Reform treibt Lehrer in die Frühpension

Mehr als die Hälfte aller über 60-jährigen Lehrerinnen und Lehrer im Baselbiet lässt sich auf einen Schlag vorzeitig pensionieren. Damit packen die Lehrer die Gelegenheit, neuen, schlechteren Bedingungen zuvor zu kommen.

Um noch von den alten, besseren Bedingungen profitieren zu können, lässt sich der Hälfte der über 60jährigen Baselbieter Lehrerinnen und Lehrer frühpensionieren. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Mehr als die Hälfte aller über 60-jährigen Lehrerinnen und Lehrer im Baselbiet lässt sich auf einen Schlag vorzeitig pensionieren. Damit packen die Lehrer die Gelegenheit, neuen, schlechteren Bedingungen zuvor zu kommen.

An der Primarschule Reinach lässt sich jede achte Lehrerin respektive Lehrer frühpensionieren. Die Hälfte der insgesamt 14 Frühpensionierten hat ihren letzten Schultag bereits hinter sich. Der Rest hat angekündigt, auf Ende des Schuljahrs aufzuhören, im Sommer 2014. Zwar würden die permanenten Veränderung und die rasante Entwicklung im Bildungswesen manch älterer Lehrerin und manch älterem Lehrer zu schaffen machen, sagt Schulleiter Johannes Schiesser. Doch der Grund für den Aderlass liegt woanders: bei der Reform der Basellandschaftlichen Pensionskasse.

Diese muss nach der Vorgabe des Bundes neu aufgestellt werden und sich spätestens ab 2015 selbst finanzieren. Das heisst für die Versicherten: Leistungen werden abgebaut. Wer sich frühpensionieren lassen will, der muss nach der Reform rund ein Jahr länger arbeiten, um eine vergleichbare Pension zu bekommen. So die Faustregel.

Nicht nur in Reinach haben die über 60-jährigen Lehrerinnen und Lehrer ihre Rente berechnen lassen, Konsequenzen gezogen und sich umgehend frühpensionieren lassen. Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen machten es ihnen gleich: Die Hälfte aller Lehrerinnen und Lehrer, die sich frühpensionieren lassen konnten, haben dies auf einen Schlag auch gemacht. Per Ende April kündigten 172 Lehrkräfte, die es zusammengenommen auf 118,42 Vollzeitstellen brachten.

Zweieinhalb mal so viele Frühpensionierungen

Zum Vergleich: Beim Bund liessen sich im letzten Jahr 472 Angestellte frühzeitig pensionieren. Dies entspricht einem Fünftel aller, die sich hätten frühpensionieren lassen können. Im Baselbiet ist der Anteil im laufenden Jahr zweieinhalb Mal so gross. Dass die Lehrer vorgeprescht sind, hat mit ihren speziellen Anstellungsbedingungen zu tun. Kündigen können Sie auf Schuljahrsende oder Semesterwechsel. Über 60-jährige Lehrer, die ganz sicher sein wollten, dass sie noch von den alten, besseren Bedingungen profitieren können, mussten deshalb bereits im April auf das Schuljahresende kündigen. Denn der Semesterwechsel ist erst im Januar 2014. Wäre die Pensionskassenrerform auf den 1. Januar 2014 in Kraft getreten, wäre es schon zu spät gewesen für die Lehrer, um noch von der alten Regelung profieren zu können. Bildungsdirektor Urs Wüthrich, der die Betroffenen darauf aufmerksam machte, sorgte für einigen Wirbel. Inzwischen ist zwar klar, dass die Zeit nicht mehr reicht, um die Sanierung bereits auf den 1. Januar 2014 umzusetzen. Doch spätestens auf Anfang 2015 müsste die Reform gemäss Vorgabe des Bundes in Kraft treten.

Roland Plattner, Generalsekretär der Bildungsdirektion, zeigt sich trotz der Kündigungswelle gelassen: «Dass sich so viele Lehrerinnen und Lehrer frühpensionieren lassen, liegt in der Bandbreite unserer Erwartungen. Massnahmen drängen sich deswegen nicht auf. Der aktuelle Stellenmarkt erlaubt es, die freiwerdenden Stellen bedarfsgerecht wieder zu besetzen.» Ähnlich tönt es beim Personalamt.

30’000 Lehrer kommen ins Pensionsalter

Ganz anders sieht es Beat Zemp, Präsident des Schweizerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Er betont, dass gemäss Studien in den nächsten zehn Jahren 30’000 Lehrerinnen und Lehrer der Babyboomer-Generation pensioniert würden. Wenn sich jetzt im Baselbiet auch noch auf einen Schlag die Hälfte der über 60-Jährigen frühpensionieren lasse, sei das zwar isoliert betrachtet nicht dramatisch, verschärfe aber den Lehrermangel zusätzlich.

Als Beispiel für die immer schwierigere Suche nach geeigneten Lehrerinnen und Lehrern nennt Zemp das Gymnasium Liestal, an dem er selbst seit 35 Jahren unterrichtet: Von den gut ein Dutzend aufs neue Schuljahr angestellten Lehrerinnen und Lehrer stamme die Hälfte aus dem Ausland. An den Primarschulen ist die Situation zwar noch komfortabler, aber auch hier spüren die Schulleitungen bereits die Folgen der vielen Frühpensionierungen. «Wir bekommen drastisch weniger Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen», sagt Schulleiter Johannes Schiesser. Erst während der Sommerferien konnte die Schule die letzten freigewordenen Stellen wieder besetzen. Für ein Kleinpensum von ein paar Lektionen hat die Schulleitung aber immer noch niemanden gefunden.

Lesen Sie in der nächsten Wochenausgabe der TagesWoche, die am Freitag, 15. August erscheint, über den nächsten drohenden Aderlass bei den Baselbieter Staatsdienern.

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