Schidduch: Wo jüdische Singles ihr Herzblatt finden

Seit über 30 Jahren arbeitet José Weber als «Schadchen» in Frankfurt. Damit ist er der «am längsten amtierende jüdische Partnervermittler der Welt».

Marina und Stéphane haben sich über José Weber kennen und lieben gelernt.

José Weber ist der einzige jüdische Partnervermittler in den deutschsprachigen Ländern. Wer zusammenpasst, bestimmt kein Algorithmus, sondern er, Fotos legt er seinen Kunden aus Prinzip keine vor. Mit dieser Methode hat er Erfolg, nur seinen Sohn brachte er bislang nicht unter die Haube.

Für José Weber ist die Liebe sein tägliches Brot. Seit 27 Jahren verkuppelt er mit seiner Agentur «Simantov International» jüdische Männer und Frauen rund um den Globus. «Siman tov» bedeutet auf Hebräisch gutes Zeichen und ist ein Segenswunsch auf jüdischen Hochzeiten.

In Israel werden Kuppler wie José Weber «Schadchen» genannt. In der jüdischen Kultur betreiben sie seit Jahrtausenden «Schidduch», das jüdische «Matchmaking». Nach eigenen Angaben ist Weber der «am längsten amtierende jüdische Partnervermittler der Welt».

Geboren wurde José Weber 1947 im kolumbianischen Bogotá als Kind deutsch-polnischer Juden. 1961 emigrierten die Webers nach Israel. Den Vater zog es aber bald wieder zurück in die deutsche Heimat. Im Alter von 14 Jahren kam José Weber mit seiner Familie nach Frankfurt. Seit 53 Jahren ist die Stadt seine Heimat. Sein Büro in der Eckenheimer Strasse im Frankfurter Nord-End betreibt Weber seit 32 Jahren.

Schweizer Kundschaft schrumpft

Es piepst, pfeift und klingelt dort im Minutentakt. José Weber hat für Facebook, Whatsapp, Skype und E-Mails unterschiedliche Klingeltöne installiert, damit er sofort Bescheid weiss, wenn ihn Kunden kontaktieren. Die Agentur arbeitet international, mit Büros in London, Paris und Miami. Weber selbst beherrscht neben Deutsch fliessend Spanisch, Französisch, Hebräisch und Englisch. «Simantov International» gehen die Kunden nicht aus. Obwohl oder gerade weil gerade einmal 0,3 Prozent der Weltbevölkerung jüdisch ist.

Vor 15 Jahren machten Schweizer Juden ein Drittel von Webers Kundschaft aus. In den letzten Jahren schrumpfte die Zahl auf 10 bis 15 Prozent. In der Schweiz leben knapp 20’000 Jüdinnen und Juden. Einer der Gründe für den Rückgang der Schweizer Kundschaft sei die steigende Zahl der Mischehen, sagt Weber. Dafür seien die USA als jüdischer Single-Markt stark im Kommen.

Anfang der 1980er-Jahre kam der heute 67-Jährige zu «Simantov». Seine erste Ehe mit einer Israelin ging in die Brüche. Zurück blieben zwei Söhne. Verzweifelt, nie wieder eine passende Ehefrau finden zu können, wandte sich Weber an die Partnervermittlungs-Agentur Simantov, die damals noch in Strassburg von Denise Kahn betrieben wurde. So fand Weber seine zweite Ehefrau, eine russische Jüdin. 1987 übernahm er die Agentur und schmiss seinen Job als freischaffender Vermögensberater.

Weber allein bestimmt, wer wen kennen lernt. Er ist das Drehkreuz für 3000 einsame jüdische Singles, die alle Hoffnungen in ihn legen.

In einer modernen Welt hat sich José Weber eine altmodische Arbeitsweise bewahrt. Im Gegensatz zu anderen Partnerbörsen können sich seine Kunden die Profile der anderen Interessenten nicht anschauen. Weber allein bestimmt, wer wen kennenlernt. Er ist das Drehkreuz für 3000 einsame jüdische Singles, die alle Hoffnungen in ihn legen.

Von herkömmlichen Dating-Portalen, bei denen Algorithmen berechnen, welcher Partner am besten passt, hält Weber nichts. «Ich sitze nicht gerne am Computer und warte, bis mein Geld sich häuft. Ich will mit Menschen zusammenarbeiten!» Nur Suchkriterien wie Land, Sprache, Alter und das Niveau der Religiosität werden bei «Simantov» gefiltert, um die steigende Menge an Anfragen bearbeiten zu können.

Fotos sind tabu

Die Singles melden sich zunächst auf der Homepage an. Danach erhalten sie Terminvorschläge für ein Erstgespräch mit José Weber per Skype. «Ich versuche herauszufinden, wovon meine Kunden träumen. Ich weiss, wie ich sie packen muss, damit sie mit mir sprechen, als wäre ich ihr bester Freund.» Webers helle Augen glänzen, wenn er davon spricht. «Es wäre ein guter Psychiater aus mir geworden.» Er kichert und wirkt dabei etwas wieselhaft. Er möchte die Kunden so schnell wie möglich unter die Haube bringen – oder einen festen Partner für sie finden. «Wilde Ehen zu stiften ist nicht mein Ziel.» Werden Pärchen erfolgreich verkuppelt, zahlen sie Weber ein «Erfolgshonorar».

Über Preise seiner Agentur spricht José Weber grundsätzlich nicht. Nur so viel lässt er durchblicken: «Menschen haben Träume und glauben, sie können diese Träume hier für einen Appel und ein Ei kaufen.» Zehn Prozent seiner Kunden verkuppelt er ganz ohne Entgelt. Die meisten von ihnen sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die von Rabbinern angemeldet werden.

Dem ersten Gespräch folgt ein erster Partnervorschlag. Der Kunde erhält nur wenige Informationen. Den Vornamen, das Land, die Sprachkenntnisse und die Telefonnummer. Fotos sind tabu. «Die Leute sollen sich nicht vorher googeln oder auf Facebook suchen. Ein Mensch besteht aus seinen Bewegungen, seiner Art, seiner Aura.» Weber ist streng mit seinen Kunden. Er rät immer dem Mann, den ersten Schritt zu machen. «Meine Erfahrungen zeigen, dass die Frauen in der Regel umworben werden wollen.»



José Weber ist der einzige jüdische Partnervermittler in den deutschsprachigen Ländern.

José Weber ist der einzige jüdische Partnervermittler in den deutschsprachigen Ländern.

Nach einem ersten Telefongespräch verabreden sich die potenziellen Partner auf Skype. In manchen Fällen gibt Weber den Kunden auch Dating- oder Styling-Tipps. Auf Skype folgen meist persönliche Treffen. Wer unzufrieden ist mit seinem Match, teilt Weber mit, woran es ihm mangelte. Der versucht dann beim nächsten Mal einen passenderen Vorschlag zu machen.

Manchmal braucht es Zeit

Eine erfolgreiche Vermittlung dauert Monate, manchmal Jahre. Manche finden nie den richtigen Partner. Ein Kunde aus dem Elsass wartete zehn Jahre, bis er die passende Herzdame fand. Fünf Prozent der Kunden verlassen wütend oder enttäuscht die Agentur. Wie die junge New Yorkerin Alina. José Weber riet ihr, bei Dates zukünftig ihre Hornbrille zu Hause zu lassen. Ihre Augen seien zu schön, um hinter Glas versteckt zu werden. Alina verliess wütend die Agentur.

In anderen Fällen läuten aber schon nach wenigen Monaten die Hochzeitsglocken. Wie bei Marina und Stéphane. Die beiden hätten sich ohne José Webers geschicktes Händchen im wahren Leben wahrscheinlich nie getroffen. Sie stammt aus dem sibirischen Omsk, er aus Paris. Beide waren Neukunden bei «Simantov International».

Ein einziger Vorschlag von José Weber genügte und die beiden fanden zueinander. «Es war aber keine Liebe auf den ersten Blick!», erinnert sich Weber. Stéphane, 43, hatte Marina, 44, im Dezember 2012 für ein erstes Treffen nach Paris eingeladen. «Marina dachte sich: Ich habe nichts zu verlieren, im schlimmsten Fall sehe ich Paris. Erst vor Ort verliebten sie sich ineinander.»

Marina und Stéphane: in Paris hats gefunkt

«Herr Weber sagt dumme Dinge! Ich bin Marina sofort verfallen!», sagt Stéphane empört und gibt seiner Frau einen Kuss. «Als ich nach Paris kam, hatte Stéphane das Hotelzimmer mit roten Rosenblättern für mich bestreuen lassen. Es war wie im Traum», erinnert sich Marina. Schon am zweiten Tag dachte sie daran, ihn zu heiraten.

Im Juni 2013 fand die Hochzeit statt. Marina, die mit russischen Männern schlechte Erfahrungen gemacht hatte, vergöttert ihren Stéphane. «Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, ist er immer gut gelaunt und lässt nie etwas an mir aus. Er kümmert sich um mich und beschützt mich. In fast zwei Jahren Ehe haben wir uns noch nie gestritten.»

Mit 67 Jahren möchte José Weber noch nicht in Rente gehen. Trotzdem übernahm seine Kollegin Rachel als Inhaberin die Agentur. Wie Weber kam sie einst als Kundin zur Agentur. «Die Arbeit wird immer mehr zum Hobby», sagt José Weber. Trotzdem fällt es ihm schwer, die Zügel aus der Hand zu geben. «Es ist mir sehr wichtig, dass Rachel die Arbeit bald so machen kann wie ich.» Er schiebt aber gleich hinterher: «Eine Erfahrung von fast 30 Jahren kann sie natürlich noch nicht ausgleichen.»

Wenn zwei Betrüger sich finden

In 27 Arbeitsjahren wurde José Weber ein einziges Mal betrogen. Eine Frau und ein Mann aus Israel hatten durch «Simantov» zusammengefunden, ihre Beziehung aber verheimlicht, um das Erfolgshonorar zu umgehen. «Das ist kein gutes Zeichen, wenn ein Pärchen denjenigen, der sie zusammengebracht hat, um sein Brot bringt.» Doch Weber sieht es gelassen. «Wenn ein Mensch den Partnervermittler betrügt, betrügt er über kurz oder lang auch seinen Partner. Und wenn zwei Betrüger sich finden, haben sich die zwei richtigen gefunden!»

«Früher war ich ein Macho. Ich hätte eine Frau niemals mein Auto fahren lassen.» Eine Ex-Freundin setzte sich damals schliesslich durch. «Am Ende wollte ich nur noch, dass sie fährt», erzählt Weber. Heute sei er viel liberaler. Weber hat drei Kinder aus zwei Ehen. Sein ältester Sohn ist mit 37 noch unverheiratet. «Er fliegt von Blume zu Blume.» Selbst ein Kuppler-Vater ist eben nicht allmächtig. «Man kann die eigenen Kinder nicht mit einem Revolver zur Heirat zwingen.»

Homosexuelle vermittelt Weber nicht: «Ich bekomme sonst Ärger mit den Rabbinern.»

Von Mischehen hält er nichts. Eine Nicht-Jüdin als Schwiegertochter käme für José Weber nicht in Frage, auch eine Konvertitin nicht. «Sie kann konvertieren, so viel sie will, sie wird trotzdem keine Jüdin sein.» Als religiös bezeichnet sich Weber aber nicht, eher als traditionell. «Kinder gleichzeitig ein bisschen katholisch und islamisch erziehen, da können Sie Tage mit mir diskutieren. Das gibt nichts.»

Im Laufe von 27 Arbeitsjahren hat José Weber rund 330 Paare erfolgreich vermittelt. Regelmässig bitten ihn auch Nicht-Juden um eine Vermittlung an einen jüdischen Partner. José Weber lehnt dann freundlich ab. «Manche Leute glauben, Juden seien schlauer oder reicher als andere Menschen. Die sind aber genauso klug und blöd wie alle anderen auch!» Auch Homosexuelle vermittelt er nicht. «Ich bekomme sonst Ärger mit den Rabbinern.»

José Weber kann für seine Arbeit keine Garantien geben. «Ich kann nur Angebote machen. Der eigentliche Matchmaker», und er deutet mit einem Finger nach oben, «der sitzt da oben. Mit anderen Worten: das Schicksal.»

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