Saallicht aus, Frauenpower ein: Basel erhält erstes Frauen-Filmfestival der Schweiz

Die Entwicklungsorganisation Iamaneh organisiert in Basel das erste Frauenfilmfestival der Schweiz. Dabei geht der lokale Bezug etwas vergessen. Ist aber nicht weiter schlimm: Das Programm bietet auch so Anlass genug für die grossen Debatten.

Frauenpower überall – dieses Wochenende vor allem im Kino.

(Bild: Illu: Hans-Jörg Walter)

Die Entwicklungsorganisation Iamaneh organisiert in Basel das erste Frauenfilmfestival der Schweiz. Dabei geht der lokale Bezug etwas vergessen. Ist aber nicht weiter schlimm: Das Programm bietet auch so Anlass genug für die grossen Debatten.

Projektor läuft, Licht geht aus, Leinwand schimmert, Bizeps spannt. Frauenstark! Basel erhält ein neues Filmfestival, das eine geballte Ladung Frauenpower auf die Leinwand wirft.

» Was wann läuft: Das Programm

Das hat noch gefehlt in der cineastischen Topografie der Schweiz: Ein Filmfestival, das sexistischen Bleistifttests den Finger zeigt und sich lieber an einem Kriterienkatalog der feministischen Popkultur misst: dem Bechtel-Test. In diesem Fragespiel werden Filme auf ihre Stereotypisierung von Frauen untersucht. Und zwar anhand von drei Fragen:

  • Gibt es mindestens zwei Frauenrollen?
  • Sprechen sie miteinander?
  • Unterhalten sie sich über etwas anderes als einen Mann?

1985 machte Alison Bechdel den Bechdel-Test in einem ihrer Cartoons bekannt. (Bild: Alison Bechdel: Dykes to Watch Out For)

Das Festival «Frauenstark!» ist eine Initiative der Entwicklungsorganisation Iamaneh Schweiz mit Sitz in Basel und findet im Rahmen der internationalen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» statt.

Sechs Filme aus verschiedenen Ländern stehen auf dem Programm, darunter Trouvaillen wie das Porträt der afghanischen «Sonita», die als Rapperin gegen ihre eigene Zwangsheirat antritt. Oder dem international vielbeachteten Drama «Mustang», welches das Leben und Aufwachsen türkischer Mädchen in beengenden, patriarchalen Strukturen thematisiert.

Die Wichtigkeit dieser Themen steht ausser Frage. Die Frage ist aber auch, ob sich die Diskussion über strukturelle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auf ferne Brennpunkte beschränken muss. In der Schweiz brauste unlängst der Hashtag #SchweizerAufschrei durch die sozialen Netzwerke und lanciert auch hierzulande eine neue Diskussion über Geschlechterfragen.

Machen es sich die Organisatorinnen nicht zu einfach, wenn sie den lokalen Bezug ausblenden und stattdessen lieber über Zwangsheirat in Afghanistan diskutieren wollen? Nach dem Motto: Fremde Welten, ferne Probleme?

Oder schleicht sich hier schon wieder ein Whataboutism zwischen die Zeilen, ein Reflex, Defizite immer gegen andere Defizite abwägen zu wollen?

Debatte erwünscht

Die Koordinatorin des Filmfestivals Anja Baier will sich den Vorwurf der Bezugsfremde nicht gefallen lassen:

«Iamaneh ist eine Entwicklungsorganisation, wir arbeiten eng mit Partnerorganisationen in Ländern wie Mali, Senegal, Togo oder auch Bosnien-Herzegowina und Albanien zusammen. Wir möchten den Fokus bewusst auf die Probleme dieser Regionen lenken, aber unsere Themen bieten genügend Anknüpfungspunkte, um auch unter lokalen, aktuellen Gesichtspunkten darüber zu diskutieren.»

Ein massgeblicher Teil der Veranstaltung soll denn auch dem Austausch und der Debatte gewidmet sein. Zwei Vorstellungen des Films «Sonita» sind Schulklassen vorbehalten, die im Anschluss mit Vertreterinnen von Iamaneh und der «Fachstelle Zwangsheirat» über Gewalt an Frauen diskutieren.

Im Anschluss an den Festivalabschluss «Mustang» diskutiert die ehemalige BastA!-Grossrätin Zeynep Yerdelen Fanti mit Maja Loncarevic (Projektverantwortliche Iamaneh) über weibliche Lebenswelten auf dem Westbalkan. Das Publikum ist eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen.

Fortsetzung unsicher

Iamaneh finanziert sich durch Zuschüsse der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, kantonalen Beiträgen, Stiftungsgelder und Spenden Privater. Trotz dieser Gelder musste sich das Festival noch Zustupf durch eine Crowdfunding-Kampagne holen.

Organisatorin Baier hofft darum auf einen erfolgreichen Launch: «Wir warten jetzt mal die Erstausgabe ab und entscheiden dann, wie es weitergeht. Ziel wäre aber, in Basel längerfristig ein Filmfestival mit Wiedererkennungswert zu etablieren.»

Dass Iamaneh nicht nur Frauenrechte thematisiert, sondern durchaus das ganze Spektrum der Genderdebatte abdecken möchte, zeigte bereits die Einladung des serbischen Theaters «Macho Men».

Aktuell gehört die Leinwand aber den Frauen. Sie werden mehr als zwei sein, sie werden miteinander sprechen und das nicht nur über Männer. Film ab!

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In Basel werden noch weitere Veranstaltungen im Rahmen von «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» stattfinden:

Freitag, 25. November, Mittags: Überraschungsstrassenaktion. «Spieglein, Spieglein an der Wand, hast du deine Rolle schon erkannt?» Mit cfd – Die feministische Friedensorganisation und Kampagnenpartner*innen

Samstag, 30. November, Kollegienhaus Unibasel, Hörsaal 115, 19:00 – 21:30 Uhr: ANGSTFREI – GEWALTFREI. Was ist die Europäische Konvention zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Convention)? Wo steht die Schweiz? Was sind die rechtlichen Fragen? Welchen Einfluss hat die Konvention auf die Praxis? Mit ZONTA Club Basel, Juristinnen Schwei, TERRE DES FEMMES Schweiz

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