Der Basler Zitral ist 32, rappt seit 20 Jahren, hat vor 7 Jahren ein Album angekündigt, das er nun endlich veröffentlicht.
Zitral weiss genau, was er will. Sein Bier etwa will er im Becher und nicht als Stange. Und Rap will er funky, mit Soul und sattem Basslauf.
Von dieser Sorte gab es in den letzten Jahren zu wenige, findet der 32-Jährige, der bürgerlich Fabio Di Profio heisst und bei einer Versicherung arbeitet. Also gab er sich einen Ruck und hat jetzt endlich sein erstes Soloalbum veröffentlicht – 20 Jahre, nachdem er erstmals ein Mikrofon in der Hand hielt.
«Rapmusig» galt in der Szene als Running Gag, so oft hatte Di Profio den Veröffentlichungstermin hinausgeschoben. Erstmals angekündigt wurde das Album 2007. Wer später danach fragte, bekam jeweils zu hören, «das kommt dann nächstes Jahr.»
Di Profio nimmts mit Humor und erklärt in «Zitrale Sait Ains» gleich selbst, weshalb er sein Werk ständig auf die lange Bank geschoben hat:
«Ich erreich mini Zyyl maischtens nur uff Umwäge,
will I öfters yykehr in dr Hoffnig uff Brummschädel.»
Er hatte offensichtlich nicht nur «Ains», sondern viel zu sagen. Das Album ist mit 22 Liedern reich bestückt, nur auf vieren davon duldet Di Profio einen Gastrapper. Die Botschaft ist 22 Mal die gleiche: «Hört her, so klingt guter Rap!» Auch die Haltung ist stets die gleiche: «Ich bin der beste Rapper weit und breit!»
Zitral ist bekannt für bösen Battle-Rap. Seinen Ruf erarbeitete er sich hart, mit Auftritten auf allen Freestylebühnen dieses Landes. In seiner aktivsten Zeit gab es wohl kaum einen Deutschschweizer MC, den Zitral in der Direktbegegnung am Mikrofon nicht verbal malträtiert hat.
«Ich mach di zu Jesus durch unändliches Lyyde,
kai Vietnamveteran het Schmärze ähnlich beschryybe.» (aus «Stryttaggscht», feat. Abart)
Auf einer Bühne, vor Publikum und im Rapduell, mag das funktionieren. Aber weshalb soll man sich das zwanzigfach ab CD anhören?
«Ich bin rappender Rap-Fan, kein Aktivist oder Poet», sagt Di Profio. Er ist sich die Fragen nach seiner thematischen Einseitigkeit gewohnt. Oder wollen wir es Fokus nennen? «Was soll ich als Einwanderersohn schon gross erzählen?» Rassismus sei ihm – halb Italiener, halb Österreicher – zwar begegnet, gelitten habe er darunter jedoch nie. Zur Verbreitung politischer Botschaften fühle er sich nicht berufen, trotz überzeugtem Arbeiterethos und linkem Idealismus. Und für Räubergeschichten hatte der in Birsfelden geborene Rapper nie viel übrig.
Was bleibt, sind ein Herz für Rap, eine grosse Liebe für Funk und Soul und ein gesundes Selbstvertrauen. Aus diesen drei Zutaten bereitet Di Profio mit grossem Können seinen Sound. Mehr Handwerker als Künstler. Unprätentiös und ehrlich. Weil er es so gut kann, hört man ihm auch gerne zu. So wie man einem guten Fernsehkoch beim Schneiden seiner Zutaten gerne zusieht. Würde Zitral nicht als Musik auf Platten-, sondern als Gericht auf normalen Tellern landen, er wäre wohl eine Portion Wurstsalat. Einfach, doch Liebhaber schwören darauf.
«Drum mach ind Luft die Ärm oder verloss dr Ruum,
widme di doch widr dim Hip-Hop-Konsum.» (aus «Nie gseh drvor»)
Womit wir bei der zweiten Leidenschaft Di Profios angekommen wären, dem Kochen und Essen. Er nennt ein «Sous-vide»-Gerät sein Eigen und kocht einmal im Jahr bei sich im Garten 200 Kilogramm Tomaten zu Sugo ein. Weil ihm die industriellen Tomatensaucen zu sauer sind. Beim Essen wie bei der Musik: Wenn das Angebot nicht stimmt, weiss sich Di Profio selbst zu helfen. So wie er am liebsten zuhause isst, hört Di Profio auch ständig seine eigene Musik.
«Gehen wir dann doch einmal auswärts essen, dann richtig», sagt er. Dann lassen er und seine Freundin den Koch auftragen was die Küche hergibt. Es ist der einzige Luxus den sich Di Profio gönnt. Im Unterschied zu vielen Genrevertretern sind ihm Statussymbole egal. Turnschuhe und Trainerjäckchen trägt er aus, wie es sich für einen Arbeitersohn gehört.
«Wasser fliesst dr Rhy durab und d Zyt macht halt mol leider,
us alte geile Rapper widdr Sachbearbeiter.» (aus «…Rap tönt so»)
Di Profio hält die alten Prinzipien hoch, schwört auf Rap aus den 90er-Jahren und gibt zu, dass er den Anschluss an die neuesten Entwicklungen im Genre etwas verloren hat. Wie kann man als Rapper in Würde altern? «Alte Rapper sind meist etwas peinlich. Vor allem wenn sie versuchen, die Jugend zu kopieren.» Seine Lösung: Sich selbst treu bleiben. «Wenn ich weiterhin genau die Musik mache, die ich selbst am liebsten mag, kann ich glaubwürdig bleiben», ist er überzeugt. Und Di Profio wäre nicht Zitral, wenn er nicht noch anfügen würde: «Woher sollen die Kids auch lernen, wie richtiger Hip Hop klingt, wenn nicht von uns alten Säcken?»
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Zitral «Rapmusig», erhältlich hier oder im Four Elements Store im Gerbergässlein