Enrique Fontanilles und sein Künstlerkollektiv machen wieder mobil: Jeden Freitag bis zur Art Basel nimmt die Gruppe den Messeplatz in Beschlag. Damit will sie an die umstrittenen Polizeieinsätze während der Kunstmesse erinnern.
Enrique Fontanilles amüsiert sich: Vier italienische Touristen kommen auf den Vizedirektor der Schule für Gestaltung (SfG) zu und wollen von ihm wissen, wo es denn hier zur Art Basel gehe. «Ihr seid anderthalb Monate zu früh», sagt Fontanilles und lacht.
Tönt nach schlechter Reiseplanung, doch vielleicht haben sich die Besucher auch gedacht: Fontanilles auf dem Messeplatz – kann nur heissen: Es ist wieder Art Basel.
Tatsächlich ist der Künstler früh daran in diesem Jahr. Mit acht, neun Getreuen, darunter die SfG-Dozenten Renatus Zürcher und Kurt Würmli hat Fontanilles am 1. Mai das neuste Projekt des Künstlerkollektivs «diezelle» gestartet. Von nun an treffen sie sich jeden Freitag um 17 Uhr auf dem Messeplatz – und spielen eine Stunde lang Frisbee. Höhepunkt der wöchentlichen Ertüchtigung soll der Art-Freitag darstellen, und da erhält die harmlose Spielstunde die politische Brisanz.
Umstrittene Polizeieinsätze
Denn der Art-Freitag hat Eingang gefunden in die jüngere Zeitgeschichte der Stadt. Vor zwei Jahren löste die Polizei mit einiger Brutalität die sogenannte «Gegen-Favela» auf, eine Protestaktion gegen das «Favela-Café», ein nachgebildetes Hüttendorf aus der Dritten Welt, in der sich die Besucher der Kunstmesse Prosecco servieren liessen.
Vor einem Jahr wollten Fontanilles und «diezelle» mit einer Choreografie an die Räumung erinnern. Dabei sollte die Ästhetik des Polizeieinsatzes mittels Papptellern (Polizeihelme aus der Vogelperspektive) nachgestellt werden. Die Polizei stoppte die Aktion, noch bevor sie starten konnte, und führte jede Person auf dem Messeplatz ab, die auch nur den Anschein erweckte, mit der Performance in Verbindung zu stehen. Der hochumstrittene Einsatz beschäftigt noch immer die Staatsanwaltschaft, hängig sind zudem diverse Privatklagen gegen die Verantwortlichen.
Anspruch der Öffentlichkeit
Die Frisbees erinnern nun bereits rein optisch an die Pappteller des Vorjahres. Aber es besteht auch ein historischer Bezug: Der Namensgeber der Plastikscheibe war Bäcker und lieferte seine Torten auf Böden aus, die super durch die Luft flogen.
Fontanilles und seinem Kollektiv geht es aber um mehr als Ästhetik. Mit dem wöchentlichen Frisbeespiel wollen sie den Anspruch der Öffentlichkeit auf den Messeplatz untermauern, der während der Art von einer kommerziellen Kunstschau als privater Vorhof vereinnahmt wird.
Pate der Idee sei ein Leserkommentar auf der Seite der TagesWoche gewesen im Nachgang des letztjährigen Polizeieinsatzes. TaWo-Leser Manuel H schrieb damals: «Wir möchten gerne zu dritt im Schützenmattpark Frisbee spielen gehen. Wo kann ich die Bewilligung beantragen? Brauche ich jede Woche eine neue? Und sollen wir gleich schon nackt kommen?»
Kleider bleiben an
Die Kleider bleiben jeweils alle an am Freitag. Doch Potenzial hat die Idee auch so: Immer wieder stellen sich Familien oder Jungs aus dem Quartier dazu und spielen eine Weile mit. Auch wenn die Begeisterung der eigenen Szene, vor allem aus der Schule für Gestaltung (Anzahl SfG-Studenten: null) bescheiden ist.
Fontanilles schiebts aufs miese Wetter und hofft, dass sich der Freitagnachmittag in den sechs Wochen bis zur Art etabliert, sodass während der Kunstmesse hundert Menschen und mehr Frisbee spielen. Für ihn selber wird der Termin auch eine Abschiedsvorstellung: Ende Semester geht er in Pension.
Die Aktion wird dann ihren subversiven Charakter entfalten: Für die Behörden und die Messeleitung wird sich die unangenehme Frage stellen, wie sie mit der Frisbee-Aktion namens «Don’t shoot» umgehen. Ist das Sport? Ist das eine politische Manifestation? Sollen wir das verbieten? Aber unter welchem Titel?