Der Bundesrat will Internetüberwachung beschränkt erlauben. Die Liste der Straftaten, bei denen überwacht werden darf, umfasst über 70 Delikte. Ausserdem besteht die Gefahr, dass die technischen Mittel irgendwann ausgedehnt werden.
In modernen Krimis werden Verbrechen oft dank Computerüberwachungen aufgeklärt. Bald soll das auch in Wirklichkeit passieren – und erst noch legal: Der Bundesrat hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass der Einsatz von Staatstrojanern künftig erlaubt sein soll. Wenn jemand kriminell ist, darf eine Schnüffelsoftware, korrekt «Government-Software», in den Computer dieser Person eingebaut werden, um Klarheit über die kriminellen Aktivitäten eben dieser Person zu erhalten. Konkret geht es um die Überwachung von Internetkommunikation.
Wenn ein Krimineller beispielsweise mit einem anderen Kriminellen per Internet-Telefon Skype Kriminelles bespricht, weiss der Fahnder künftig sofort Bescheid und muss nicht wie bisher hoffen, dass das Gespräch auch altmodisch per Festnetztelefon geführt wird: Telefongespräche dürfen heute schon mitgeschnitten werden, genauso, wie E-Mails abgefangen werden dürfen. Auch Trojaner wie die neu vorgesehenen gibt es vereinzelt schon, bloss der gesetzliche Rahmen fehlte bisher.
Lange Liste
Aber eben. Die Zeiten ändern sich und das Internet eröffnet auch Kriminellen neue Wege. Die Strafverfolger hinkten dieser Entwicklung bisher hinterher, weshalb das «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» revidiert werden soll. Die Rede ist von einem Einsatz dieser Trojaner in «engen Grenzen» und nur bei «besonders schweren Straftaten». Was heisst das? Diese Frage hat sich auch der Zürcher Anwalt Martin Steiger gestellt – und sie auf seinem Blog beantwortet, indem er sämtliche Delikte aufzählt, bei denen Trojaner benutzt werden dürfen. Es sind deren 73.
Sie reichen von Mord und Totschlag bis hin zu Güterkontrolle oder Täuschung der Behörde. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass bereits ein Strafverfahren gegen die delinquierende Person eingeleitet worden ist. Der Trojaner soll dann die Beweise erbringen. «Zufallsfunde», also andere, zusätzliche Verbrechen, sollen hingegen nicht «verwertet» werden dürfen.
Datenschützer warnt
Der Basler Datenschützer Beat Rudin hält diese Einschränkung für gut, dennoch: «Es ist ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeit.» Ausserdem zweifelt er an der Dauerhaftigkeit von rechtlichen Schranken: «25 Jahre Datenschutz-Erfahrung zeigen, dass rechtliche Grenzen wenig dauerhaft sind, wenn die Technik mehr Möglichkeiten bietet.» So schnell, wie der Gesetzgeber gesetzliche Schranken aufbaue, könne er sie auch wieder abbauen, sagte er bereits im TagesWoche-Interview.
Diese Gefahr bestehe auch bei den Staatstrojanern: «Die rechtlichen Grenzen sind beliebig verschiebbar.» Die Trojaner könnten viel mehr, als erlaubt. Heute soll etwa verboten werden, die Festplatte auszuforsten oder die Computerkamera und das Mikrofon einzuschalten. Doch Rudin fragt warnend: «Wird der Gesetzgeber in ein paar Jahren immer noch an diesen Verbot festhalten, wenn die Sicherheitsbehörden die Aufhebung fordern, um Terrorismus effektiver zu bekämpfen?»