Proteste gegen den Dalai Lama angekündigt

Der Dalai-Lama-Besuch macht Basel auch zum Schauplatz eines innerreligiösen Konflikts: Die Gruppe der Shugden-Buddhisten, die sich diskriminiert sieht, will gegen das Oberhaupt der Tibeter demonstrieren.

Die Shugden-Buddhisten protestieren gegen ein Verbot ihrer Glaubensrichtung. Hier an einer Veranstaltung in Livorno 2014.

(Bild: Fabrizio Volpi)

Der Dalai-Lama-Besuch macht Basel auch zum Schauplatz eines innerreligiösen Konflikts: Die Gruppe der Shugden-Buddhisten, die sich diskriminiert sieht, will gegen das Oberhaupt der Tibeter demonstrieren.

Seit Jahren tauchen sie überall auf, wo der Dalai Lama auftritt. Mit Slogans wie «Dalai Lama stop lying» und «Give religious freedom» hat die Gruppe der Shugden-Buddhisten auch in Basel Proteste gegen den Dalai Lama und die exiltibetische Regierung angekündigt. Die Gesuche für Standkundgebungen am Samstag, 7. Februar, und Sonntag, 8. Februar, wurden von der Basler Polizei bewilligt.

Der Vorwurf der Gruppe an den Dalai Lama: Diskriminierung sowie Menschenrechtsverletzungen. Der Dalai Lama grenze die religiöse Gruppe der Shugden-Buddhisten auf unzulässige Weise aus.

Solche Vorwürfe muten seltsam an, denn wie kein anderer propagiert der buddhistische Glaube einen friedlichen, respektvollen und vernünftigen Umgang. Aber auch die exiltibetische Gemeinschaft hat interne Probleme mit Abgrenzung und Integration. Die Ursache der Shugden-Vorwürfe an den Dalai Lama ist ein politisch-religiöser Konflikt.

Konflikt trotz Religionsfreiheit

Und das steckt dahinter: Der Dorje Shugden, Dolgyal oder schlicht Shugden ist eine Schutzgottheit, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts von einem eher unbedeutenden Schutzgeist zu einer tibetischen Gottheit aufstieg. Unsichtbare Wesen wie Gottheiten und Dämonen nehmen in der tibetischen Spiritualität einen festen Platz ein; vom Buddhismus werden sie integriert oder mindestens toleriert. Im Fall der Shugden-Verehrung ist das bisher nicht gelungen.

In der tibetischen Gesellschaft herrscht grundsätzlich Religionsfreiheit. Die tibetischen Buddhisten, die in Europa als homogene Gruppe wahrgenommen werden, sind bei genauerem Hinsehen in verschiedene religiöse Gruppen, sogenannte Schulen unterteilt. Von den vier Schulen des tibetischen Buddhismus hat die Gelugpa-Schule, aus der auch die Dalai Lama stammen, zahlenmässig die grösste Anhängerschaft.

Shugden-Verehrer stammten vor allem aus der Gelugpa-Schule und sehen jenen Dorje Shugden als wichtigsten und überlegenen Schutzgott an. Andere Mitglieder innerhalb der Gelugpa-Schule werfen den Shugden-Buddhisten deshalb allerdings sektiererische Bestrebungen vor: So schliesst die Verehrung von Dorje Shugden die Praktiken anderer Schulen aus.

Mordvorwürfe gegen Shugden-Gesellschaft

Bereits in den 1970er-Jahren wandte sich der Dalai Lama deshalb in ungewöhnlich scharfen Worten gegen die Shugden-Lehre. Dieser zunächst religiöse Konflikt hatte durchaus weltliche Folgen. Beide Seiten beschuldigen sich seit Jahren gegenseitig der Ausgrenzung, Behinderung und Gewalt.

Die Situation eskalierte, als 1997 am Sitz der tibetischen Exilregierung mehrere Mönche ermordet wurden. Die Mörder wurden mit der Shugden-Gesellschaft in Verbindung gebracht, was jedoch nie endgültig bewiesen wurde.

Die Shugden-Buddhisten werfen ihrerseits der tibetischen Exilregierung vor, mit Drohungen und Gewalt gegen Shugden-Anhänger vorzugehen, was diese dementiert, dafür aber den Verdacht geäussert hat, Shugden-Proteste würden von der chinesischen Regierung unterstützt.

Verboten oder nur unerwünscht? Der Schutzgeist Dorje Shugden.

Verboten oder nur unerwünscht? Der Schutzgeist Dorje Shugden.

Shugden hat sich vor allem im westlichen Buddhismus verbreitet. Besonders aktiv sind die Shugden-Buddhisten unter dem Namen «Neue Kadampa Tradition» (NKT) in Grossbritannien und in der Schweiz.

Basler Freiwillige mussten sich von Shugden distanzieren

Der derzeitige 14. Dalai Lama bat 1996 alle Shugden-Anhänger von der «öffentlichen» Verehrung der Gottheit Dorje Shugden abzusehen, «im Privaten» sei sie weiterhin gestattet. In seiner Rolle als religiöser Führer verweigert er Shugden-Buddhisten den tantrischen Segen.

Die Verehrung von Dorje Shugden dürfe insgesamt nicht verboten werden, fordern die Anhänger. Ein Verbot verletze den Grundsatz der Religionsfreiheit und damit ein Menschenrecht. Andere buddhistische Organisationen halten die Shugden-Praxis für eine kleine, fundamentalistische Splitterguppe und grenzen sich ab.

Das schlägt sich auch in Basel nieder: Freiwillige, die sich als Helfer für den Auftritt des Dalai Lama gemeldet hatten, wurden gebeten, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der sie von Dorje Shugden Abstand nehmen. 

Die Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz, die den Anlass veranstaltet, hat auf ihrer Webpage eine Stellungnahme zu Dorje Shugden veröffentlicht.

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Lesen Sie auch die ausführliche Analyse des Shugden-Konflikts von Karénina Kollmar-Paulenz, Religionswissenschaftlerin, Universität Bern.

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