Schlange stehen muss man am Strafgericht selten. Meist bleiben Richter, Verfahrensparteien und allenfalls vereinzelte Angehörige unter sich. Am Dienstagnachmittag war das anders, als sich der Basler Marc Oestreicher für eine «Diensterschwerung» verantworten musste. Vor dem Eingang haben sich über 40 Menschen versammelt. Sie alle wollen Oestreicher den Rücken stärken.
Er hatte sich im Januar vor einem Jahr in eine Polizeikontrolle eingemischt, weil diese seiner Meinung nach nur aufgrund der Hautfarbe des Kontrollierten stattgefunden hatte. Sein Vorwurf: Die Basler Polizei betreibe Racial Profiling. Weil sich die Polizisten durch Oestreichers Intervention in ihrer Arbeit behindert sahen, verpassten sie ihm per Strafbefehl eine Busse von 600 Franken. Dagegen wehrt sich dieser nun vor Gericht.
Oestreicher gehört zu einer informellen Gruppe, die sich gegen Racial Profiling engagiert. Sein Fall dient den Aktivisten nun vor allem dazu, diesem Thema Öffentlichkeit zu verschaffen. Auch wenn die Aussichten auf einen Freispruch bescheiden sind, wollen die Aktivisten den Justizapparat doch zumindest ein wenig ins Holpern bringen.
Sand im Getriebe der Justiz
Und das gelingt gleich zu Beginn, als sich herausstellt, dass weitaus mehr Besucher gekommen sind, als es Sitzplätze hat. Die Gerichtsdienerin bemüht sich, alle unterzubringen. Richter Lucius Hagemann wiederum legt Wert darauf, sich seine Ungeduld über die Verzögerungen nicht anmerken zu lassen.
Dann stört Oestreichers Verteidiger Alain Joset die Routine mit seiner ersten Wortmeldung. Er stellt den Antrag, die Verhandlung auszusetzen, um noch weitere Zeugen befragen zu können. Seiner Ansicht nach ist die Beweislage unvollständig. Diese besteht aus einem Polizeirapport sowie einer nachträglichen Konfrontationseinvernahme zwischen Oestreicher und einem der betroffenen Polizisten. Rapport und Einvernahmeprotokoll widersprechen sich dabei in hohem Masse.
So wird im Rapport etwa Oestreichers Intervention als «aufdringlich, aufbrausend und grob» dargestellt. Der Polizist in der Einvernahme bestätigt hingegen, dass Oestreicher sich zu keinem Zeitpunkt aggressiv verhalten habe.
Hautfarbe war Anlass für Kontrolle
Richter Hagemann lehnt die Anträge nach kurzer Beratung ab, sowohl Sachverhalt als auch Tatbestand seien unbestritten. Faktisch bestätigt er damit, dass die Kontrolle alleine aufgrund der Hautfarbe der betroffenen Personen stattgefunden habe. So wie es der Polizist in der Einvernahme zu Protokoll gab:
«Wir befanden uns in der Klybeckstrasse bei der Kaserne und sahen einen dunkelhäutigen Schwarzafrikaner. Wir kontrollierten ihn wegen des Verdachtes von illegalem Aufenthalt, also um seinen Status überprüfen zu können.»
Verteidiger Joset argumentiert in seinem Plädoyer nun, dass diese Personenkontrolle damit widerrechtlich gewesen sei. Von einer «Erschwerung» könne deshalb nicht die Rede sein. «In einem Rechtsstaat muss sich ein Bürger gegen widerrechtliche Amtshandlungen wehren können, ohne dafür belangt zu werden.»
Hagemann lässt sich davon nicht überzeugen. Sein Urteil steht nach einer knappen Stunde fest. Die Polizei dürfe zwar nicht einfach ins Blaue hinaus Personen kontrollieren, ein konkretes Verdachtsmoment müsse jedoch nicht bestehen. So könne die Hautfarbe durchaus Anlass für eine Kontrolle darstellen, dabei würden jedoch noch weitere Faktoren wie Uhrzeit, Ort und individuelle kriminalistische Erfahrung der Beamten eine Rolle spielen.
«Marc Oestreicher hat mit seinen Handlungen die Beamten bei der Ausübung ihrer Arbeit gestört und ihren Anweisungen keine Folge geleistet. Eine Busse von 600 Franken ist deshalb gerechtfertigt.» Bereits während der Verkündung reagieren die Zuschauer aufgebracht und müssen von der Gerichtsdienerin zur Ruhe ermahnt werden. Richter Hagemann wird mit Buhrufen eingedeckt.
Draussen vor dem Eingang halten die Aktivisten eine kurze Medienkonferenz ab. Joset und Oestreicher prüfen, ob sie das Urteil an die nächste Instanz weiterziehen wollen. Den Gang vor das Strafgericht bereut Oestreicher trotz Verurteilung nicht:
«Es war zwar sehr unangenehm, so vor Gericht zu stehen, doch ich habe viel Unterstützung erfahren. Alleine deshalb hat es sich gelohnt. Ich will alle ermutigen, es mir gleich zu tun, um der Polizei zu zeigen, dass die Öffentlichkeit hinschaut und rassistische Personenkontrollen nicht akzeptiert.»