Emil ist zurück, mit dem Comeback-Programm «No einisch!». Im Theater Fauteuil kombiniert der 82-jährige Kabarettist Klassiker wie die Bahnfahrt durch den Gotthard mit neuen Nummern. Dabei wirkt er politischer denn je und schont sich nicht. Drei Stunden Programm sind am Ende aber doch etwas des Guten zu viel.
Grau kann so lustig sein! Denn er ist wieder zurück: Emil, das Grautier unter den Schweizer Bühnenfiguren, dieser schusselige, facettenreiche Typ, der helvetische Manierismen so wunderbar auf den Punkt gebracht hat. Damit trug Emil Steinberger, der Schöpfer der Figuren, in den 1970er- und 1980er-Jahren zur geistigen Landesvereinigung bei. Wer hat noch nie über Polizist Schnyder gelacht oder über Nationalrat Burz?
Emil also ist zurück, das Haar zwar weisser, aber ansonsten merkt man ihm nicht an, dass er seine Figur vor 25 Jahren – nach der «Füürobig»-Dernière – in Rente geschickt hatte. Warum er es noch einmal mit einem abendfüllenden Programm wissen will, hat er bereits im grossen Sommergespräch verraten: Weil so viele (noch) einmal die Emil-Klassiker live erleben möchten.
Bleibt die Frage: Wie ist es denn, das Comeback?
Die Antwort: Grossartig, eindrücklich, nostalgisch.
Die Klassiker treffen ins Herz – und aufs Zwerchfell
Emils Comeback steht für die Rückkehr der alten Schule. Für erstklassige Mimik, Gestik und zeitlose Gesellschaftssatire. Dessen wird man sich bei der Premiere im Theater Fauteuil bewusst, etwa wenn er die Generalversammlung eines Vereins parodiert – eine Nummer, die man heute noch an einer GV als Realsatire erleben könnte, vom Protokollar Max (dessen Name Emil 2015 nicht mehr erwähnt – solche feinen Nuancen machen den Unterschied zu den bekannten Albumversionen aus) bis zum Gastreferenten Herr Doktor.
Zeitlos sind auch Nummern wie der Jasstisch oder die Polizeihauptwache. Emil hat die Charaktereigenschaften unserer Gesellschaft perfekt absorbiert und sie mit feinster Satire angereichert. Damit trifft er noch immer ins Herz der Schweiz – und ins Zwerchfell der Schweizerinnen und Schweizer.
Zeitlos lustig: seine Parkanweisungen und Bahnfahrten
Weitere grossartige Momente? Wenn er sich den Hut aufsetzt und als Beifahrer Parkanweisungen gibt. Herrlich, wie er darin das alte Patriarchat parodiert. Oder wenn er sich den Stumpen zwischen die Lippen klemmt, aus dem Fenster gafft und das nachbarschaftliche Treiben kommentiert. Um am Ende die Fensterläden zu schliessen, denn: «Es git jo Lüüt, die händ nüt anders z’tue als de andere i d’Wohnig inezluege!»
Und dann ist da natürlich auch die Zugfahrt durch den Gotthard, gespickt mit herrlichen «Français fédéral»-Kreationen: «Regardez la l’église!» etwa, oder «Vous-de-vous-de-vous-venez-vous?» Wie viele typische Schweizer Eigenschaften er doch allein in dieser Nummer vereint hat: die Pünktlichkeit, das Réduit, die Reisefreude, den Tourismus, die SBB, den Tunnelbau, die Maienkäfer und … das Fenjal!
Dass sich die Zug-Fensterscheiben heute nicht mehr öffnen lassen und der Feinstaub draussen bleibt – Detail. Auch dass es kein Telegrafenamt mehr gibt, spielt keine Rolle, denn Emils Humor ist so charmant wie eh und je. Und seine Gabe, zu beobachten und Anekdoten zu erzählen, ist noch immer bewundernswert – auch wenn er mittlerweile aus der Optik eines älteren Herrn neue Phänomene wie Apps oder Drohnen mitverfolgt.
Emil verneigt sich vor einem eigenen Idol
Ja, richtig gelesen: Denn was die Zuschauer im ausverkauften Kellertheater erleben, ist nicht nur eine Nummern-Revue. Er reichert seine Klassiker auch mit sympathischen, amüsanten Anekdoten aus seinem Leben an – und knüpft damit an seine komödiantischen biografischen Lesungen an.
Grüezi! (Bild: U. Hersperger)
Zugleich verneigt er sich in «No einisch!» auch vor einem eigenen Idol: Renward Wyss (1927–2014), der die St. Galler Kabarett- und Kleintheaterszene prägte und für Emil Nummern textete. Emil ruft ihn in Erinnerung, indem er Wyss‘ Stück «Der achte Bundesrat» auf die Bühne bringt, eine Nummer, die 50 Jahre alt ist – und die die Politik ins Zentrum rückt; deren Apéro-Freudigkeit wie auch ihre falschen Versprechen.
Politische Seitenhiebe
Apropos Politik: Tatsächlich ist Emil im Jahr 2015 politischer denn je, auch wenn er an diesem Abend auf seinen herrlichen Klassiker, den «Wahlverlüürer», verzichtet. Dafür mokiert er sich über die Flexibilität der Bundesräte, die gleich nach ihrer Wahl ein Departement übernehmen können, egal ob es die Finanzen sind oder der Sport. Andere würden für solche Fachkundigkeit jahrelang Ausbildungen machen. Auch alt Bundesrätin Ruth Metzler, die im Premierenpublikum sass, hat mitgelacht.
Einen anderen alt Bundesrat veräppelt er, indem er ihn den Schweizer Blooggeischt nennt. Und gesellschaftspolitische Themen wie die Rückkehr des Wolfs im alpinen Raum kombiniert Emil wortverliebt mit den schwarzen Schafen, die der Blooggeischt reissen möchte. Er, der ehemalige Postbeamte, lässt zudem Kritik an der Schweizer Post und deren Chefin anklingen.
Zuguterletzt nimmt er auch den Schweizerpsalm aufs Korn, indem er den mit Pathos durchtränkten altmodischen Text zitiert und bei «Seh ich Dich im Strahlenmeer» Assoziationen mit Gösgen heraufbeschwört.
Erschlagen von der Hitze und der Überlänge
Dass er sich an neue Nummern heranwagt, ist keine Selbstverständlichkeit. Emil könnte mit einer Best-of-Revue locker abräumen. Stattdessen lädt er sich ein Monster-Programm auf, seine Frau Niccel, die ganz unprätentiös als Bühnenassistentin wirkt, lässt ihn in einer Umbaupause dezent wissen, wie sehr er gerade die Zeit überschreitet.
Die 3-Stunden-Marke vor Augen, offenbart Emil, dass er sich wohl ein bisschen verschätzt habe und eigentlich noch so viele Nummern spielen möchte. Müde wirkt er nicht, im Gegenteil, der Mann hat eine bewundernswerte Bühnenpräsenz und Energie. Wohl aber sind wir ein bisschen erschlagen, von der Hitze im Saal, von der Überlänge im Programm. Und in der zweiten Hälfte lässt auch die Dramaturgie etwas nach.
Wo soll Emil kürzen? Vielleicht müsste «Hardy» nicht sein, der antiautoritär (v)erzogene Junge. Sicher lassen sich einige neue Stücke und Übergänge noch straffen, sei es «die Briefmarkensammlung», «das Sparschwein» oder «der Laubbläser».
Dass Emil jetzt erst recht noch an den Details feilen wird, steht ausser Diskussion. Er ist ein Perfektionist, und nach der Premiere heisst bei ihm: vor dem Feinschliff.
Wer die Resultate des Finetunings erleben möchte, muss sich sputen: Die 38 Basler Vorstellungen in diesem Herbst sind bereits ausverkauft. Das Fauteuil hat mit Emil fürs Frühjahr 2016 Zusatzvorstellungen geplant. Der Kult ist gross, die Nachfrage riesig. Einmal Emil sehen – wer möchte das nicht?