Der deutsche Fotograf Raphael Rapior hat bei seinem Aufenthalt im Big Apple gross gedacht: Eine mobile Ausstellung soll mit Bildern ausgesuchter Fotografen um die ganze Welt touren und Geld für soziale Projekte sammeln.
Ein Fotograf verkauft seine Kamera. Und das kurz vor seiner ersten Ausstellung in New York.
Das kam so: Raphael Rapior, 28, erreichte nach einer langen Reise die USA, doch für Druck und Transport seiner Fotos fehlte ihm das Geld. Also löste er sich von allem, was ihm lieb war. «Eine Kamera würde ich mir wieder kaufen können. Die Gelegenheit, in New York auszustellen, war einmalig», sagt Rapior.
Seine ersten beiden Ausstellungen hatte der gebürtige Deutsche in Basler Bars: die erste im ehemaligen «Eo ipso», die zweite im «Hinterhof». Mit seiner dritten Ausstellung im Sommer 2015 schaffte er den Sprung nach New York, in die Infinito Art Gallery, Lower Manhattan.
Freude am Schenken und Teilen
«Ich wurde in die Künstlerszene der Grossstadt hineingeworfen», erzählt Rapior, ein schlanker, grosser Mann mit leiser Stimme. Er lernte das Networking, sich zu präsentieren, seine Kunst zu verkaufen. Eine lehrreiche Zeit, doch etwas störte ihn: «Nur ein ausgewähltes Publikum besuchte die Ausstellung, aber Kunst sollte für alle zugänglich sein.» Eines Tages nahm er seine Bilder, fixierte sie auf einem tragbaren Würfel und platzierte sie auf dem Union Square. Studenten, Arbeitslose, Manager, Touristen – ein bunteres Publikum findet sich wohl nirgendwo sonst.
Rapior ging es dabei nicht nur darum, sein Publikum zu erweitern. Er wollte auch einen Teil des Erlöses in soziale Projekte fliessen lassen. Die Idee fand Anklang, viele spendeten, auch ohne zu kaufen. «Ich war überwältigt», erinnert er sich. Die Idee der Keiyo-Gallery war geboren.
Keiyo heisst auf japanisch so viel wie «die Freude am Schenken und Teilen». Rapiors Prinzip: Kunst soll allen zugänglich sein und eine Veränderung bewirken. Voraussichtlich im März will er die mobile Keiyo-Gallery auf einem öffentlichen Platz in Basel einweihen, bevor sie um die ganze Welt ziehen soll. Nach Paris, London oder Tokio, immer auf zentralen Plätzen, wo sich möglichst viele Menschen tummeln. Dabei stellt er nicht nur eigene Werke aus, sondern auch Arbeiten anderer Künstler.
«Die Augen müssen scharf sein», sagt Rapior. Durch sie entstehe emotionale Nähe und eine Verbindung zum «Fremden».
Eine schöne Plattform. Reich werden die Fotografen damit allerdings nicht: Gerade einmal 17 Prozent eines verkauften Bildes gehen an die Künstler, 33 Prozent fliessen in die Galerie, 50 Prozent an ein ausgewähltes soziales Projekt, etwa an das SOS-Kinderdorf. «Es müssen Künstler sein, denen soziales Engagement wichtig ist», erklärt Rapior.
Noch ist er auf der Suche nach besonderen Fotografen, die in der Keiyo-Gallery ausstellen wollen, dafür ist er sogar nach Kuba gereist. Interessierte können sich auch auf der Website bewerben, die März offiziell online geht. Bis dahin wird er die Wände mit seinen eigenen Bildern schmücken. Diese stammen aus seiner Serie «In Shivas Shadows», die er damals in New York ausstellte: Porträts im Riesenformat, drei mal zwei Meter gross. Indische Gesichter, fotografiert in Schwarzweiss, blicken den Betrachter eindringlich an. «Die Augen müssen scharf sein», sagt Rapior. Durch sie entstehe emotionale Nähe – genau das, was Rapior mit seiner Kunst vermitteln will: eine Verbindung zum «Fremden».
Jobben für die Leidenschaft
Geprägt wurde dieses Interesse durch seinen kleinen Bruder: Wegen einer geistigen Behinderung hat dieser Mühe, seine Emotionen zu benennen. Rapior musste lernen, sie in dessen Gesicht zu lesen. Das versucht er bis heute: Emotionen in Menschen lesen, einfangen und verbreiten. «Meine Porträts sollen dem Betrachter ein Spiegel sein», sagt er. Sein Drang, durch Kunst die Welt zu verändern, ist gross. Als Referenzen nennt er Namen wie Gandhi oder Bob Marley. «Sie haben gezeigt, dass man seine Zeit auf Erden auch anders nutzen kann», sagt Rapior.
Damit er nicht gezwungen ist, von seiner Leidenschaft zu leben, jobbt er nebenher. Mal auf dem Bau, mal in einem Heim für Menschen mit Behinderung. Aber meistens steht er hinter einer Bar, etwa im «Hinterhof» oder in der Markthalle.
Für ihn ein guter Ausgleich: «Ich will keine Marketing-Maschine sein.» Seine Barjobs haben ihn von Freiburg überhaupt erst nach Basel gebracht, lange arbeitete er als Barchef im ehemaligen «Eo ipso». Wirklich zu Hause fühlt er sich hier allerdings nicht. «Mich zieht es immer weg», gesteht er. Im April soll es wieder losgehen. Mit im Gepäck: die mobile Galerie.