Muslimische Schüler in Therwil müssen ihren Lehrern wieder die Hand geben. Ansonsten werden sie und ihre Eltern bestraft. Die Baselbieter Bildungsdirektion gibt der Religionsfreiheit keine Priorität.
Endlich ein Ende im Händedruck-Streit: Die Baselbieter Bildungsdirektion hat entschieden, dass die beiden muslimischen Schüler in der Sekundarschule Therwil ihren Lehrern wieder die Hand geben müssen. Die Geschichte sorgte Anfang April tagelang für grosse Aufregung in Medien und Öffentlichkeit.
Zwei Schüler muslimischen Glaubens hatten sich geweigert, einer Lehrerin zur Begrüssung die Hand zu geben. Sie begründeten dies mit religiösen Vorschriften. Die Schulleitung hatte daraufhin aus Gründen der Gleichberechtigung beschlossen, dass die beiden Teenager keinem Lehrer mehr die Hand geben müssen, sie dafür in einer anderen «respektvollen Form» begrüssen müssen. Zugleich forderte die Schulleitung die Bildungsdirektion auf, den Fall zu klären.
Gleichstellung wichtiger als Glaubensfreiheit
In einem Rechtsgutachten kommt die Baselbieter Bildungsdirektion nun zum Schluss, dass es wichtigere Interessen gibt als die Religionsfreiheit. Sie macht ein höheres öffentliches Interesse geltend, das es erlaube, das Grundrecht auf freie Ausübung des Glaubens einzuschränken.
«Das öffentliche Interesse bezüglich Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Integration von Ausländern überwiegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Religionsfreiheit) der Schüler erheblich», schreibt die Direktion der FDP-Frau Monica Gschwind in einer Mitteilung. Gschwind wies deshalb die Schule an, die früher getroffene Regelung aufzuheben und den Händedruck einzufordern.
Therwil wird den Händedruck nun wieder einfordern, wie die Direktion mitteilt. Die Familie sei darüber informiert worden. Ob die beiden Jungen der Aufforderung nachkommen wollen, wird nicht bekannt gegeben.
Vielfältige Strafen
Weigern sich die beiden Schüler dem nachzukommen, drohen Sanktionen:
- Die Eltern können mehrfach mit bis zu 5000 Franken gebüsst werden
- Mündliche Mahnung
- Aussprache mit den Eltern
- Schriftlicher Verweis der Schüler
- Bestehen die Probleme nur mit einer Lehrperson, ist auch eine Versetzung in eine andere Klasse möglich
- Schulausschluss über maximal acht Wochen («Time-out»)
- Dauerhafter Schulausschluss (nur möglich, wenn die Kinder anderswo eingeschult werden)
Die Schulen müssen zudem künftig Integrationsprobleme, die sie als gravierend erachten, dem Amt für Migration melden. «Damit wird die Prüfung von allfälligen ausländerrechtlichen Massnahmen an die zuständige Behörde weitergegeben», schreibt die Direktion. Dazu müssen allerdings noch die rechtlichen Bestimmungen geschaffen werden.
Verwarnung wegen IS-Videos
Ihre Ermittlungen eingestellt hat dagegen die Baselbieter Jugendanwaltschaft. Sie war tätig geworden, weil einer der beiden Schüler auf seinem Facebook-Auftritt islamistische Propagandavideos gepostet hatte. Eine Straftat wurde nicht festgestellt. Gleichwohl haben die Videos Konsequenzen für den Schüler: Das Amt für Migration spricht «wegen Gewaltverherrlichung in den Social Media» eine Verwarnung aus.
Dabei stützt sich das Amt auf das Ausländergesetz, genauer Absatz 2 von Artikel 96. Dort heisst es einigermassen unverständlich: «Ist eine Massnahme begründet, aber den Umständen nicht angemessen, so kann die betroffene Person unter Androhung dieser Massnahme verwarnt werden.»
Schuss vor den Bug
Die Übersetzung liefert Adrian Baumgartner, Sprecher der Sicherheitsdirektorin: «Das Amt für Migration hat genau hingeschaut. Die Videos reichen, um eine Verwarnung auszusprechen. Das kann man als Schuss vor den Bug verstehen.»
Als Ultima Ratio kann die Behörde den Entzug der Niederlassungsbewilligung verfügen. Dafür sind die Hürden aber sehr hoch. Wahrscheinlicher ist, dass die Abmahnung ins Einbürgerungsdossier der Familie einfliesst. Dieses ist derzeit sistiert.