Die Posse um die Zukunft des Riehener Internet- und Fernsehnetzes geht in die nächste Runde – auch dank der Firma UPC Cablecom, die ihre wirtschaftlichen Interessen mit demokratisch fragwürdigen Mitteln durchsetzt.
Riehen ist sich schon einige Absonderlichkeiten gewohnt, wenn es um die Zukunft des K-Netzes geht. «K» steht für Kommunikation und über das Netz läuft der Internet- und Fernsehempfang in den Basler Gemeinden Riehen und Bettingen. 2011 sollte das K-Netz verkauft werden, am 28. Februar steht nun bereits die dritte Volksabstimmung an (eine Übersicht), die Klarheit schaffen soll, wie es weiter geht.
Das kann so kommen – genauso gut ist es möglich, dass es jahrelang hin und her weitergeht. Eine gewichtige Rolle in diesem Trauerspiel nimmt der bisherige Betreiber des K-Netzes, die Firma UPC Cablecom ein. Die Cablecom wartet und bespielt das Netz im Auftrag der Gemeinde.
Im jetzigen Abstimmungskampf bedient sie sich gewisser Mittel, die in der Schweiz unüblich sind. Mit Briefen, Inseraten und über familiäre Verstrickungen mit dem Referendumskomitee will sie die Riehener davon überzeugen, das K-Netz nicht an die Prattler Firma Improware zu vergeben. Improware hatte in einem gerichtlich bestätigten Submissionsverfahren den Zuschlag erhalten, Cablecom ging leer aus.
2011 wollte der Gemeinderat das Netz ein erstes Mal an Cablecom verkaufen. Knapp 12 Millionen Franken sollte das auf einen Schlag einbringen, dafür wäre die jährliche Abgeltung über 200’000 Franken entfallen, welche die Cablecom entrichten musste als Gegenleistung für die einst 8500 Abonnenten, die sie über das Netz erreichte.
Der Riehener Einwohnerrat stützte die Vorlage der Regierung nach einer gehässigen Diskussion. Die Debatte verlief entlang der Links-rechts-Blöcke. Die Rechte argumentierte, es sei nicht Aufgabe der Gemeinde im Kommunikationsmarkt tätig zu sein, da es genügend private Anbieter gebe. Die Linke wehrte sich gegen einen Abbau des Service Public und einen Ausverkauf des Gemeindeinventars. Das K-Netz war Ende der 1990er-Jahre für rund 8 Millionen Franken modernisiert worden.
Satte Mehrheit gegen Verkauf
2012 untersagte die Riehener Bevölkerung mit einer satten Zweidrittel-Mehrheit den Verkauf. Die SP hatte das Referendum ergriffen. Ein Jahr später folgte das nächste Kapitel im bizarren Streit: Der Riehener Gemeinderat hatte das Netz erneut zum Verkauf wie auch zur Vermietung ausgeschrieben. Beide Zuschläge erhielt Improware.
Der bürgerlich dominierte Einwohnerrat favorisierte erneut die Verkaufsvariante – trotz des eindeutigen Volksentscheids gegen einen Verkauf. Im Bewusstsein der möglichen Verletzung des eben erst geäusserten Volkswillens entschied der Einwohnerrat, das Volk müsse erneut darüber befinden können. Wieder kämpften die Linken gegen den Verkauf – dieses Mal mit unerwünschter Unterstützung der Cablecom, die in Briefen an ihre Kunden plötzlich gegen den Verkauf weibelte. Wiederum wollten zwei Drittel der Stimmbürger, dass das K-Netz im Besitz der Gemeinde bleibt.
Empörung über Cablecom
Schon damals empörte man sich in der beschaulichen Basler Landgemeinde über das Powerplay von UPC. Doch Cablecom scheint sich durch ihren Erfolg bestätigt zu fühlen – und verstärkt vor der Abstimmung im kommenden Februar nochmals ihren Zugriff auf die Meinungsbildung.
Auch gegen die dritte Vorlage des Gemeinderates, eine Vergabe des K-Netzes an Improware als Betreiber, wurde das Referendum ergriffen. Nicht von bürgerlicher, auch nicht von linker Seite: Ein Mini-Komitee, bestehend aus drei Privatpersonen um den Riehener Rechtsanwalt Daniel Zollinger, ergriff gegen den Beschluss das Referendum. Politisch unterstützt wird das Komitee nach eigenen Angaben nur von der SVP.
Zollingers Beweggründe: «Wir möchten, dass keine neuen Verträge zum Betrieb des Kommunikationsnetzes abgeschlossen werden, die für derzeitige Kunden von Internet, Telefonie und TV zwingend einen Anbieterwechsel zur Folge hätten.»
Handfeste Motive
Zollinger hat aber auch handfestere Motive, einen Betreiberwechsel zu verhindern: Seine Frau Nadine Zollinger arbeitet als Jugend-Medienschutzbeauftragte für UPC, zudem vertrat sie als Rechtsanwältin den Konzern in mehreren Fällen vor Bundesgericht. Daniel Zollinger bestätigt die familiäre Verstrickung.
Inwiefern das Referendum direkt von Cablecom gesteuert ist, lässt sich nicht klären. Jedenfalls profitierte das Bürgerkomitee von einem erneuten Brief (zum Download) an die Kunden. Darin schreibt Cablecom:
«Wir sind seit vielen Jahren engagierte Betreiberin des gemeindeeigenen Kommunikationsnetzes. Um Ihnen eine sachlich fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen, gestatten wir uns, Sie darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des Einwohnerrates für Sie einen zwingenden Wechsel zu einem anderen Anbieter zur Folge hätte. Die von Ihnen genutzten Dienste für TV, Internet und Festnetztelefonie könnten nicht länger von UPC Cablecom bezogen werden. Dabei würde leider auch Ihre Hispeed-Emailadresse verloren gehen, und unser Mobilfunk-Angebot wäre ebenfalls nicht mehr zu den gleich attraktiven Konditionen verfügbar.»
Dazu verwies UPC auf die Website des Referendumkomitees und auf Unterschriftenbögen, die es dort zu beziehen gab. Manche, der im Brief geäusserten Folgen eines Wechsels entpuppten sich als leere Drohungen.
Drohungen an Kundschaft
Zeitgleich schaltete das Unternehmen, das dem weltweit grössten Kabelbetreiber Liberty Global gehört, ein Inserat in der «Riehener Zeitung», in dem wiederum vor einer Angebotsminderung gewarnt wurde. «Unterstützen Sie mit uns das Referendumskomitee», forderte die Cablecom die Leser auf.
Für UPC ist ein lukrativer Deal in Gefahr. Bisher hielt die Firma für eine vergleichsweise bescheidene Abgeltung das Monopol auf dem Riehener K-Netz: Improware ist bereit, als Betreiber jährlich 500’000 Franken an die Gemeinde abzuliefern – Cablecom bezahlte nur rund die Hälfte.
Ewiges Spiel
Ein Nein zum Betreiberwechsel ist für Cablecom aus doppelter Sicht wünschenswert. Wird der Wechsel zu Improware gestoppt, muss die Gemeinde eine neue Ausschreibung vornehmen. Würde erneut Improware den Zuschlag erhalten, wäre wiederum ein Gang vors Gericht möglich – und letztlich auch wieder ein Referendum.
Dieses Spiel könnte Cablecom so lange treiben, bis das Volk irgendwann den Betreiberwechsel gutheisst und das Gebaren der Firma stoppt. Jahrelange Verzögerungen wären die Folge. Und mit jedem Jahr, in dem die alte Vereinbarung in Kraft bleibt, profitiert Cablecom vom viel zu günstig vergebenen Monopol auf dem Riehener K-Netz.
Chronik einer unendlichen Geschichte
25. Oktober 2011: Der Gemeinderat bittet den Einwohnerrat um Zustimmung zum Verkauf des K-Netzes an Cablecom.
20. Februar 2012: Die SP Riehen reicht die nötigen Unterschriften für ein Referendum gegen den Verkauf ein.
6. Mai 2012: Die Riehener Stimmbevölkerung lehnt mit 65,1 Prozent den Verkauf ab.
5. Dezember 2013: Die Prattler Improware gewinnt Submissionsverfahren zum Kauf sowie Betrieb des K-Netzes.
23. Mai 2014: Das Basler Appellationsgericht weist den Rekurs von UPC Cablecom ab.
4. März 2015: Der Einwohnerrat beschliesst die Variante Verkauf an Improware und unterstellt den Entscheid einer Volksabstimmung.
14. Juni 2015: Riehens Stimmbevölkerung spricht sich mit 67 Prozent gegen den Verkauf aus.
24. September 2015: Der Einwohnerrat beschliesst die Vergabe des K-Netzes an Improware als Diensterbringerin (ohne Verkauf).
3. November 2015: Das Referendum eines «Bürgerkomitees» kommt zustande.
28. Februar 2016: Abstimmung über die Vergabe an Improware.