Wer Solarstrom produziert, kann in Basel-Stadt sein Dach vergolden und im Kanton Bern Pleite gehen. Denn bei der Vergütung herrscht lokale Willkür.
Heute erzeugen in der Schweiz rund 70’000 Fotovoltaik-Anlagen Strom und speisen einen grossen Teil davon ins lokale Verteilnetz ein. Dafür erhalten die Besitzer eine Vergütung.
Diese schwankt je nach Tarifform und Region zwischen neunzig und weniger als vier Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Somit ist der höchste Einspeisetarif mehr als zwanzig Mal so hoch wie der tiefste.
Die grosse Tarif-Willkür
Bis zu 90 Rappen beträgt die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) des Bundes für Fotovoltaik-Anlagen auf Hausdächern und andern Gebäudeteilen, die schon vor 2010 erbaut wurden und ins erste KEV-Kontingent fielen. Weil Solarpanels billiger wurden, hat der Bund diese KEV kontinuierlich gesenkt; für neue Anlagen bewegt sich die Vergütung heute zwischen 13 und 16 Rappen/kWh.
Der Bund garantiert diese Vergütung während 20 bis 25 Jahren. Damit kann der Ertrag langfristig kalkuliert werden, und die Investition lässt sich damit amortisieren und lukrativ verzinsen.
Der Haken daran: Nur eine Minderheit (heute 12’000 Anlagen) konnte und kann sich eine KEV ergattern. Denn das Fördergeld ist begrenzt. Darum besteht eine lange Warteliste. Zudem gibt es für die am meisten verbreiteten Kleinanlagen seit 2014 gar keine KEV mehr, sondern nur noch eine «Einmalvergütung»: einen Investitionsbeitrag von maximal 30 Prozent.
Die meisten Solarstrom-Produzenten sind somit abhängig von der Vergütung ihres regionalen oder lokalen Elektrizitätswerks (EW). Und hier beginnt die grosse Tarif-Willkür (siehe Tabelle). Das illustrieren beispielhaft die Berner BKW Energie AG und die Industriellen Werke Basel-Stadt (IWB).
Mit einem Klick auf die Grafik gelangen Sie zum Vergütungsvergleich unter den grössten 30 Elektrizitätswerken, den der Verbands unabhängiger Energieproduzenten (Vese) auf seiner Webseite veröffentlicht. (Bild: Screenshot vese.ch)
Bei der BKW und den IWB handelt es sich um vertikal integrierte Elektrizitätswerke, das heisst: Sie produzieren Strom in eigenen Kraft- und Partnerwerken, treiben damit Handel und verteilen einen Teil bis zu den Steckdosen in ihren regional begrenzten Versorgungsgebieten.
Top in Basel-Stadt…
Die Gleichheit endet bei den Einspeisetarifen, welche die Werke ihren Solarstrom-Produzenten zahlen, aber auch bei den Liefertarifen an ihre im Monopol gefangenen Kleinverbraucher.
Wer in Basel-Stadt eine Fotovoltaik-Anlage betreibt und den gesamten Solarstrom ins Netz der IWB einspeist, erhält heute tagsüber bis 14.30 Uhr den Spitzentarif von 31,6 Rappen pro kWh, in der übrigen Zeit den Hochtarif von 21,1 Rappen/kWh. Wer einen Teil seines Stroms selber verbraucht, erhält für den eingespeisten Überschuss eine einheitliche Vergütung von 23 Rappen/kWh.
Damit können Basler Stromproduzenten ihre Dächer vergolden, denn die Produktionskosten von neuen Fotovoltaik-Anlagen liegen deutlich unter diesen Tarifen. Allerdings ist fraglich, ob Basel noch lange so grosszügig bleibt. «Der Einspeisetarif befindet sich momentan in Überarbeitung», teilt IWB-Sprecher Erik Rummer auf Anfrage mit und ergänzt: «Wir gehen von einer deutlichen Absenkung aus.»
… Flop im Kanton Bern
Im Reich der Berner BKW erhalten Produzenten seit 2017 eine Vergütung von einheitlich 4 Rappen pro kWh, nachdem sie im Vorjahr in der Hochtarifzeit (tagsüber) dafür noch 9,8 Rappen kassierten. Zwar konnten Solarstromproduzenten bisher einen Mehrwert von 4,5 Rappen/kWh erzielen, wenn sie der BKW den sogenannten Herkunftsnachweis (HKN) für ihren Solarstrom mit verkauften. Denn dieser HKN erlaubt der BKW, den zertifizierten Solarstrom unter der Marke «Energy Green» teurer weiterzuverkaufen.
Doch die Nachfrage nach «Energy-Green» ist gedeckt. Darum landen HKN-Anbieter im BKW-Gebiet heute auf einer Warteliste. Für neue Solarstromproduzenten im BKW-Gebiet fällt damit dieser Öko-Bonus weitgehend weg.
Berner Kleinverbraucher werden geschröpft
Politisch stiess der massive Tarifabschlag im Kanton Bern und andern Regionen auf viel Protest. Rechtlich lassen sich tiefe Tarife für Solarstrom zwar bei der Aufsichtsbehörde Elcom anfechten, aber nur in engem Rahmen. Denn im nationalen Energiegesetz steht:
«Die Vergütung (des eingespeisten Stroms) richtet sich nach den Kosten, die bei einer Beschaffung für gleichwertige Energie am Markt anfielen.»
Der Marktpreis für Bandstrom an der europäischen Strombörse (Swissix), den die BKW als Massstab nimmt und dem Schweizer Solarstrom gleichsetzt, betrug im Schnitt des Jahres 2016 just 4 Rappen/kWh; er stieg in den letzten vier Monaten allerdings auf 6 bis 8 Rappen.
Wirtschaftlich fragwürdig ist, dass die BKW den Strom an ihre im Monopol gefangenen Kleinverbraucher viel teurer verkauft, als sie für den eingespeisten Solarstrom bezahlt. So beträgt der BKW-Monopoltarif für einen Durchschnittshaushalt tagsüber (wenn Solaranlagen produzieren) 10,4 Rappen pro kWh. Der mittlere 24-Stundentarif beträgt 9,4 Rappen/kWh. Diese Liefertarife ab Atom- oder Wasserkraftwerk (ohne Netzkosten) sind also zweieinhalb Mal so hoch wie die Entschädigung für Solarstrom. Das heisst: In ihrem Monopol schröpft die BKW sowohl Solarstrom-Lieferanten als auch Kleinverbraucher, um allfällige Verluste im Markt zu kompensieren.
Tendenziell sinkende Vergütungen
Die Einspeisetarife der IWB und der BKW markieren die Extreme unter den grossen Schweizer Stromverteilern. Grosse Differenzen, oft in unmittelbarer Nachbarschaft, findet man aber auch bei kleinen kommunalen Energieversorgern. Im bündnerischen Arosa etwa erhalten Besitzer von Fotovoltaik-Anlagen ohne Eigenverbrauch 20, mit Eigenverbrauch 15 Rappen pro kWh eingespeisten Solarstrom, während das benachbarte EW Davos den eingespeisten Strom (ohne HKN) einheitlich mit nur 3,6 Rappen/kWh vergütet.
Der «gewichtete Mittelwert» der Schweizer Einspeisetarife für Solarstrom aus kleinen Fotovoltaik-Anlagen bis 10 Kilowatt Leistung, die seit 2014 keine KEV mehr erhalten, beträgt im Jahr 2017 noch 9 Rappen pro kWh. Das ermittelte der Verband unabhängiger Energieproduzenten (Vese), der die Einspeisebedingungen der Schweizer EW erhebt und auf seiner Homepage veröffentlicht. Diese Vergütung liegt um 14 Prozent unter dem Mittelwert des Vorjahres und um 18 Prozent unter jenem von 2015.
Der mittlere Einspeisetarif, geschweige denn der BKW-Tarif von 4 Rappen pro kWh, reicht trotz sinkenden Preisen für Solarpanels und tiefen Kapitalzinsen nicht aus, um eine Fotovoltaik-Anlage innert 20 Jahren zu amortisieren. «Da wundert es nicht, dass der Zubau in der Schweiz gebremst wird», sagt dazu Claudia Kohlschütter, Sprecherin des Berner Stadtwerks EWB, das den eingespeisten Solarstrom 2017 noch mit 10,1 Rappen und damit überdurchschnittlich vergütet, und sie fragt sich besorgt: «Können wir damit die Energiewende erreichen?»