Reform treibt Staatsdiener in die Frühpension

Die Hälfte der über 60-jährigen Lehrer und Lehrerinnen im Baselbiet lässt sich auf einen Schlag frühpensionieren. Der Verwaltung droht ein ähnlicher Aderlass.

So früh wie möglich in Rente – viele Baselbieter Lehrer fliehen rechtzeitig vor der Sanierung der Pensionskasse. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Hälfte der über 60-jährigen Lehrer und Lehrerinnen im Baselbiet lässt sich auf einen Schlag frühpensionieren. Der Verwaltung droht ein ähnlicher Aderlass.

Noch ist die im September angesetzte Volksabstimmung zur Sanierung der Baselbieter Pensionskasse nicht über die Bühne, da haben viele Staatsangestellte bereits reagiert: 172 über 60-jährige Lehrerinnen und Lehrer (die zusammen die Hälfte der Stellenprozente dieser Altersgruppe besetzen) haben per Ende April gekündigt und sich frühpensionieren lassen. Dies bestätigt die Baselbieter Bildungsdirektion auf Anfrage der TagesWoche.Damit reagieren die Lehrer als Erste der Staatsangestellten.

Zum Vergleich: Beim Bund lassen sich in einem gewöhnlichen Jahr wie 2012 ein Fünftel der über 60-jährigen Angestellten frühpensionieren. Bei den Baselbieter Lehrerinnen und Lehrern sind es auf einen Schlag zweieinhalb Mal mehr. Grund: Eine Pensionierung zu den alten Bedingungen lohnt sich. Als Faustregel für Baselbieter Kantonsangestellte gilt: Wer sich nach der Reform frühpensionieren lässt, wird für die gleiche Rente ein Jahr länger arbeiten müssen. Die Bildungsdirektion und das Personalamt beschwichtigen zwar, man habe bei den Lehrern mit so vielen Abgängen gerechnet. Doch bereits droht der nächste Aderlass bei den Kantonsangestellten: im mittleren und oberen Kader.

Es ist kaum anzunehmen, dass sich diese sehr viel anders verhalten werden als die Lehrerinnen und Lehrer. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass beim Kanton im Vergleich zur Privatwirtschaft sehr viele ältere Jahrgänge eine Kaderfunktion innehaben. Zudem kommen jetzt die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge ins Frühpensionsalter.

Wer sichs leisten kann, geht

Matthias Scheurer, Regionalsekretär beim Verband des Personals öffentlicher Dienste (vpod) Basel, rechnet mit einem Aderlass beim gesamten Staatspersonal: «Viele, die mindestens so gut verdienen wie Lehrerinnen und Lehrer und es sich leisten können, werden sich auch noch zu den alten Bedingungen frühpensionieren lassen. Damit droht ein grosser Knowhow-Verlust.»

Bei tieferen Einkommen werde die drohende Verschlechterung der Bedingungen für eine Frühpensionierung hingegen kaum durchschlagen. Denn diese Angestellten könnten sich eine Frühpensionierung mit entsprechender Rentenkürzung meist gar nicht leisten.

Nach der Reform arbeitet man für die gleiche Rente ein Jahr länger.

Dass die Lehrerinnen und Lehrer vorgeprescht sind, hängt mit ihren speziellen Anstellungsbedingungen zusammen: Kündigen können sie auf Ende Schuljahr oder Semesterwechsel. Über 60-jährige Lehrer, die ganz sicher sein wollten, dass sie noch von den alten, besseren Bedingungen profitieren können, mussten deshalb bereits im April auf das Schuljahresende kündigen. Denn der Semesterwechsel ist erst im Januar 2014.

Inzwischen ist zwar klar, dass die Zeit nicht reichen wird, um die Reform bereits auf den 1. Januar 2014 umzusetzen. Doch spätestens auf Anfang 2015 müsste die Reform in Kraft treten. Für Staatsangestellte mit gewöhnlichen Arbeitsverträgen drängt deshalb die Zeit weniger als bei den Lehrern. Sie können sich mit der Frühpensionierung noch Zeit lassen bis nächstes Jahr.

Damit droht der Aderlass, der bei den Lehrerinnen und Lehrern schon stattgefunden hat, bei den übrigen Staatsangestellten zeitversetzt im nächsten Jahr. Potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten gibt es genug: Nächstes Jahr könnten sich gemäss Auskunft des kantonalen Personalamtes insgesamt exakt 888 Angestellte vorzeitig pensionieren lassen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.08.13

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