Der Hof Langacker von Rebecca Streiff und Jan Wiedmer rentiert noch nicht. Trotzdem setzen die Oberdorfer Nachwuchslandwirte grosse Hoffnung auf ihre Schafe und Obstbäume – und auf die Idee einer Produktion ohne Düngemittel und Kraftfutter sowie auf wenig Maschineneinsatz.
Wer das Geschäftsmodell vom Hof Langacker verstehen will, besteigt am besten den kleinen Hügel hinter dem Stall. Denn erst mit einigen Höhenmetern lässt sich die nötige Übersicht gewinnen über die zehn Hektaren des Landwirtschaftsbetriebes oberhalb von Oberdorf im Waldenburgertal.
Doch auch aus dieser Perspektive ist es für den Laien schwer zu verstehen, wovon Kleinbauern wie Rebecca Streiff und Jan Wiedmer leben. Zwar haben beide einen Teilzeitjob, Streiff als Kindergärtnerin (50 Prozent), Wiedmer als Arbeitsagoge (20 Prozent), der für die Psychiatrie Baselland Menschen mit verminderten Arbeitsmarktchancen betreut. Doch ist es ihr erklärtes Ziel, das von Wald umgebene, langgezogene Stück Land rentabel zu machen.
Dass die kleine Schafherde, bestehend aus 14 Tieren, wohl etwas Milch und Fleisch abwirft, leuchtet ein. Und um in den 130 Obstbäumen eine Verdienstmöglichkeit zu sehen, braucht es vordergründig wenig Fantasie.
Doch was ist mit der unbestellten Fläche, die einen grossen Teil des Landes ausmacht? Und warum ist die Schafherde nicht grösser? Platz hätte es genug.
Ein beschaulicher Platz der viel Arbeit macht: Der Langacker befindet sich oberhalb von Oberdorf und ist vollständig von Wald umgeben. (Bild: Basile Bornand)
Streiff und Wiedmer sind noch nicht lange Bauern. Erst vor einem Jahr übernahm Streiff Land und Haus von ihren Eltern. Diese hatten den Betrieb zuvor schrittweise zurückgefahren, bis er vorübergehend ganz zum Stillstand kam. Einzig der Gemüsegarten wird von ihnen noch weiterbetrieben.
Als Wiedmer mit seiner Zweitausbildung zum Biobauer fertig wurde, stieg das junge Paar mit seinen drei Kindern im Langacker ein. Der Hof ist seit 30 Jahren für die biologisch-dynamische Produktion zertifiziert; dieses Qualitätssiegel konnten die Nachwuchsbauern übernehmen.
Damit hatte es sich dann aber auch schon. «Wir mussten bei null anfangen», sagt Wiedmer. Vieles lag brach, und für die frischen Waren gab es keine Abnehmer. Ideen waren gefragt.
Die beiden wollen vor allem auf drei Dinge setzen: Frischfleisch, Schafmilchprodukte und weiterverarbeitetes Obst. Und über allem steht ein Prinzip: der geschlossene Nährstoffkreislauf. Doch der Reihe nach.
Zuerst übernahmen die frisch gebackenen Landwirte von einem Nachbarn ein paar Lämmer und begannen damit, sich wieder um die alten Obstbäume zu kümmern. Schon bald stellten sie fest, wie schwierig es ist, frische, unverarbeitete Ware loszuwerden. Denn das muss gerade bei der Milch möglichst zeitnah zur Produktion geschehen, und diese Abnehmer haben Streiff und Wiedmer noch nicht gefunden. Also muss die Milch haltbar gemacht werden.
Experimente im Keller
Eine romantisch von Moos überwucherte Steintreppe führt in einen unterirdischen Keller. Wer den Kopf einzieht, steht bald vor einem Holzregal. Darauf liegen in der Dunkelheit einige Käselaiber von unterschiedlichem Reifegrad. Wiedmer besieht sich den Käse mit Stirnrunzeln und Stirnlampe. Er sei noch am Experimentieren. So müsse er etwa den Salzgehalt in seinem Schafskäse noch justieren. Auch mit der Konsistenz ist der Neukäser noch nicht vollends zufrieden. Laib um Laib tastet er sich an ein Produkt heran, das seinen Vorstellungen entspricht.
Beim Ausprobieren gehören kleinere Zwischenfälle dazu. So hat Wiedmer der Schafmilch einmal versuchsweise Kuhmilch beigefügt. «Der Laib ist aufgegangen wie ein Ballon.» Seither weiss er, dass er die Milch von Kühen, die mit Silofutter gefüttert wurden, besser von seinem Chesseli fernhält.
Obwohl ihn viele Leute auf den Käse ansprechen, die Nachfrage also vorhanden wäre, verkauft Wiedmer noch nichts. «Offiziell anbieten werde ich den Käse erst, wenn ich hundertprozentig hinter der Qualität stehen kann.»
Eine Verschwendung, bei der jedem Landwirt die Haare zu Berge stehen. Die Rechnung geht auch unternehmerisch nicht auf. Für kommendes Frühjahr will Wiedmer die Früchte nun zu Konzentrat und Konfitüre einkochen. Diese Idee löst nicht nur das Problem der Haltbarkeit. Daraus entsteht auch ein neues Produkt: Fruchtjoghurt.
Wiedmer denkt zuerst in Synergien, Rendite ist zweitrangig. Deshalb kann er sich auch nicht darüber freuen, dass er in der letzten Saison das übriggebliebene Futter (also Heu) verkaufen konnte. Lieber wäre ihm, er könnte das Heu der eigenen Wiesen auch an die eigenen Tiere verfüttern.
Jetzt will er zwei Kühe anschaffen. Die werden seine Wiesen nicht nur bis zum letzten Halm abgrasen, sondern mit ihrem Mist auch gleich noch die Böden fruchtbarer machen. Wir sind beim Stichwort «geschlossener Nährstoffkreislauf» angelangt. Die Idee einer landwirtschaftlichen Produktion möglichst ohne Zugabe von aussen. Also kein Düngemittel, kein Kraftfutter für die Tiere und geringstmöglicher Maschineneinsatz.
Wiedmer und Streiff sind überzeugt davon, dass eine solche Arbeitsweise nicht nur nachhaltiger ist, sondern auch Produkte von höherer Qualität hervorbringt. Der Aufbau dieses Kreislaufes braucht Zeit. Je runder, vollständiger und harmonischer das System Langacker funktionieren soll, desto genauer müssen die einzelnen Bestandteile aufeinander abgestimmt werden. Also kann weder die Schafherde beliebig vergrössert, noch eine Reihe alter Obstbäume ohne Weiteres aus dem Weg geschafft werden.
Die beiden stehen noch ganz am Anfang und haben bereits erste wertvolle Erfahrungen gemacht. So kamen sie etwa von der Schweinehaltung wieder ab. Diese störte den Kreislauf, weil Schweine ein proteinreiches Futter benötigen. Das nötige Eiweissmehl in Bioqualität musste Wiedmer aus Deutschland zukaufen, «was natürlich Unsinn ist».
Eine wichtige Rolle spielen im System Langacker auch die unbestellten Flächen. Was auf den ersten Blick wie eine normale Wiese aussieht, ist in Tat und Wahrheit eine artenreiche Ökofläche. Dafür gibt es Direktzahlungen vom Bund. «Wer sich in diesem komplexen Thema auskennt, kann seinen Hof richtiggehend optimieren und so namhafte Beträge erwirtschaften», sagt Wiedmer.
Ihr Ziel sei es, höchstens die Hälfte des Umsatzes über solche Direktzahlungen einzufahren, sagt Wiedmer. «Im Moment sind es wohl noch ungefähr 70 Prozent.» Nach einer arbeits- und erfahrungsreichen ersten Saison gewinne er jedoch langsam den Überblick über den Hof. Nicht nur vom Hügel aus.
Auch die Sendung «SRF bi de Lüt» war schon auf dem Langacker zu Besuch. Die Familie Streiff/Wiedmer wurde zusammen mit zwei anderen Familien in einer fünfteiligen Serie porträtiert.
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