Schonungslose Software berechnet, wie alt Sie auf andere wirken

Auf jedem Hals sitzt eine Zeitmaschine: Das Gesicht verrät so einiges über Alter und Lebenswandel. Eine Software hilft jetzt beim Alter bestimmen. Mit den Resultaten sind nicht alle einverstanden.

Alfred, viel zu alt geschätzt. (Bild: MAD)

Auf jedem Hals sitzt eine Zeitmaschine: Das Gesicht verrät so einiges über Alter und Lebenswandel. Eine Software hilft jetzt beim Alter bestimmen. Mit den Resultaten sind nicht alle einverstanden.

Wer kennt das nicht? Man wird aufgefordert, das Alter des Gegenübers zu schätzen – und verhaut sich komplett. Egal, in welcher Richtung des Zeitstrahls, zu jung oder zu alt, entweder schätzt man zu freundlich oder zu lüstern. Die attraktive Frau wird für 25 gehalten und ist nicht mal 16-jährig. Der nette Herr von nebenan nennt beiläufig sein Alter, das man bis anhin um gute 20 Jahre anders geschätzt hat.

Verkäuferinnen und Verkäufer können ein Lied davon singen. Jugendlichen Tabak und Alkohol verkaufen? Nur gegen Ausweis. Alles andere wäre zu unsicher. Und auch die Billettkontrolleure in Tram und Bus stehen immer wieder vor dem gleichen Dilemma: Ist dieser Fahrgast nun schon im Rentenalter? Oder vielleicht doch ein Graufahrer?

Gewiss, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis können weiterhelfen, die nicht ganz einfache Aufgabe zu meistern, das richtige Alter einer Person zu erraten. Oder wie schon der Dichter Friedrich von Bodenstedt wusste:

«In jedes Menschen Gesichte
Steht seine Geschichte,
Sein Hassen und Lieben
Deutlich geschrieben;
Sein innerstes Wesen,
Es tritt hier ans Licht…
Doch nicht jeder kann’s lesen,
Verstehn jeder nicht.»

Microsoft hat kürzlich seinen Webdienst how-old.net vorgestellt, der Bilder von Gesichtern analysiert. Da ist das Alter eine Frage von mathematischen Berechnungen, das Ergebnis eine Sache von Sekunden. Wir haben das kurzerhand mit den Porträts unserer Redaktorinnen und Redaktoren ausprobiert.

Das Resultat: nun ja. Die nüchternen Berechnungen des Programms sorgten für viel Emotionen und brachten einige ziemlich in Rage. Kurzum: Das redaktionsinterne Chatprogramm lief heiss. «Ich verklage how-old.net», schimpfte einer der Redaktoren. «Das ist ja klar, die müssen bluten. Die mache ich fertig. Das ist ja eine Riesensauerei! Ich glaubs ja nicht. Da kann ich mich gar nicht mehr einkriegen. Die spinnen doch. Das ist das A-L-L-E-R-L-E-T-Z-T-E!!»

Das Programm funktioniert eigentlich einfach. Es misst den Abstand zwischen Nase und Mund, die Breite der Lippen und der Wangen sowie die Position der Augenwinkel. Multiplizieren, subtrahieren – und fertig ist das Mondgesicht. Dementsprechend liegt das Programm manchmal stark daneben, punktet dafür aber bisweilen auch mit Zufallstreffern.

Alles will nach unten

Doch worauf kommt es wirklich an? Was genau lässt uns wie alt aussehen? Im Wesentlichen sind es zwei Dinge: Erstens, der Schwund des Bindegewebe-Gerüsts. Und der wirkt sich zweitens durch eine unsichtbare Kraft aus: die Schwerkraft. Kaum haben wir das pränatale Fruchtwasserbad verlassen, zieht alles nach unten, was nicht niet- und nagelfest ist.

Stirnfalten entstehen, hängende Lider, und die einst so grossen Kinderaugen mutieren zu den immer schmaler werdenden Sehschlitzen eines am Ende alten Gesichts. Zu allem Übel verlängert sich auch noch das Unterlid, was zu den halbmondartigen Vorwölbungen führt, die man in der Regel als «Tränensäcke» bezeichnet. Fälschlicherweise, denn mit Tränen haben die eigentlich überhaupt nichts zu tun. Im höheren Lebensalter sinkt dann noch der Augapfel zurück, weil das in den Augenhöhlen Stoss-abpuffernde Fettgewebe an der hinteren Knochenwand schwindet.

Keine faulen Tricks

Weitere Spuren des Alterungsprozesses finden Sie bei den Ohren. Die wachsen übrigens nicht mit zunehmendem Alter. Es ist der Kopf, der schrumpft. Die Ohren wirken so bloss optisch grösser. Aber auch das untere Gesichtsdrittel kommt nicht ungeschoren davon, vor allem die Mundpartie. Auch da führt kein Weg an der Schwerkraft vorbei. Die Oberlippe wird dünner, das Lippenrot weniger, der gefürchtete Faltenmund zur Glücksfrage. Und die Mundwinkel hatten auch schon fröhlichere Tage. Die oberen Schneidezähne sieht man nur noch selten, dafür die Unterkieferzähne umso öfter, denn auch die Unterlippe fällt ja nach unten und legt diese frei.

Kein Wunder, wollen viele dem Altern entgegenwirken. Man muss sein Leben gar nicht als Astronaut in der Schwerelosigkeit verbringen. Es gibt andere Möglichkeiten: Finger weg von Tabak (Rauchen ist wahrscheinlich der wichtigste äussere Alterungs-Faktor), geben Sie Ihrem Körper nicht zu viel Gewicht, Alkohol in Massen und bewegen Sie sich regelmässig. Zudem helfen eine solide Partnerbeziehung, ein kompetenter Umgang mit Konflikten und Stress sowie eine gute und kontinuierliche Ausbildung. Die Option der Verjüngungsoperation verwerfen wir hier ganz ausdrücklich: Die Schwerkraft zieht auch Silikon zum Mittelpunkt der Erde.

Nächster Artikel