Es ist Fasnachtszeit in Luzern, Ausnahmezustand herrscht, und in der feiernden Menge wird ein Zünfter erstochen. In «Schmutziger Donnerstag» stehen Tatort-Kommissar Flückiger und seine Kollegin chaotischen Zuständen gegenüber. Die TagesWoche und die Twittergemeinde haben die Ermittlungen mit Spannung verfolgt.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl schalteten die Tatort-Fans am Sonntagabend, pünktlich nach 20 Uhr, den Fernseher ein. Hatten doch die letzten drei Tatorte aus Luzern im Grossen und Ganzen nicht wirklich überzeugen können. Einziger Hoffnungsschimmer: Regisseur Dani Levy hatte sich dem Schweizer Sorgenkind angenommen. Und tatsächlich, die Folge «Schmutziger Donnerstag» scheint sogar die deutschen Kritiker zu verblüffen.
«Es geht ausgesprochen laut zu – ein schöner Kontrast zu den üblicherweise schwergängigen Fällen aus Luzern», meinte die Süddeutsche. Auch die Abendzeitung München zeigte sich beeindruckt: «Höhepunkt für die bisher eher unscheinbaren Luzerner Tatortvarianten: So war der ARD-Tatort „Schmutziger Donnerstag“.» Aus unserer Sicht scheint die Schweiz das Tatort-Comeback endlich geschafft zu haben.
Die beiden Kommissare zeigen sich für einmal von ihrer verletzlichen Seite, wirken authentisch: Geplagt vom harten Polizei-Alltag flüchtet sich Liz Ritschard (Delia Mayer) in die Arme ihrer jungen Geliebten. Reto Flückiger (Stefan Gubser) ist von Selbstzweifeln geplagt, als er herausfindet, dass eine Verbindung zwischen einem seiner alten Fälle und der Morderei an der Fasnacht besteht. Themen wie zerrüttete Familien, Geld und Macht machen den Krimistoff zudem für den Zuschauer greifbar.
Eine blutige Fasnacht
Seit Jahren in Berlin lebend, weiss der Basler Regisseur Dani Levy, wie er seine Heimat auch für deutsche Tatort-Fans fassbar machen kann. Er führt dem Zuschauer die blutige Realität, die durch die irrationale Heiterkeit der Fasnacht hindurchschimmert, gnadenlos vor Augen. «Schmutziger Donnerstag» ist ein Tatort mit einer aussergewöhnlich düsterer Atmosphäre.
Der Geschäftsmann und Zunftbruder Franz Schäublin (Peter Hottinger) wird mitten in der feiernden Masse vom personifizierten Tod erstochen. Schon bald steht fest, dass der Kleinbürger ein Doppelleben führte: Kurz vor seinem Tod hat er zusammen mit einem Komplizen eine junge Frau vergewaltigt. Der Täter aber scheint aus den Reihen der «Zunft der Wächter am Pilatus» zu stammen. Die einflussreichen Mitglieder, die sich gegenseitig zu Aufträgen verhelfen, schweben in Lebensgefahr. Doch die Vorsitzenden sehen keinen Grund, der Polizei auch nur ansatzweise zu helfen.
Klarheit bringt erst die Spur des totgeglaubten Martin Steiners (stark gespielt von Peter Zumstein), der in Fasnachtsverkleidung durch die Luzerner Unterwelt streift. Obwohl der Täter schon sehr früh feststeht, bleibt die Spannung aufrecht, führt er doch die beiden Kommissare und ihr Team gekonnt an der Nase herum. Steiner ist auf Rachefeldzug, denn er macht die Zunft für eine Tragödie in seiner Familie verantwortlich.
Kommissar Flückiger im Visier
Die Zunft, der Steiner stets seine gesamte Existenz untergeordnet hatte, versagte ihm jegliche finanzielle Hilfe, um seinen Sohn aus dem Gefängnis freizukaufen. Schlimmer noch, Steiner wurde aus der Zunft ausgeschlossen. Denn: «Ein Zunftmeister kann keinen kriminellen und drogenabhängigen Sohn haben.» Dieser versucht daraufhin, sich in seiner Zelle zu erhängen und erleidet schwere geistige Schäden. Aus Verzweiflung täuschte Steiner seinen eigenen Selbstmord vor und verschwand von der Bildfläche.
Zum dramatischen Höhepunkt kommt es, als Flückiger selbst ins Visier von Steiner gerät. Es stellt sich heraus, dass er als leitender Ermittler für die Verhaftung des Sohnes verantwortlich war. Verkleidet als Polizistin lockt Steiner ihn in einen Hinterhalt (die Maskerade war perfekt, sogar der Zuschauer hielt für eine hübsche Blondine) und spritzt ihm eine Droge. Flückiger wird jedoch von seiner Partnerin aus dem Rausch gerettet und am Ende wird Steiner vor der beeindruckenden Kulisse eines Luzerner Hoteldaches von Spezialkräften erschossen.
Stimmen aus der Twitter-Welt
Etwas aufgesetzt wirkt der Schluss, kommt es in der Schweiz doch selten vor, dass der Täter von der Polizei à la Hollywood mit mehreren Schüssen durchlöchert wird. Aber dieser Punkt wird gerne verziehen, denn der Plot ist die ganze Folge hindurch solide aufgebaut und spannend erzählt. Auch ein grosser Teil der #Tatort-Fans war positiv überrascht von «Schmutziger Donnerstag»:
kompliment! das war der absolut beste schweizer #tatort seit langem!! bitte mehr von regisseur #danilevy @srf
— Dolores Moser (@mosermu) 10. Februar 2013
Huhu @srf Ich fand den #Tatort ganz gut! Schön skurril mit einem Hauch von Geisteskrank und gruseligen Kostümen!
— SüperwomAn :)) (@BeAvonHL) 10. Februar 2013
Nur wenige Tatort-Liebhaber konnten auch dem vierten Fall aus Luzern wenig bis gar nichts agewinnen:
Haben den #Tatort heute kurz nach dem 2. Mord ausgeschaltet. War einfach zu schlecht.
— Timo Luege (@timolue) 10. Februar 2013
Für grosse Freude in der Twittergemeinde sorgte «Schmutziger Donnerstag» mit den subtilen Details, die da und dort eingebaut waren. So fühlten sich die Tatort-Freunde ausserhalb unserer Landesgrenze wieder einmal darin bestätigt, dass Herr und Frau Schweizer nur so mit Geld um sich werfen. Denn ganz zu Beginn bezahlt Schäublin seinem Vergewaltigungsopfer 1000.- Franken Schweigegeld, selbstverständlich in bar. Und auch die 700-fränkige Hotelrechnung begleicht er direkt aus dem Portemonnaie.
Klischee Nr.1: Der Schweizer hat immer ein paar Tausend in bar dabei. #tatort
— Mmmatze (@mmmatze) 10. Februar 2013
Herrlich auch anzusehen, wie Flückiger unter Drogeneinfluss plötzlich zum Gefühlsmenschen wird. «Liz, magst du mich?», fragt er seine verdutzte Kollegin. «Dann lass uns kleine Kinder haben.» – Ein klarer Falls fürs Krankenhaus.
„Willst du mich heiraten? – „So jetzt reichts, ich bring dich jetzt ins Spital!“ #tatort
— Johannes Petersen (@jop_sw) 10. Februar 2013
Ach ja, da war noch DJ Bobo. Kaum zu glauben und doch wahr, er ist in einer Mini-Rolle zu sehen. In Flückigers Drogen-Rausch zertrümmert er wie ein wildgewordener Rockstar ein Auto. Wer ihn erkannte, dem gefiel’s:
Dj Bobo zerschlägt ein Auto. Danke @tatort vom @sfr. #bobo #ard #tatort
— Djamil Deininger (@radiodjamil) 10. Februar 2013
Auch die Anspielung an fehlerhalfte Sprachfunktion der neuen iPhones – genannt Siri – sorgt für heitere Kommentare. Geknebelt mit Isolierband versucht Flückiger erfolglos, mit Hilfe von Siri seine Kollegin zu verständigen.
Schwerer Rückschlag für IPhone usability : Siri funktioniert nicht mit panzerband vor dem mund #tatort
— Andreas Pamp (@AndreasPamp) 10. Februar 2013
Für den Notfall sollte man sich die wichtigste Telefonnummer unter „Mmmhhpffff“ speichern. #tatort
— Dennis Horn (@dennishorn) 10. Februar 2013
Zugegeben, gebrüllt wird in diesem Luzerner Tatort viel, sehr viel um genau zu sein. Flückiger rastet im Besprechungszimmer aus, da er die Ermittlungen auf dem Holzweg vermutet. Was dem einen etwas zu viel Geschrei ist, amüsiert den anderen umso mehr.
schweizer basisdemokratie in der polizeiarbeit – wer am lautesten schreit hat recht #tatort
— Eiwo (@Eiwo) 10. Februar 2013
Doch ein Wermutstropfen blieb. Die ARD-Fernsehzuschauer beklagten sich ein weiteres Mal über die miese Synchronisation. Vielleicht wäre die optimale Lösung, die Schweizer Folgen in Originalsprache und versehen mit deutschen Untertiteln auszustrahlen, wie mehrere Twitterer vorschlagen.
@tatort @srf bringt ihn doch bitte das nächste mal gleich im original, mit Untertiteln. So kann man sich das nicht anschauen. :-/ #tatort
— BeN (@issomeonethere) 10. Februar 2013
Oder liegt das Problem der Nachsynchronisation gar nicht bei der Produktion, sondern beim Zuschauer, der sich nicht daran gewöhnt ist, dass ein Tatort synchronisiert ist?
Doch, was war ganz anständig. Im Ernst: Ein bundesdeutscher #Tatort käme auch irgendwie seltsam, wenn man ihn nachsynchronisieren müsste.
— SPIEGEL Kultur (@SPIEGEL_Kultur) 10. Februar 2013
Nach der Ausstrahlung von «Schmutziger Donnerstag» halten Tatorte aus der Schweiz dem internationalen Vergleich wieder stand, nicht zuletzt wegen der überzeugenden Regiearbeit von Levy. Da bleibt nur noch zu sagen:
Danke, Dani Levy, für einen guten #Tatort.
— Mark Heywinkel (@markheywinkel) 10. Februar 2013