Riehen verweist auf Plätze, die es nicht gibt

Die Riehener Kita zem Glugger betreut künftig keine Kindergartenkinder mehr. Diese sollen auf Wunsch der Gemeinde in die schuleigenen Tagesstrukturen wechseln. Doch dort gibt es zu wenig Plätze.

(Bild: Nils Fisch)

Die Riehener Kita zem Glugger betreut künftig keine Kindergartenkinder mehr. Diese sollen auf Wunsch der Gemeinde in die schuleigenen Tagesstrukturen wechseln. Doch dort gibt es zu wenig Plätze.

Keine Frage, erwerbstätigen Müttern und Vätern ist eine grosse Last genommen, wenn sie ihre Kinder während ihrer Arbeitszeit gut betreut wissen. Doch auch wenn in den letzten Jahren viele neue Kindertagesstätten geschaffen worden sind – der Bedarf ist immer noch grösser als das Angebot.

Deshalb zählt zu den Glücklichen, wer einen Platz für sein Kind gefunden hat, an dem es sich wohl fühlt. Das Ehepaar Schärer aus Riehen zum Beispiel, Eltern von zwei Buben (5 und 2 Jahre alt) und zu je 80 Prozent berufstätig, gehörten bis vor kurzem dazu. Sie glaubten, die perfekte Lösung, den idealen Ort für ihre Kinder gefunden zu haben. Im «Kinderhuus zem Glugger» in Riehen, wo der ältere Sohn seit über zwei Jahren an drei Tagen die Woche betreut wird.

Plätze für die nächsten zwei Jahre besetzt

Der jüngere, so der Plan der Schärers, sollte diesen Sommer von seiner bisherigen Kita am Wettsteinplatz ins Glugger wechseln und dann wären die Geschwister zusammen am gleichen Ort. Für diese Übergangslösung hatten sie sich entschieden, weil im Glugger Kinder erst ab zwei Jahren aufgenommen wurden. Dafür konnten die Kinder bis zum Schuleintritt dort bleiben, und wurden, wenn sie den nächstgelegenen Kindergarten «Niederholz» besuchten, dorthin begleitet und wieder abgeholt. Jedenfalls war das bislang so. Doch künftig ist alles anders.

Anfang Mai erhielten die Schärers wie alle Eltern, deren Kinder im Glugger betreut werden, einen Brief, in dem man ihnen mitteilte, dass ab dem Schuljahr 2014 keine Kindergartenkinder mehr aufgenommen würden. Grund: Die Gemeindeschulen würden nun auch Tagesstrukturen für Kindergartenkinder anbieten. Im Gegenzug könne man das Eintrittsalter von bisher zwei Jahren auf 18 Monate senken und damit einem Bedürfnis vieler Familien entgegenkommen. An und für sich keine so schlechte Idee, theoretisch. Denn tatsächlich sind vor allem Betreuungsplätze für Säuglinge und kleine Kinder äusserst rar.

Aber zum einen kam die Information über die Umstellung – zwei Wochen vor der Kindergartenzuteilung – sehr kurzfristig. Sodass die Eltern, die gerade wegen der Betreuungsmöglichkeit im Glugger auf den Kindergarten «Niederholz» setzten, keine Umteilungswünsche mehr anbringen konnten. Vor allem aber, und das ist das eigentliche Problem, erfuhren die von dieser Umstrukturierung betroffenen Eltern von der Gemeinde, dass die Tagesstrukturen im «Niederholz» für die nächsten zwei Jahre besetzt seien. Und die am Schulstandort «Wasserstelzen» geplanten seien erst 2015 bereit.

Alleinerziehende: «Meine Existenz ist in Gefahr»

Das bedeutet für die Kinder im Glugger, die diesen Sommer in den Kindergarten eintreten, dass ihnen ab nächstem Jahr kein Betreuungsplatz mehr zur Verfügung steht. Oder, wie es das Ehepaar Schärer formuliert: «Wie es dann ab Sommer 2014 weitergeht, steht in den Sternen.» Sie sind nicht die einzigen Eltern, die empört und vor allem ratlos sind, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. Eine Mutter, berichten die Schärers, habe beispielsweise die Zusage für einen Job wieder zurückziehen müssen, weil sie die Betreuung für ihr Kind nicht mehr gewährleisten konnte.

Besonders hart trifft die Umstrukturierung im Glugger eine alleinerziehende Mutter, die wegen der Schliessung des Riehener Gemeindespitals arbeitslos geworden war und sich erst vor kurzem dank einer neuen Stelle als Pflegerin von der Sozialhilfe lösen konnte. Auch ihr fünfjähriger Sohn besucht das Glugger und deshalb kämpfte sie darum, dass er dem Kindergarten «Niederholz» zugeteilt wurde.

Doch kaum hatte sie die Zusage erhalten, erfuhr sie von den Neuerungen im Glugger. Sofort stellte sie ein Gesuch um Aufnahme ihres Sohnes in die Tagesstruktur, es wurde abgelehnt. Kein Platz, hiess es. «Dieses Betreuungssystem ist eine Katastrophe», sagt sie. «Meine Existenz ist in Gefahr.» Man werde hingehalten und vertröstet, «wie sehr man darauf angewiesen ist, ist denen in den Büros vollkommen egal».

Offener Brief an Eymann

Silvia Brändli, Gründerin und Präsidentin des Fördervereins «Kinderhuus zem Glugger» ist offensichtlich selber nicht sehr glücklich über die Umstrukturierung. Die Gemeinde habe sie ihr empfohlen, sagt sie. Sie sagt «empfohlen», lässt aber durchblicken, dass sie keine andere Möglichkeit sah, als auf die Empfehlung einzugehen. «Wir sind auf die Subventionen der Gemeinde angewiesen.»

Sie hätten allerdings nicht gewusst, dass nicht genügend Plätze für die Kindergartenkinder in den Tagesstrukturen vorhanden seien. Zwar seien jetzt ein paar andere Eltern glücklich, weil sie ihre Kinder früher zum Glugger bringen könnten, sagt Brändli, aber, dass deswegen andere nun in eine Notlage geraten, das tue ihr sehr Leid.

Alex Schärer hat sich nun mit einem offenen Brief an Christoph Eymann, den Vorsteher des Erziehungsdepartements (ED) des Kanton Basel-Stadt, gewandt (siehe Hintergrund des Artikels). Eymann ist seiner Ansicht nach letztlich verantwortlich für die Betreuungssituation im Kanton und damit auch für die Umstrukturierung, weil diese nach ihren Informationen nicht nur auf der Empfehlung der Gemeinde Riehen sondern ebenso auf der des ED basiere. Beim ED war für eine Stellungnahme niemand erreichbar.

Nicht die passenden Tage

Im Gegensatz zu Gertrud Perler von der Leitung Gemeindeschulen in Riehen, die ebenfalls eine Kopie des Briefes zugestellt bekam (ihre Antwort an Schärer siehe Hintergrund des Artikels). Es stimme nicht ganz, sagt sie, dass die Tagesstrukturen die nächsten zwei Jahre ausgebucht seien. «Möglich ist, dass wir nicht die passenden Tage anbieten können.»

Die Gemeinde setze aber alles daran, weiter auszubauen und investiere sehr viel in das Gesamtkonzept der Tagesstrukturen. Für das übrigens, betont Perler, die Gemeinde selber und nicht das ED zuständig sei. Man stecke jetzt mitten in einer Aufbauphase, «da geht nicht alles von heute auf morgen, und nicht alle Bedürfnisse können sofort abgedeckt werden». Die Gemeinde tue jedoch alles, um die Eltern zu unterstützen und individuelle Lösungen zu finden.

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