Prince ist tot – und mit ihm ein Alleskönner der Black Music

Die Queen feiert Geburtstag, der Prince aber stirbt. Im Alter von nur 57 Jahren ist Prince Rogers Nelson, einer der grossen Meister der US-amerikanischen Popgeschichte, gestorben. Eine Würdigung seines Schaffens – und ein Appell an die Radiostationen.

Gerngesehener Gast: Prince bei seinem Auftritt am Jazz Festival Montreux 2013.

(Bild: MARC DUCREST)

Die Queen feiert Geburtstag, der Prince aber stirbt. Im Alter von nur 57 Jahren ist Prince Rogers Nelson, einer der grossen Meister der US-amerikanischen Popgeschichte, gestorben. Eine Würdigung seines Schaffens – und ein Appell an die Radiostationen.

Prince ist tot. Das darf doch nicht sein! Dieser sexy Motherfucker wirkte stets alterslos. Ja, wie Bowie. Kaum haben wir dessen Ableben akzeptiert, sollen wir bereit sein für die nächste himmeltraurige Nachricht? Für die nächste Überflutung unserer sozialen Kanäle? When Millionen Doves Cry…? Es ist zum Heulen!

Dabei schien doch auch Prince unsterblich?! Und auch er gehörte zu den letzten vollkommenen Popstars – selbst wenn die Zeit, als er Hits wie «Kiss» oder «Purple Rain» schrieb, lange her war: Der 57-jährige Multiinstrumentalist aus Minneapolis (Minnesota) blieb ein interessanter, weil unberechenbar-genialer Musiker.

Das manifestierte sich etwa bei seinen Auftritten am Montreux Jazz Festival. Nur böse Menschen sahen darin einfach einen kleinen Mann in einer kleinen Stadt. Denn tatsächlich spielte da ein grosser Star an einem grossen Festival. Die günstigsten Tickets, Stehplätze, kosteten 2009 satte 195 Franken. Und die 8000 Tickets für seine Konzerte im Jahr 2009 waren in acht Minuten verkauft.

Warum? Natürlich weil er zum Soundtrack einer Generation beigetragen hat. Wer in den 1980er-Jahren aufwuchs, hatte nicht nur ständig Jacko sondern auch Prince im Ohr: «Sign O‘ The Times», «Alphabet Street», «Kiss», «1999»…

Doch damit nicht genug: Als in den Nuller-Jahren mit James Brown oder Michael Jackson stilbildende Performance-Genies der afroamerikanischen Musikgeschichte starben, wurde uns die Vergänglichkeit der grossen Black-Music-Ikonen bewusst. Prince stand über den R&B-Sternchen der jüngeren Gegenwart, er war ein brillanter Allrounder alter Schule, mit der Aura einer Diva. Das hatte etwas Zeitloses, Magisches, Anziehendes.

Nach dem Ableben von Brown, dem Godfather, und Jackson, dem Paralleluniversalisten, gehörte Prince zur aussterbenden Spezies jener Superstars, die kompositorisches Genie mit gesanglicher Einzigartigkeit und grossartiger Performance kombinierten. Ein Perfektionist in Sachen Pop und Pose, ein Innovator der Black Music, der uns tanzen und schmusen machte.

Doch im Vergleich zu Jacko stellte er die Inszenierung nie über die Musikalität. 

Jackson war zwar der bessere Tänzer, der grössere Choreograf. Prince aber war der vollkommenere Musiker: Gesanglich mit einer unglaublichen Bandbreite, von der unverkennbaren Falsettstimme bis in den Bariton. Und als Gitarrist so versiert, dass er elegant über die Saiten und auf Plateauschuhen über die Bühne glitt. Dabei flirtete er mit dem Publikum und blieb irgendwie … unwirklich. Ein Mann mit Musketierschnurrbart und dem Make-up einer Dame, virulent und geschmeidig, alterslos, sexy, rätselhaft, unfassbar. 

Gerngesehener Gast: Prince bei seinem Auftritt am Jazz Festival Montreux 2013.

Gern vergessen ging aber bei alldem auch der Songwriter Prince, der Mann, der Lieder schrieb, die wir durch Interpretationen anderer lieben gelernt haben: «Nothing Compares 2 U» etwa machte Sinéad O’Connor weltberühmt – in beiderlei Sinne. Und «I ha di gärn gha» haben uns Züri West vor 22 Jahren auf ihrem gelben Album näher gebracht. Dass das Original «When You Were Mine» heisst und aus Princes Feder stammte, habe – ich zumindest – damals erst beim Booklet-Studium gecheckt. 

Was Prince hinterlässt, ist ein grosser Fundus grosser Songs. 

Und was ich hinterlasse, ist eine letzte Bitte an die Radiostationen dieses Globus:

Zollt dem Meister wenigstens jetzt Respekt. Und verzichtet für einmal darauf, ins Gitarrensolo von «Purple Rain» reinzulabern. Nur weil ihr das 30 Jahre lang gemacht habt, nur weil euch ein Chef eingetrichtert hat, dass die Hörer nach drei, vier Minuten wegschalten würden, heisst das nicht, dass das auch wahr ist. Darum, liebe Radiomenschen, fasst wenigstens jetzt den Mut und zeigt, dass es euch manchmal auch um Musik geht. Um ein Werk. Spielt das Solo. Spielt den Song. Bis. Zum. Ende.

Falls ihr nicht mehr wisst, wie sich dieser anhört: Hier ein Hint.

Danke, Prince, für alles. Heute weinen nicht nur Tauben, ach, Schwäne purpurne Tränen. Sondern auch ich.

 

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