Renato Rossi und seine 22 Jahre unter jugendlichen Straftätern

Renato Rossi, Direktor des Massnahmezentrums Arxhof in Niederdorf, geht Ende Januar in Pension. 22 Jahre beschäftigte er sich mit jungen Straftätern und deren Eingliederung in die Gesellschaft. Am Mittwoch zog er Bilanz und wurde vom Baselbieter Regierungsrat Isaac Reber verabschiedet.

Renato Rossi brachte das Massnahmezentrum Arxhof zu internationaler Anererkennung. (Bild: Keystone)

Renato Rossi, Direktor des Massnahmezentrums Arxhof in Niederdorf, geht Ende Januar in Pension. 22 Jahre beschäftigte er sich mit jungen Straftätern und deren Eingliederung in die Gesellschaft. Am Mittwoch zog er Bilanz und wurde vom Baselbieter Regierungsrat Isaac Reber verabschiedet.

Basellands Sicherheitsdirektor Isaac Reber verabschiedete am Mittwoch Renato Rossi als Direktor des Massnahmezentrums für junge Erwachsenene Arxhof. Rossi habe sich die Pensionierung verdient, trotzdem gebe man ihn nicht gerne her, sagte Reber.

Während der Medienkonferenz in Niederdorf dringt immer wieder durch, dass Reber grosse Stücke auf den Noch-Leiter des Arxhofes hält. «Und nun: His Masters Voice!», sagt Reber, als er das Wort an ihn übergibt. Das sagt er im Schalk, aber dieser sitzt bekanntlich in der Brust.

Vom Ausbildungsleiter zum langjährigen Direktor

«22 Jahre – das ist mehr als lebenslänglich», scherzt Rossi, bevor er mit seinem Rückblick beginnt. Im November 1991 fand er als Ausbildungsleiter den Weg auf den abgeschiedenen Arxhof über Niederdorf. Sechs Jahre später übernahm er den Posten als Direktor. «Zuerst dachte ich, dass die Aufgabe zu gross für mich sein wird. Mittlerweile bin ich aber glücklich, dass ich die Stelle angenommen habe», sagt er.

Rossis Anspruch als Direktor: «Die Nase immer vorne haben.» So habe sich der Arxhof unter seiner Leitung stets an der Wirksamkeitsforschung von Psychologie und Neurologie orientiert, um möglichst geringe Rückfallquote der jungen Straftäter zu erreichen. Rossi konnte nach eigenen Angaben die Rückfallquote bis auf 26 Prozent* senken. Ein internationaler Topwert, in Deutschland zum Beispiel liegt sie bei knapp 80 Prozent.

Rossi setzte auf ein therapeutisches Milieu. Von den jungen Männern habe er immer gegenseitigen Respekt gefordert und gewährte ihnen dagegen ein Mitspracherecht. Ein weiteres wichtiges Element von Rossis Konzept ist die Ästhetik. Er ist überzeugt, dass «Schönheit Verhaltensänderungen bewirken kann.»

Es gab nicht nur Erfolge zu vermelden

Zwei Ereignisse trüben Rossis Arbeit. Erstens, der «Fall Carlos». Dieser löste in der ganzen Schweiz eine Debatte über die Kosten des Massnahmenvollzuges gewalttätiger Jugendlicher aus. Fortan nannte man diese Methode Kuscheljustiz. Und so richteten sich die Augen der Öffentlichkeit auf den Arxhof, wo ein Straftäter monatlich zwischen 12’000 und 15’000 Franken kostet. Die von Carlos ausgelöste Kostendebatte habe einen falschen Eindruck vom Massnahmenvollzug hinterlassen, sagt Rossi. «Man muss dabei auch bedenken, dass ein Rückfälliger Folgekosten zwischen drei und sieben Millionen Franken verursacht.»

Einen schlechteren Eindruck hinterliess aber ein anderes, viel beachtetes Verbrechen. Daniel H. ermordete 2009 nach einem vierjährigen Aufenthalt auf dem Arxhof das Au-pair-Mädchen Lucie. Nach dem Mord erklärte Rossi dem Regionaljournal Basel, dass der Fehler beim Schweizer Justizsystem zu suchen sei. Die Bewährungshelfer in der Schweiz könnten oft zu wenig schnell reagieren. Das sei jedoch vier Jahre her, die Zeiten hätten sich geändert: «Heute würde das so nicht mehr passieren.»

Ein Bündner zieht im Arxhof ein

Die Baselbieter Regierung wählte bereits im Juli 2013 einen Nachfolger. Der 51-jährige Bündner Ursicin Poltera wird nach Rossis Abgang Ende Januar als Direktor des Arxhofes amten. Poltera arbeitete bis anhin im Basler Vollzugszentrum Klosterfiechter, ein Kompetenzzentrum für offenen und alternativen Straf- und Massnahmenvollzug.

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*Die von Rossi erwähnte Rückfallquote konnte bis anhin nicht auf ihre Richtigkeit geprüft werden. Auf der Arxhof-Website ist zwar eine Studie zur Quote vorhanden, jedoch ist sie dort mit 63 Prozent wesentlich höher.

Update: Auf der Artikel-Rückseite erklärt Rossi, wie er zu den 26 Prozent kommt.

Artikelgeschichte

In einem Mail an den Autor des Artikels erklärt Renato Rossi die Rückfallquote von 26 Prozent wie folgt:

Guten Tag Herr Baldi

Zugegeben, die Studie ist komplex und schwer zu interpretieren. Wenn ich die Zahl 26% verwendet habe sind die Klienten gemeint, die die Massnahme ordentlich abgeschlossen haben und kein Verbrechen mehr begangen haben.

Auf Seite 132  istzu lesen, dass die Rückfallquote bei Insassen des Arxhof die die Massnahme ordentlich abgeschlossen haben bei 45.3 Prozent liegt. Da sind Vergehen eingerrechnet. Rechnet man nur die Verbrechen sind es noch ca 26 Prozent.

 

Freundliche Grüsse

Renato Rossi

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