der Geschichte. Taschendiebe haben erkannt, wie lukrativ das Stehlen in Beizen sein kann – und ihr Tätigkeitsfeld entsprechend erweitert. «Derzeit gehen bei uns an manchen Nachmittagen fünf Anzeigen wegen solcher Diebstähle ein, das ist viel», sagt Markus Melzl von der Basler Staatsanwaltschaft. Eine genaue Statistik über die Zunahme solcher Beizen-Fälle führt die Staatsanwaltschaft nicht. In den letzten zehn Jahren ist Taschendiebstahl in Basel allerdings deutlich zurückgegangen, wie die Kriminalstatistik zeigt.
«Mister-Wong»-Dieb wegen Video gefasst
Die meisten dieser Diebe werden nicht erwischt. «Es sind Profis», sagt Melzl. Nebst dem professionellen Stehlen wissen sie auch, was mit der Beute zu tun ist: Portemonnaie entleeren und alles, was auf einen anderen Besitzer hinweist, wegwerfen. Bei der Staatsanwaltschaft liegen Dutzende ausgebeutete Portemonnaies. Führerausweis und ID sind noch drin, Bargeld und allenfalls Kreditkarten weg. Gefunden werden die halbvollen Brieftaschen in Dohlen, Büschen, auf dem Trottoir.
Vor gut zwei Wochen wurde ein Brieftaschendieb gefasst. Ein Ausnahmefall. Der 29-Jährige hatte sich das falsche Lokal für seinen Beutezug ausgesucht: Er bestahl Gäste des «Mister Wong» und wurde dabei gefilmt. Ein Glücksfall für die Fahnder, Pech für den Dieb. Ein Pech, das den wenigsten widerfährt: Videokameras gehören in den wenigsten Beizen zur Grundausstattung.
Und die Diebe gehen dermassen professionell vor, dass sie meist über alle Berge sind, wenn der Bestohlene den Diebstahl bemerkt. Im Nachhinein erinnern sich viele Geschädigte: «Ja, da sass jemand dicht hinter mir.» Da diese Sitzkonstellation in Beizen aber keine Besonderheit darstellt, werden die meisten Gäste deswegen auch nicht skeptisch.
Diebe sind normale Gäste
Es gibt also nur einen Weg, zu verhindern, ebenfalls Opfer eines Portemonnaie-Diebes zu werden, sagt Melzl: «Lassen Sie Ihr Portemonnaie nie in der Jacke, wenn diese über der Stuhllehne hängt, klemmen Sie es lieber unter den Oberschenkel.» Frauen rät er, die Handtasche auf den Schoss zu nehmen und zu schliessen.
Die indirekt geschädigten Wirte wollen die Namen ihrer Beizen nicht im Internet lesen. Sie sagen aber unisono, dass es ihnen leid tue für ihre Gäste, sie aber unmöglich jeden Gast permanent im Auge behalten könnten. Bei den Dieben handelt es sich übrigens um ganz normale Gäste: «Sie sind häufig zu zweit oder zu dritt, trinken einen Kaffee, bezahlen und gehen dann wieder.» Etwas unterscheidet sie aber von anderen Gästen: Im Gegensatz zu ihren Opfern können sie bezahlen.