Vor einem Monat wurde der Kleinbasler Strassenstrich auf Anregung der Anwohner farblich markiert. Jetzt zeigt sich: Innerhalb der Toleranzzone werden die Reibereien seitdem grösser.
Seit 20 Jahren betreibt Heidy Ruf ihren Coiffeursalon an der Webergasse mitten im Kleinbasler Rotlichtmilieu. In dieser Zeit hat sie viel gesehen und erlebt. Doch was sie in den letzten Wochen erfahren hat, macht sie sprachlos.
Vor ihrem Schaufenster und in ihrem Türeingang stehen Prostituierte, versperren Sicht und Weg. Die Frauen machen Rufs Kunden massiv an und bedrängen sie teilweise sogar körperlich. Gehe sie raus und bitte die Frauen, Eingang und Schaufenster freizuhalten, werde sie verhöhnt oder aggressiv abgekanzelt.
«Der Ton hier im Milieu ist schon seit ein, zwei Jahren deutlich rauer geworden. Aber seit die Toleranzzone mit diesen grünen Linien markiert wurde, haben sich die Probleme verschärft», sagt Ruf. Wenn sie reklamiere, würden die Frauen entgegnen: «Das ist unsere Zone, du hast hier nichts zu melden.»
Keine Diskussion mehr möglich
Mit ähnlichen Problemen kämpft auch die neueste Beiz an der Ochsengasse, der «Rote Bären». Seit Anfang Juni trifft sich dort die Basler Szene zum Feierabendbier und zum Essen. Ein Teil der Aussenbestuhlung des «Bären» befindet sich innerhalb der Toleranzzone. Noch bis Ende Jahr nutzen Prostituierte die oberen Stockwerke der Liegenschaft. Der Eingang zu den Zimmern der Sexarbeiterinnen liegt nur wenige Meter vom äussersten Tischchen entfernt. Hier trifft alteingesessenes Milieu auf junges Ausgangspublikum.
Cécile Grieder führt den «Roten Bären» und sah sich ab dem ersten Tag mit den Prostituierten im Konflikt. «Die Frauen störten sich an unseren Tischen. Daraufhin erklärten wir ihnen, dass wir für den Aussenbereich eine Allmendbewilligung besitzen und dafür auch Geld bezahlen.» Im Gespräch kamen Grieder und die Prostituierten überein, dass ein Nebeneinander möglich sei.
Doch seit das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) die grünen Linien anbringen liess, ist diese Übereinkunft Geschichte. «Seither bestehen die Frauen darauf, dass es ihre Zone sei und wir dort nichts zu suchen haben», sagt Grieder. Dem nachbarschaftlichen Frieden zuliebe liess Grieder die Aussentische um einen Meter verschieben. Dies im Wissen, dass die letzten Sexarbeiterinnen Ende Jahr die Liegenschaft ohnehin verlassen. «Vorher konnten wir wenigstens noch miteinander sprechen. Seit die Markierungen hier sind, gibt es keinerlei Diskussionsbereitschaft mehr bei den Frauen.»
Eskalation statt Verbesserung
Als «kleine, konkrete Massnahme, von der wir uns eine Verbesserung der Situation versprechen», hat JSD-Vorsteher Baschi Dürr die grüne Markierung bezeichnet, als er diese der Öffentlichkeit vorstellte. Nun ist – zumindest innerhalb der Toleranzzone – das Gegenteil passiert.
Wirkung zeigt die Massnahme hingegen in den Teilen der Webergasse, die ausserhalb der Toleranzzone liegen. So habe sich etwa die Situation auf dem Klingentalplatz vor dem Hotel Balade merklich entspannt, wie Theres Wernli vom Stadtteilsekretariat Kleinbasel sagt. Wernli hat viele Jahre lang den sogenannten Runden Tisch Klingental geleitet, der einst zusammenfand, um die Auswirkungen des Rotlichtmilieus auf die Anwohner rund ums «Klingeli» und das Hotel Balade zu diskutieren. Sie sagt: «Inzwischen sind die ursprünglichen Probleme fast gänzlich verschwunden. Der Runde Tisch hat seine Ziele erreicht, im September findet wohl die letzte Sitzung statt.»
Die Idee für die grüne Markierung sei in dieser Runde entstanden. So störten sich etwa die Betreiber des Hotels Balade, des Restaurants im Parterre sowie die Wohnungseigentümer in den oberen Stockwerken daran, dass Prostituierte regelmässig und ohne Erlaubnis auf dem Klingentalplatz auf Kundenfang gingen. Mit der grünen Linie können die Sexarbeiterinnen jetzt besser in die Schranken gewiesen werden. Zur Entspannung beigetragen hat überdies die Umnutzung der Liegenschaft 18. Wo früher Prostituierte ihre Zimmer hatten, befinden sich heute Wohnungen und die Szene-Bar Renee.
Zu früh für eine offizielle Bilanz
Die Kantonspolizei mag nach knapp einem Monat noch keine Bilanz über die Folgen der neuen Markierung ziehen. Nur so viel: «Erste Beobachtungen und Gespräche haben gezeigt, dass sich die Frauen besser an die Toleranzzone halten, also nicht mehr ausserhalb der Zone anwerben», sagt JSD-Sprecher Martin Schütz. «Die Sexarbeiterinnen dürfen in der Toleranzzone Kunden anwerben, solange keine Personen belästigt werden.»
Es sei dem JSD jedoch bekannt, dass die Interessen der Anwohner und Gewerbetreibenden ausser- und innerhalb der Toleranzzone «nicht immer deckungsgleich» seien, sagt Schütz.