Riehener Männer wollen keine Lohngleichheit

Eine Männermehrheit versenkte im Einwohnerrat den Beitritt zur Charta für Lohngleichheit, der zu regelmässigen Kontrollen verpflichtet. Den Ausschlag gab ein CVP-Mann. Aber auch zwei Frauen halfen mit.

CVP-Männer hier wie da bremsen die Lohngleichheit aus.

Diese CVP. Bremst Lohngleichheitsmassnahmen hier wie da. Hier heisst in Riehen. Da heisst in Bundesbern.

Zuerst zu Riehen: Da stimmte der Einwohnerrat am Mittwoch darüber ab, ob die Gemeinde die Bundes-Charta für Lohngleichheit im öffentlichen Sektor unterschreiben soll. Diese verpflichtet zu regelmässigen Lohnkontrollen im öffentlichen Sektor. Die SP-Einwohnerrätin Regina Rahmen hatte den Beitritt Riehens in einem Anzug gefordert. Basel-Stadt hat die Charta schon 2016 unterzeichnet.

Riehen nicht. Der Gemeinderat (Exekutive) wollte den Anzug nicht entgegennehmen und der Einwohnerrat (Legislative) folgte ihm. Den Ausschlag gab ein Mann, eben, einer aus der CVP. Und zwar Einwohnerratspräsident Christian Griss. Er durfte den Stichentscheid fällen, weil das Abstimmungsresultat 50/50 war (siehe unten, wer wie gestimmt hat).

Mitgeholfen hatte aber auch eine CVPlerin, Priska Keller, ihres Zeichens Präsidentin der CVP Riehen/Bettingen und Nachfolgerin des heutigen Einwohnerratspräsidenten, Griss.

Zuerst Ja, dann Nein. Hä?

Dass Keller gegen die Charta stimmte, überraschte. Denn sie hatte Rahmens Anzug unterschrieben, bevor diese ihn einreichte. Darin sieht Keller keinen Gesinnungswechsel: «Ich wollte eine offene Diskussion über Lohngleichheit, deshalb habe ich unterschrieben.» Zwar glaube sie schon, dass es Lohndiskriminierung von Frauen gebe. «Aber in den öffentlichen Verwaltungen ist diese minim.» Die Charta sei nur ein Papiertiger.

Statistiken sagen anderes. Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2014 zeigt: Insgesamt verdienen Frauen durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Und in der Privatwirtschaft sind die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau zwar tatsächlich grösser. Aber nur solche, die mit Faktoren wie der Hierarchiestufe oder der Ausbildung erklärt werden können. Dass etwa ein Arzt mehr verdient als eine Putzfrau, gilt nicht als Diskriminierung.

Lohnunterschiede sind in öffentlichen Verwaltungen sogar noch grösser als in der Privatwirtschaft.

Diskriminierend ist es dann, wenn Mann mehr verdient als Frau mit derselben Qualifikation im selben Job. Eine solche Diskriminierung vermutet man unter anderem hinter sogenannt «unerklärten» Lohnunterschieden, und die sind in öffentlichen Verwaltungen mit 42 Prozent aller Lohnunterschiede minim grösser als in der Privatwirtschaft (39 Prozent). Die NZZ hat deswegen sogar etwas zugespitzt getitelt: «Staat diskriminiert Frauen mehr als Private.»

Um die Privaten ging es der zweiten Frau im Einwohnerrat, die gegen die Lohngleichheits-Charta stimmte: die Freisinnige Christine Mumenthaler. Sie störte sich daran, dass die Charta die Gemeinde dazu verpflichtet hätte, auch im Beschaffungs- und Subventionswesen Lohngleichheit sicherzustellen, also bei Firmen, denen der Staat Aufträge oder Subventionen gibt.

«Das geht mir gegen den Strich», sagt Mumenthaler. «Wie soll man das bei Betrieben aus der Privatwirtschaft kontrollieren? Das schafft nur unnötigen bürokratischen Mehraufwand.» Ausserdem schliesse das Entlöhnungskonzept der Gemeinde Riehen Diskriminierung beim Lohn aus, wie der Gemeinderat bereits in seiner Antwort auf eine Interpellation zum selben Thema ausgeführt habe.

CVP-Ständerat weist Lohnanalysen zurück

Und jetzt zu Bern: Während also Priska Keller in Riehen die Lohnungleichheit als ein vernachlässigbares Problem sieht, bremste ein CVP-Mann am gleichen Tag auf nationaler Ebene Gleichstellungsmassnahmen aus. In Bern hätte der Ständerat über Massnahmen für die Lohngleichheit diskutieren sollen. Der Vorschlag: Unternehmen mit über 100 Angestellten sollen den Aktionären und Mitarbeitern alle vier Jahre Rechenschaft über die Löhne abgeben.

Doch der Luzerner Konrad Graber stellte kurzerhand, und ohne seine Kolleginnen vorab zu informieren, einen Rückweisungsantrag. Graber sprach zwar klar von «Handlungsbedarf», will aber lieber etwas anderes. Andere Massnahmen, Selbstdeklaration, zum Beispiel. Wie genau, ist unklar. Das Geschäft ist jetzt wieder für ein paar Monate bei der Kommission.

Diese CVP.

Folgende Riehener Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte stimmten Nein:

  • Keller Priska (CVP)
  • Griss Christian (CVP). Entschied die Abstimmung per Stichentscheid.
  • Huber Patrick (CVP)
  • Nill Dieter (FDP)
  • Rutschmann Eduard (SVP)
  • Stalder Ernst G.(SVP)
  • Ueberwasser Heinrich (SVP)
  • Mark Peter (SVP)
  • Vogt Peter A. (SVP)
  • Wehrli Felix (SVP)
  • Meidinger Christian (SVP)
  • Messerli Pascal (SVP)
  • Mumenthaler Christine (FDP)
  • Liederer Daniel (FDP)
  • Wenk Daniel (FDP)
  • Zappalà Andreas (FDP)
  • Zinkernagel Peter (LDP)
  • Lüthi Hans Rudolf (LDP)

Folgende Einwohnerräte enthielten sich:

  • Bezençon Olivier (GLP)
  • Widmer-Huber Thomas (EVP)

Folgende Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte stimmten Ja:

  • Schultheiss Claudia (LDP)
  • Strahm Thomas (LDP)
  • Hettich Daniel (LDP)
  • Moor David (EVP)
  • Merz Alfred (EVP)
  • Sollberger Jürg (EVP)
  • Schachenmann Caroline (EVP)
  • Rahmen Regina (SP)
  • Engeler-Ohnemus Roland (SP)
  • Oehen Heinz (SP)
  • Gysel Matthias SP)
  • Hazenkamp Marianne (Grüne)
  • Roth Franziska (SP)
  • Leschhorn Strebel Martin (SP)
  • Lötscher Roland (SP)
  • Mazzotti Sasha (SP)
  • Mühlemann Thomas (Grüne)

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