Rätselhafte Seelenlandschaften

Joachim Schlömer und Fritz Hauser haben mit «Königinnen» auf der Kleinen Bühne ein Mehrspartenprojekt geschaffen, das durch ein hohes Mass an Musikalität und ästhetischer Bildkraft besticht, inhaltlich aber aber etwas gar rätselhaft bleibt.

Königinnen aller Theatersparten unter sich (Bild: Peter Schnetz)

Sieben Königinnen gewähren in Joachim Schlömers und Fritz Hausers Mehrspartenprojekt singend, tanzend und spielend Einblicke in ihre geheimnisvolle Seelenwelten.

 «Ich bin angekommen am Ende» sagt die Königin (Carina Braunschmidt) gleich zu Beginn nachdenklich. Sie setzt sich an den Rand des kreisrunden Lochs, das sich in der Mitte der leeren Bühne auftut und wohl so etwas wie eine Fallgrube oder Tor in eine andere Welt darstellt. Es muss sich auf alle Fälle um ein tiefes Loch handeln, denn der Aufprall des Schuhs, den sie ins Loch fallen lässt, ist erst nach einiger Zeit zu hören. Die Königin ist alleine, scheint einsam zu sein, wie es halt so ist, wenn man sich an der Spitze eines hierarchischen oder feudalistischen Systems befindet. Ein Zustand, der nicht wirklich behaglich ist: «Die Welt ist nicht mehr so, wie ich sie mir gedacht habe», sagt sie mit einem kühlen Nachhall in ihrer Stimme.

Dass es sich bei dieser Frau um eine Königin handelt, erschliesst sich nicht unbedingt gleich von selber. Aber der Titel des Abends «Königinnen» deutet darauf hin. Wie auch auf die Tatsache, dass mehrere Königinnen zu erleben sind. Sieben an der Zahl sind es – sieben im Erwachsenenalter und ebenso viele als deren kindliche Spiegelbilder. Alle sind sie in schöne und schlichte Kleider in dunklen Blau-, Grau- und Grüntönen gekleidet (Kostüme: Romy Springsguth).

Seelenlandschaften

Jede dieser Königinnen agiert mehr oder weniger für sich alleine, Dialoge oder Interaktionen gibt es keine bzw. keine wirklichen. Als Individuen begreif- und fassbar sind diese Königinnen also nicht. Sie tragen keine Namen, wie Maria Stuart oder Elisabeth oder sonst eine Königin, die die literarische oder die wirkliche Welt beflügelt hat, sie haben keinen individuellen geschichtlichen Hintergrund. Es sind, das lässt sich daraus schliessen, vielmehr Seelenlandschaften von Frauen, die uns das Männergespann Schlömer/Hauser vorsetzen – Seelenlandschaften, die auf der Bühne quer durch die Spartenwelt des Theaters sprachlich, tänzerisch, und musikalisch bzw. gesanglich ihren Ausdruck finden.

Entsprechend spartenübergreifend ist denn auch das Ensemble zusammengesetzt: Es gibt zwei Schauspielerinnen (Carina Braunschmidt und Verena Buss), zwei Sängerinnen (Geraldine Cassidy und Solenn Lavanant-Linke), zwei Pianistinnen (Simone Keller und Tamriko Kordzaia) und eine Tänzerin (Alice Gartenschläger), die alle hochkonzentriert bei der Sache sind. Die Sängerinnen und Pianistinnen oftmals im Duett, die restlichen drei aber stets für sich alleine. Aber bei welcher Sache denn nun letztlich?

Bestechende Ästhetik

Der Abend besticht in erster Linie durch seine hyperästhetische Bildkraft und Musikalität. Das fängt beim Bühnenraum an (auch dafür zeichnet das Regiegespann Schlömer/Hauser verantwortlich). Er ist dunkel und bis auf das erwähnte Loch in der Mitte und zwei Stubenklaviere im Hintergrund leer. Umrahmt wird die Bühne von drei Lichtbalken, die, wenn sie hell aufleuchten, abrupte und überraschende Formationswechsel der Figuren und damit auch Bildwechsel erlauben. Akustisch untermalt wird dieser karge Bilderreigen von einem wechselvollen musikalischen Strang, der sich von wunderbar gesungenen und zum Teil originell unkonventionell gespielten Kompositionen aus dem Barock bis hin zu Hausers kratzenden und schlagenden Klangspielereien der Gegenwart ziehen.

Diese Bild-, Bewegungs- und Tonkomposition ist an und für sich sehr ausdrucksstark. Alles in allem bleibt der rund 75-minütige Abend letztlich aber allzu sehr der äusserlichen, auf ein hohes ästhetisches Niveau getrimmten Form verhaftet. Es sind wunderschöne Bild- und eindrückliche Tonfolgen zu erleben. Auf der Bühne ist ein Ensemble zu erleben, dem man gerne zuschaut. Und noch viel lieber zuschauen würde, wenn sie etwas mehr zu sagen hätten. Denn inhaltlich bleibt das Ganze auf Dauer nun doch gar sehr in der Rätselhaftigkeit stecken. Die Texte von Alissa Walser und Maurice Maeterlinck erzählen keine Geschichten, sie deuten stets nur an und bleiben letztlich im Ungefähren stecken.

Theater Basel: Königinnen
Musiktheaterprojekt von Joachim Schlömer und Fritz Hauser
Regie, Raum, Musik, Choreografie: Joachim Schlömer und Fritz Hauser, Kostüme: Romy Springsguth
Mit: Carina Braunschmidt, Verena Buss, Geraldine Cassidy, Alice Gartenschlager, Simone Keller, Tamriko Kordzaia, Solenn Lavanant-Linke

Weitere Vorstellungen: 29.1. und 30.1.2013
Theater Basel, Kleine Bühne

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